Unser Sportchef Reto Fehr strampelte 2015 mit dem Velo in alle 2324 Gemeinden der Schweiz. Der Globetrotter besuchte davor zwar schon Länder wie Belize, Brunei Darrussalam oder Äquatorialguinea und Malawi – war aber noch nie auf dem Jungfraujoch oder dem Titlis, fuhr nie über den Gotthard-, Jaun- oder Nufenenpass, besuchte noch nie in Aarau, Genf und Thun. Das wollte er ändern.
Vier Monate war der radelnde Schweizentdecker unterwegs und legte eine Strecke von fast 11'000 Kilometern auf dem Drahtesel zurück. Das entspricht der Entfernung von der Schweiz nach Peking.
Jetzt ist zusammen mit dem St.Galler «Hützen + Partner Verlag» das Buch zum Gross-Projekt erschienen: «Tour dur d'Schwiiz – in 95 Tagen durch die unbekannte Heimat.» Fehr erzählt darin nur am Rande von den Leiden und Freuden einer so langen Velotour. Viel mehr ist das Werk eine Sammlung von unglaublichen, witzigen und überraschenden Geschichten aus der Schweiz. Wir zeigen hier eine kleine Auswahl in der Kurzversion.
In Wisen, einem Kaff in Solothurn mit rund 400 Einwohnern, steht ein offizieller Wegweiser nach Moskau und Peking. Warum? Ursprünglich war's ein Gag von Hochzeitsgästen in den 1990ern. Der damalige Baupräsident Stefan Muttli erklärt: «Ich fand die Idee witzig und bestellte einen richtigen Wegweiser. Denn schliesslich führt die Strasse ins Nachbarsdorf Zeglingen tatsächlich irgendwann nach Moskau und Peking.» Mittlerweile ist der Wegweiser auch vom Kanton «anerkannt».
Im Toggenburg heisst gibt's die «Alp Arsch», im Thurgau den «Fotzenacker» und bei Muotothal den Ort «Figgen». Die Liste liesse sich fast endlos verlängern. Wer mal einige solche Orte besuchen will, findet diese hier.
Die Erklärungen für die Namen sind meist harmlos: Die Alp Arsch gehört zur Gemeinde Amden auf der anderen Talseite und liegt von dort sehr weit weg. Es gibt übrigens noch weitere Orte mit «Arsch» in der Schweiz. Meist leiten sie sich vom rätoromanischen Partizip «ars» für «verbrannt» ab und deuten auf einen Brand hin, der hier mal wütete.
«Fotzenacker» wird ein Acker bei Guntershausen bei Aadorf bezeichnet, der wenig Ertrag gab. Abgeleitet von der Bezeichnung «Fötzel». Und «Figgen» schliesslich bezeichnet eine «Alpweide über einen weichen Hügelrücken mit Karststellen», wo sich die Weide an den Steinen «reibt».
Im zürcherischen Hedingen geht die Zeit tatsächlich drei Minuten voraus. Zumindest die Uhr der reformierten Kirche. Ganz geklärt ist der Grund nicht, aber seit 1925 steht das so in der Sigirstenverordnung. Die plausibelste Erklärung: Die Leute kamen immer knapp auf den Zug und huschten vor dem Bahnhof noch über die Gleise. Das war zu gefährlich. Wie auch immer: Wer der Zeit voraus sein will, sollte mal nach Hedingen.
An diesem Ort – an den ein Ausflug lohnenswert ist – fährt man zum Abschluss durch einen Tunnel und kommt dann auf der Staumauer des Lago di Lei wieder ans Tageslicht. Hier gehört praktisch nur die Staumauer noch zur Schweiz, der Rest zu Italien. Möglich wurde dies, durch einen Gebietsabtausch nach Fertigstellung des Stausees in den 1960ern. Kurz: Die Italiener haben einen See, wir den Strom.
Indemini wird gerne als abgelegenster Ort der Schweiz bezeichnet, den man auf einer Strasse erreichen kann. Das 40-Einwohner-Nest liegt zuoberst im italienischen Veddascotal.
Von der Schweiz aus erreichbar über eine 13 Kilometer lange Strasse, die 1200 Höhenmeter überwindet und dann von der Alpe di Neggia aus wieder 400 Höhenmeter auf der anderen Seite runter. Zu empfehlen wäre auch eine Wanderung auf der Alpe di Neggia mit wunderschönem Blick auf den Lago Maggiore und ein bisschen ins Maggia-Tal hinein.
