Die Schweizer Wirtschaft habe manche Krise überstanden. Sie werde auch mit Donald Trumps 39-Prozent-Zoll klarkommen. Solches konnte man hören und lesen, nachdem der US-Präsident seinen Zollhammer auf die Schweiz niedersausen liess. Bei der Tech-Industrie und dem Dachverband Swissmem hält man wenig von solchen Beschönigungen.
«Weder wir noch unsere Firmen jammern», betonte Direktor Stefan Brupbacher am Dienstag an der Halbjahres-Medienkonferenz in Bern. Dennoch sei es frustrierend, wenn die Bevölkerung glaube, die Industrie könne jeden Schlag «einfach wegstecken». Tatsächlich ist die Lage düster: Seit neun Quartalen, also seit zwei Jahren, sind die Umsätze rückläufig.
An der Jahresmedienkonferenz im Januar hatte sich Swissmem noch zurückhaltend geäussert. Davon ist keine Rede mehr, denn im zweiten Quartal sind die Aufträge bei den Industriefirmen mit einem Minus von 13,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal regelrecht eingebrochen. Von einem «gefährlichen Abwärtsstrudel» sprach Stefan Brupbacher.
Das zweite Quartal begann mit Donald Trumps «Liberation Day». Die eigentlichen Zölle folgten Anfang August, doch allein durch die Ankündigung kippte das US-Geschäft in den negativen Bereich. Die USA seien eigentlich ein profitabler Markt, sagte Swissmem-Präsident Martin Hirzel, «aber mit einem Zoll von 39 Prozent eignet sich die Schweiz nicht mehr als Produktionsstandort».
Die Tech-Branche bekam die Folgen schnell zu spüren. Rund 40 Prozent der exportierenden KMU der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie verzeichnen Einbussen im US-Geschäft. Dies zeigt eine Umfrage des Schwesterverbands Swissmechanic, über die die «NZZ am Sonntag» berichtete. Knapp zehn Prozent haben die Exporte in die USA gestoppt.
Ein konkretes Beispiel ist die Blumer AG im thurgauischen Oberneunforn. Sie stellt Maschinen für die Etikettierung her und ist in diesem Bereich laut eigenen Angaben Weltmarktführerin. Also einer jener Nischenplayer, die typisch sind für die Schweizer Industrie, die im Massenmarkt kaum eine Chance haben und sich spezialisieren müssen.
Bislang stammten rund 15 Prozent des Umsatzes aus den USA, doch seit April ist gemäss einem Tamedia-Bericht keine Bestellung mehr eingegangen. Und das dürfte bei einem Zoll von 39 Prozent so bleiben, fürchtet Firmenchef Roy Bruderer. Gegenüber der deutschen Konkurrenz sei man technologisch überlegen, doch die «profitiert» vom 15-Prozent-Zoll der EU.
Noch sind Kurzarbeit oder Entlassungen bei der Blumer AG kein Thema, doch Firmen mit einem deutlich höheren USA-Anteil am Export mussten laut Bruderer bereits Kurzarbeit anmelden. «Wenn wir keine Lösung finden, sind Zehntausende von Arbeitsplätzen gefährdet», warnte Swissmechanic-Präsident Nicola Tettamanti in der «NZZ am Sonntag».
Das ist nicht aus der Luft gegriffen. Innert Jahresfrist gingen in der Tech-Industrie mehr als 6000 Stellen verloren, die Hälfte allein im zweiten Quartal 2025. Die Zahl der offenen Stellen sank auf etwas über 3000. Auch das zeigt, dass sich die Branche faktisch in einer Rezession befindet. Und das Problem beschränkt sich keineswegs auf die USA.
In Asien und vor allem China, lange ein gelobtes Land der Schweizer Exporteure, war das Geschäft zuletzt stark rückläufig. Einzig in Japan und Indien lief es erfreulich. Auch Deutschland als mit Abstand wichtigster Handelspartner kommt nicht auf Touren, doch im Vergleich sei Europa «fast ein Anker der Stabilität», sagte Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher.
Als Hauptproblem nannten die Swissmem-Mitgliederfirmen in einer Umfrage nicht etwa Trumps Zölle, sondern den starken Franken gegenüber Euro und US-Dollar. Für 73 Prozent der Firmen sind die negativen Folgen erheblich bis sehr stark. Das widerlegt das Narrativ, wonach die Frankenstärke eine Art permanente Fitnesskur für die Schweizer Wirtschaft sei.
Als «Gegenmittel» fordert Swissmem die Erschliessung neuer Absatzmärkte, etwa durch die Freihandelsabkommen mit Mercosur, Thailand und Malaysia. Und die Umsetzung der Bilateralen III. «Seit die USA auf das Recht des Stärkeren setzen, haben die bilateralen Verträge mit der EU eine noch höhere Bedeutung gewonnen», sagte Präsident Martin Hirzel.
Das ist Wasser auf die Mühlen jener Kräfte im Parlament, die eine Volksabstimmung vor den Wahlen 2027 anstreben und das Vertragspaket mit einer Spezialkommission behandeln wollen. Kaum auf Widerstand stossen dürfte die Forderung von Swissmem, die Bezugsdauer der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate auszuweiten.
Nichts wissen will der Verband dafür von weiteren Sozialabgaben, etwa für die AHV oder die Kinderbetreuung (Martin Hirzel sprach von einem «Tsunami»). Kontrovers ist auch die Forderung, das Kriegsmaterialgesetz im Interesse der Rüstungsindustrie zu lockern. Es drohen Konflikte mit der Neutralität, die Swissmem nicht wirklich widerlegen kann.
Insgesamt schwankte die Medienkonferenz vom Dienstag zwischen Durchhalteparolen und einer gewissen Resignation. «Wir dürfen nicht naiv sein», warnte Martin Hirzel. Solange Donald Trump in den USA regiert, bleibe die Rechtsunsicherheit bestehen. Und eine Verlagerung der Produktion nach Übersee ist nur für zwölf Prozent der Swissmem-Mitgliederfirmen ein Thema.
Zu gross ist der Aufwand, zu schlecht das Angebot an qualifizierten Fachkräften. Selbst US-Unternehmen investieren deswegen kaum noch, was bei Swissmem die leise Hoffnung erzeugt, sie könnten Trump eventuell zum Umdenken bewegen. Doch nach zwei Krisenjahren denken immer mehr Schweizer Industriefirmen an radikale Massnahmen.
37 Prozent erwägen laut der Swissmem-Umfrage eine Restrukturierung mit Stellenabbau und 31 Prozent Verlagerungen in die EU. Das werde ernste Konsequenzen für die gesamte Schweiz haben, warnte Martin Hirzel. Subventionen verlangt Swissmem nicht, aber bessere Rahmenbedingungen. Denn letztlich lebe man in einer neuen Welt, «und die wird nicht weggehen».
Was für ein Honk