Jedes Jahr werden in den Schweizer Wohnzimmern weit über eine Million Weihnachtsbäume aufgestellt. Die allermeisten verenden nach den Feiertagen kümmerlich auf der Strasse oder landen auf dem Scheiterhaufen.
Über 5000 Christbäume erleben diese Weihnachten eine Wiedergeburt. Denn ein Drittel der 15'000 Tannen des Alpin Gartencenter in Filisur GR werden nicht abgesägt, sondern stehen in einem Topf. Sie werden nicht gekauft, sondern gemietet. Nach der Christmas-Party kehren sie zurück in die Bündner Berge. Bis zum nächsten Jahr.
«Rent a christmas tree» boomt in den Schweizer Städten. In Zürich etwa sind die Bäume aus Filisur in der Hipster-Siedlung Kalkbreite erhältlich oder werden direkt nach Hause geliefert. Beim Bachsermärt stehen die Kunden Schlange. «Wir kriegen jeden zweiten Tag eine neue Lieferung. Unsere Kunden wollen etwas Gutes für die Umwelt tun», so eine Angestellte.
Es ist die urbane Mittelschicht, die von den Miet-Bäumen angetan ist. Denn der wiederverwendbare Weihnachtsschmuck kostet mehr als die normale Tanne von nebenan. Eine gemietete 1-Meter-Nordmanntanne kostet 79 Franken, geschnitten sind es weniger als die Hälfte. «Das Umweltbewusstsein ist in den Städten ausgeprägter als auf dem Land», sagt Markus Schutz, Mitinhaber der Baumschule Schutz. Auch andere Anbieter wie Traumbaum.ch oder die Pioniere von ecosapin buhlen in der Schweiz um die Kundschaft für Mietbäume.
Aber ist ein wiederverwendbarer Weihnachtsbaum wirklich ökologischer als eine normale Einweg-Tanne? Stefan Oberholzer, Präsident der IG Suisse Christbaum, hat dazu eine dezidierte Meinung. «Miet-Bäume sind wie ein Koma-Patient, den man künstlich am Leben erhält. Das ist ein Mode-Gag und ökologischer Schwachsinn!» Die Miet-Bäume müssten nicht nur in Zwischenlagern vor den Temperatur-Schocks geschützt, sondern regelmässig gedüngt werden. «Manche Kunden wollen damit wohl ihr schlechtes Gewissen für einen Ferienflug nach Thailand kompensieren», so Oberholzer weiter.
Schutz ist über die markigen Worte erstaunt. «Natürlich müssen wir die Bäume pflegen, aber das gilt auch für die normalen Tannen.» Man habe in den letzten Jahren das Topf-System perfektioniert und brauche immer weniger Ressourcen. Der allergrösste Teil der Bäume überlebe übrigens die Feiertage problemlos. Einige Kunden gönnen sich einen Familienbaum, den sie jedes Jahr wieder in die Stube holen. Schutz ist überzeugt, dass in Zukunft die Miet-Bäume die Schweizer Wohnzimmer im grossen Stil erobern. «So wie die Elektroautos die Benziner verdrängen werden.»
Weihnachtsfans können ihre Mietbäume übrigens sogar im Sommer besichtigen. «Vereinzelt kommen Familien, die ihren Baum im Sommer mit ihren Kindern besuchen», sagt Schutz weiter.