Seit mehr als 20 Jahren hat die Schweiz keine Rentenreform mehr auf die Reihe gebracht. Mehrere Versuche sind gescheitert, zuletzt vor zwei Jahren die Altersvorsorge 2020. Nun liegen neue Vorschläge des Bundesrats für die AHV und der Sozialpartner für die berufliche Vorsorge auf dem Tisch. Bereits gibt es Kritik von verschiedenen Seiten, die Debatte dürfte erneut schwierig werden.
Immerhin hat das Stimmvolk im Mai mit dem deutlichen Ja zur AHV-Steuervorlage (STAF) eine Zusatzfinanzierung für die erste Säule beschlossen und ihr eine Atempause verschafft. Die Grünliberalen hatten sich dagegen gewehrt. Sie verlangten eine strukturelle Rentenreform und verrannten sich damit total. Ihre pragmatische Basis hat die STAF klar befürwortet.
Nun legt das GLP Lab, die «Denkfabrik» der Partei, ein eigenes Reformkonzept vor. Das watson vorliegende Papier erhebt einen hohen Anspruch, es will nichts weniger sein als ein «Bauplan für einen neuen Generationenvertrag». Um ein umfassendes Programm handelt es sich nicht, es beschränkt sich weitgehend auf vier Punkte. Die aber haben durchaus Potenzial.
Im 20. Jahrhundert war es normal, dass man eine Lehre oder ein Studium abschloss und bis zur Pensionierung durcharbeitete. Mit der heutigen Lebensrealität vorab jüngerer Menschen hat dies nicht mehr viel gemeinsam. Viele unterbrechen ihre Arbeit für einen Elternurlaub, ein Sabbatical oder eine Umschulung – ein wichtiger Aspekt in einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt.
Die GLP schlägt vor, dass man künftig die AHV-Rente um bis zu 18 Monate vorbeziehen kann, um einen allfälligen Erwerbsausfall zu überbrücken. Voraussetzung ist, dass man zuvor mindestens fünf Jahre in die AHV-Kasse einbezahlt hat. Die Arbeitszeit bis zum regulären Rentenbezug würde sich entsprechend verlängern, womit die Massnahme laut GLP Lab «nahezu kostenneutral» wäre.
Das Modell, in dem der Mann zu 100 Prozent arbeitet und die Familie ernährt, ist ebenfalls nicht mehr zeitgemäss. Häufig arbeiten Frauen aber nur Teilzeit, was in der zweiten Säule ein Nachteil ist. Wegen des so genannten Koordinationsabzugs von derzeit 24'885 Franken haben Geringverdiener kaum eine Chance, eine vernünftige Pensionskassenrente zu erzielen.
Im GLP-Konzept wird der Koordinationsabzug komplett abgeschafft und die Eintrittsschwelle, also der massgebende Mindestjahreslohn, von heute 21'000 Franken auf Kleinsteinkommen reduziert, zum Beispiel 12'000 Franken. Massgebend soll künftig das Gesamteinkommen sein, was die «Gig Economy» berücksichtigt, in der die Leute teilweise mehrere Jobs gleichzeitig ausüben.
Die berufliche Vorsorge wird durch Lohnabzüge finanziert, die so genannten Altersgutschriften. Sie steigen mit zunehmendem Alter gestaffelt von 7 auf 18 Prozent. Die zunehmenden Lohnkosten gelten als ein Grund, warum ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt Mühe haben oder diskriminiert werden. Die Lösung der Grünliberalen ist simpel: Eine Flatrate bei den Altersgutschriften.
Das Rentenalter 65 (Frauen 64) ist in der Reformdebatte besonders umstritten. Bürgerliche und Wirtschaftskreise fordern eine Erhöhung auf 67 Jahre. Eine flexibler Rentenbezug ist ansatzweise schon heute möglich. Die Grünliberalen gehen in ihrem Papier erheblich weiter: Jeder Mensch soll künftig mehr oder weniger selber entscheiden, wann und wie er in Pension gehen will.
Dafür bestimmt der Bund ein Mindestrentenalter, das nicht mehr mit einer automatischen Pensionierung verknüpft ist. Es könnte an die Lebenserwartung gekoppelt werden, wie dies einige Länder schon heute machen. Zwangspensionierungen vor dem 70. Lebensjahr sollen verboten und der Bezug von Teilrenten nach schwedischem Vorbild möglich werden.
Die Vorschläge 2 und 3 sind nicht neu und dürften zu Diskussionen führen. So bedeutet eine Abschaffung des Koordinationsabzugs auch eine Lohneinbusse, was gerade für Geringverdiener schmerzlich wäre. Dies wäre «ein kurzfristiger Nachteil», räumt Projektleiterin Fiona Hostettler ein, «aber nach der Pensionierung werden die Leute weniger abhängig von Ergänzungsleistungen».
Der Generationenvertrag des GLP-Politlabors sei «nicht speziell» für den Wahlkampf erarbeitet worden, erklärt Hostettler. Die Jungpolitikerin – sie ist Gemeindeparlamentarierin in Baden (AG) – hofft dennoch, dass das neue Parlament bei der Altersvorsorge «etwas progressiver» und vor allem ehrlicher in der Kommunikation sein werde. Und offener für neue Konzepte.
Das betrifft nicht zuletzt den Vorbezug der AHV bei Erwerbspausen. Der Aargauer Nationalrat Beat Flach will diesen Teil laut Fiona Hostettler als Vorstoss im Parlament einreichen, wenn möglich noch in der laufenden Herbstsession. Auch die Flexibilisierung werde «sehr wahrscheinlich» in dieser Form ins Parlament gebracht, sagt die Projektleiterin.
Ich kenne wirklich genügend best ausgebildete ältere Arbeitnehmer, die auch bei tieferen Lohnerwartungen (Ausgleich zu den hohen PK Ausgaben) keine Stelle finden und sich dann in eine Scheinselbständigkeit zurückziehen. Sie mussten dies weil sie einfach nicht berücksichtigt wurden: WEGEN dem ALTER!