Das bei einem Bergsturz weitgehend verschüttete Walliser Bergdorf Blatten erhält vom Bund eine Soforthilfe in Höhe von fünf Millionen Franken. Nach dem Ständerat hat am Donnerstag auch der Nationalrat die entsprechenden Rechtsgrundlagen oppositionslos gutgeheissen.
Den Solidaritätsbeitrag hatte der Bundesrat am vergangenen Freitag beschlossen. Für die Freigabe der Gelder brauchte es die Zustimmung des Parlaments. Innert sechs Tagen hiessen beide eidgenössischen Räte das dringliche Bundesgesetz und den dazugehörigen Finanzierungsbeschluss gut - jeweils ohne Gegenstimme.
Damit kann der Bund die Finanzhilfe an die Gemeinde Blatten auszahlen. Diese erstattet bis in einem Jahr einen Bericht über die Verwendung der Gelder. Nicht verwendete Gelder muss die Gemeinde dem Bund zurückzahlen.
Die fünf Millionen Franken dienen für Sofortmassnahmen, die nicht durch Versicherungen oder Subventionen gedeckt sind. Aber auch Menschen aus dem Dorf in schwierigen Situationen soll geholfen werden können. Pro Bewohnerin und pro Bewohner von Blatten stellt der Bund 15'000 Franken zur Verfügung.
Am 28. Mai zerstörte ein Bergsturz das Dorf Blatten im Walliser Lötschental weitgehend. Eine Person wird noch immer vermisst. Der Rest der rund 300 Bewohnerinnen und Bewohner hatte rechtzeitig evakuiert werden können.
Der Schuttkegel der abgestürzten 3,5 Millionen Kubikmeter Fels und Gletschereis ist zwei Kilometer lang, 400 Meter breit und stellenweise 200 Meter tief. Die Parlamentsmitglieder am Rednerpult betonten das riesige Ausmass der Katastrophe.«Eine solche ausserordentliche Situation erfordert ausserordentliche Massnahmen», sagte Anna Giacometti (FDP/GR), Sprecherin der Finanzkommission des Nationalrats (FK-N). Sie lobte die rasche Reaktion des Bundesrats sowie die unbürokratische Hilfe der betroffenen Behörden.
Das Ereignis sei noch nicht abgeschlossen, gab Umweltminister Albert Rösti zu bedenken. Gemäss aktuellsten Schätzungen der Experten ist noch immer eine Million Kubikmeter Fels in Bewegung. Die derzeitige Schadensumme werde auf eine halbe bis zu einer Milliarde Franken geschätzt.
Kommission überwacht GeldverteilungIn den vergangenen Tagen hatten bereits verschiedene Kantone, Gemeinden und Private Gelder zugunsten der Bevölkerung von Blatten gesprochen. Bei der Glückskette gingen bis Donnerstagvormittag Spendenzusagen von rund 17,1 Millionen Franken ein. Rösti sagte, dass die Soforthilfen insgesamt einen Umfang von mindestens 30 Millionen Franken hätten.
Ständerat Beat Rieder (Mitte/VS), der selbst im Lötschental wohnt, hatte am Dienstag im Namen der dortigen Bevölkerung für die rasche und unbürokratische Hilfe gedankt. Die Einheimischen seien sich Naturkatastrophen gewohnt, aber nicht ein solches «Jahrtausendereignis».
Trotz der Katastrophe sei das Motto der Lötschentaler Bevölkerung: «Wir müssen, können und wollen mit Naturkatastrophen leben. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, eine neue Heimat aufzubauen.»
Rösti betonte, dass der Bund die Gemeinde Blatten bei den Überlegungen und Planungsarbeiten für einen Wiederaufbau begleiten werde. Der Bund wolle die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Zuerst gelte es nun aber, Soforthilfe zu leisten. Eine Kommission im Lötschental werde dafür sorgen, dass die Gelder zweckmässig eingesetzt würden.
Gesetzliche Basis für Zukunft gesuchtIm Parlament wurden neben der unbestrittenen Soforthilfe auch kritische Punkte angesprochen. Die einen wiesen darauf hin, dass in acht Kantonen - darunter im Wallis - eine Gebäudeversicherung nicht obligatorisch ist. Andere plädierten dafür, einen nationalen Fonds für Schäden nach Naturkatastrophen einzurichten.
Eine entsprechende parlamentarische Initiative ist hängig. Die FK-N reichte auf Antrag von Pius Kaufmann (Mitte/LU) zudem eine Motion ein, die den Bundesrat beauftragen soll, eine Vorlage für ein Katastrophenhilfegesetz zu erarbeiten.
Zu Sprache kamen im Parlament auch die Unwetterereignisse vom vergangenen Jahr in den Kantonen Wallis, Tessin und Graubünden. Umweltminister Rösti stellte einen Zusatzkredit von 38 Millionen Franken für die betroffenen Gebiete in Aussicht.
Auch künftig würden Betroffene von Naturkatastrophen in ähnlichem Ausmass vom Bund unterstützt, versprach er. Es sei keine Option, die Bevölkerung in gefährdeten Berggebieten umzusiedeln. «Unser Land besteht darin, dass man in allen Regionen leben können muss.» Ausgenommen seien lokal ausgeschiedene Gefahrenzonen. (dab/nib/sda)