Wo steht die kleinste Stadt der Welt? In der Schweiz streiten sich mit Werdenberg SG und Fürstenau GR gleich zwei Orte um den Titel, welche beide das Stadtrecht seit dem Mittelalter besitzen. Fürstenau bei Thusis schreibt sich gar so an. Am besten ihr geht da mal vorbei und entscheidet selbst, welches tatsächlich die kleinste Stadt der Welt sein soll. Hauptsache, ihr sagt nicht Hum in Kroatien. Das beansprucht den Titel für sich nämlich auch.
Fischenthal ist flächenmässig die viertgrösste Gemeinde des Kanton Zürichs und weist knapp 2500 Einwohner aus. Fünf der Bewohner waren schon mal bei Olympia – womit weltweit in der Neuzeit kein Ort prozentual mehr Teilnehmer an den Sportanlass schicken konnte (bei mindestens zwei Teilnehmern). Es sind dies Philipp und Simon Schoch (Snowboard), Kai Mahler (Ski-Freestyle) sowie Silvio und Elmar Schaufelberger (Bob).
Fischenthal lohnt sich übrigens für sportliche Besucher: Zum Mountainbiken ist die Gegend genial, gewandert werden kann und im Winter lockt gar ein kleiner Skilift.
1957 wählten in der Schweiz erstmals Frauen. In Unterbäch, hoch über dem Rhonetal. Stimmrecht hatten sie keines, aber bei der Abstimmung über die Einführung des obligatorischen Zivildienstes für Frauen, wurden die Damen im 450-Einwohner-Kaff zur Wahl zugelassen. 33 der 86 Wahlberechtigten stimmten ab. Ihre Voten landeten allerdings in einer separaten Urne und wurden nicht gezählt.
Über den «Skandal» berichtete gar die «New York Times». Ein Jahr später führte Unterbäch das Frauenstimmrecht auf kommunaler Ebene ein. Heute erinnert ein kleines Denkmal im Dorfkern an das «Rütli der Schweizer Frau». Und auch hier gilt: Im Sommer liegt der Ort ideal für herrliche Wanderungen.
Die Aussicht auf den Greyerzersee von der Autobahn kennt wohl jeder, der schon mal auf der A12 von Bern nach Vevey fuhr. Ins Auge sticht im längsten Stausee der Schweiz (13,5 Kilometer) die île d'Ogoz mit der kleinen Kapelle und den zwei Wehrtürmen. Sie ist per Schiff – oder bei niedrig Wasser zu Fuss – erreichbar. Die Zwei Türme sind einer Legende nach ein Mahnmal aus dem 13. Jahrhundert.
Damals stritten sich zwei Brüder um die Hand einer schönen Tochter. Ein Duell sollte den Sieger erküren. Dumm nur, dass sich die Dame dazwischen warf, um die Brüder zu trennen. Sie wurde tödlich getroffen. In ihrer Trauer errichteten beide Brüder je einen Wehrturm an dem Ort, wo ihre Traumfrau starb. Damals gab es den Stausee allerdings noch nicht, weshalb die Türme auf einer Halbinsel standen. Der Greyerzersee hat noch mehr zu bieten und ist ideal für einige erholende Tage.
In La Cure an der Grenze zu Frankreich steht das Hotel Arbez Franco-Suisse. Speziell dabei: Es ist das einzige Hotel weltweit, das in zwei Ländern steht. Man kann dort mit dem Kopf in der Schweiz übernachten, während sich die Füsse in Frankreich erholen. Oder beim Nachtessen am gleichen Tisch ein Land von seinem Gegenüber getrennt sein.
Möglich wurde dies, weil das Gebiet 1862 einem Landtausch unterzogen wurde. Damals hiess es: Jedes auf der neuen Grenze stehende Haus darf bleiben. Der schlaue Landbesitzer Alphonse Ponthus erbaute schnell – noch bevor die Verträge definitiv unterzeichnet waren, ein Gebäude. Er wollte damit Schmuggel betreiben, was danach auch wunderbar gelang. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Hotel aus dem Gebäude. Der heutige Mitbesitzer Alexandre Peyron sagt: «Steuern werden auf beiden Seiten bezahlt.»
Soweit die kleine Auswahl. Hast du Lust auf mehr? Willst du zum Beispiel diese Dinge wissen wie: Wo liegt die erotischste Landschaft der Schweiz? Was ist die grösste Schweizer Altlast? Warum durften in Finsterhennen BE die Kinder an Wochenenden nicht schreien? Weshalb besitzt Visperterminen wohl doch nicht den höchsten Weinberg Europas? Warum heisst der Ort «Chäs und Brot» so und wie entstand dort das Schweizer Kreuz? Und wo liegt das letzte Paradies der Tour?
Dann mach mit beim Wettbewerb unten. Hast du keine Lust dazu, kannst du dir das Buch zur «Tour dur d'Schwiiz» im Buchhandel besorgen. Erschienen ist es im «Hützen + Partner Verlag».
(erf)