Bei grösseren Beschaffungen der Schweizer Armee treten öfters Probleme auf. In den letzten Jahren haben sich die Fälle trotz Reformen im Beschaffungswesen gehäuft. Dabei sind die Projekte aus ganz unterschiedlichen Gründen gescheitert. Hier ein Überblick in 7 konkreten Fällen:
Aktuell werden in der Schweizer Politik gerade die sogenannten Kompensationsgeschäfte diskutiert. Die Armee will in den nächsten zehn Jahren Kampfflugzeuge und ein Luftabwehrsystem für insgesamt 8 Milliarden Franken im Ausland beschaffen.
Passend zur Debatte hat nun die Schweizerische Gesellschaft für Technik und Armee eine Studie veröffentlicht, die in diesen Gegengeschäften grosse Chancen für die Schweizer Wirtschaft sieht.
Das Brisante ist dabei der Autor der Studie, wie der «Tages-Anzeiger» am Mittwoch schreibt. Professor Thomas Friedli ist selbst seit fünf Jahren beim Rüstungskonzern Ruag angestellt. Sollten die Gegengeschäfte zustande kommen, dürfte die Ruag am meisten davon profitieren.
Doch was sind solche Gegengeschäfte genau? Diese Offset-Deals sollen geschlossen werden, um die Schweizer Wirtschaft anzukurbeln. Das heisst konkret: Die Lieferanten für Flugzeuge und Luftabwehrsystem müssen sich einverstanden erklären, ebenfalls für 8 Milliarden Franken in der Schweiz einzukaufen.
Das Problem dabei ist, dass die Forderung nach Kompensationsgeschäften den Preis der von der Schweiz eingekauften Güter in die Höhe treibt. Der Präsident des Flugzeugbauers Pilatus, Oskar Schwenk, geht im «SonntagsBlick» von einem Zuschlag von bis zu 20 Prozent aus.
Ähnlich lief es bei der Entscheidung von 2015 darüber, ob der Truppentransporter Duro der Schweizer Armee ausgemustert oder nochmals aufgerüstet werden sollte. Praktischerweise erstellte die Mowag eine Studie dazu. Diese kam zum Schluss, dass eine «Werterhaltung» sehr viel günstiger käme als eine Neuanschaffung.
Also kamen die 2'200 Duros nochmals in den Genuss einer Kompletterneuerung. 558 Millionen Schweizer Franken flossen in das Projekt, das schlussendlich von der Mowag gleich selbst ausgeführt wurde. Damit beliefen sich die Kosten pro Fahrzeug auf über 250'000 Franken. Bei der Anschaffung vor über 20 Jahren kosteten die Duros nur 140'000 Franken das Stück.
«Der Beobachter» schrieb dazu, dass es sich bei der «Werterhaltung» der Duros eigentlich «um gut kaschierte» und teurere Neuanschaffungen handelte. Denn die Fahrzeuge behielten nur ihr Chassis, alles andere wurde ausgewechselt.
Der Gripen ist in der Geschichte der Schweizer Armeeanschaffungen der letzten Jahre das wohl prominenteste Beispiel. Im November 2011 beschloss der Bundesrat, dass der Gripen die richtige Wahl sei, um die alten F-5 Tiger der Luftwaffe zu ersetzen.
Den Gripen E/F gab es zu diesem Zeitpunkt aber erst auf dem Reissbrett. Bei späteren Tests fiel das Kampfflugzeug durch. Trotzdem hielt der damalige Vorsteher des VBS, Ueli Maurer, am schwedischen Flieger fest.
Anstatt den Gripen als kostengünstige Variante zu verkaufen, hoben die Verantwortlichen stets die technischen Vorteile hervor. Währenddessen gaben mehrere Experten in den Medien immer vernichtendere Urteile über das Flugzeug des schwedischen Herstellers Saab ab.
Schliesslich kam es am 18. Mai 2014 zur Volksabstimmung. Die Armee kassierte eine Niederlage an der Urne. Politexperten waren sich einig: Mitverantwortlich war Ueli Maurers undurchsichtige Kommunikation.
Weiter drohte kurz vor der Abstimmung ein gemachter Deal mit Schweden über Pilatusflugzeuge plötzlich zu platzen. Steckte hier ein geheimes Gegengeschäft dahinter? Ob diese Vermutung stimmt oder nicht, die Schlagzeile liess einen Teil des Stimmvolkes an der Seriosität des Gripen-Deals zweifeln.
Ungereimtheiten entstanden auch bei der Beschaffung von neuen Mörsern und dafür geeigneten Fahrzeugen für die Armee. Der Auftrag für insgesamt 404 Millionen Franken ging 2016 an die Mowag für die Fahrzeuge und an die Ruag für die Mörser.
Dabei hätte der Mörser der Ruag gar nicht die Voraussetzungen der Schweizer Armee erfüllt, wie «der Beobachter» schreibt. Vielmehr wurden diese später so angepasst, dass der Auftrag nur noch an die Ruag gehen konnte.
Weiter wurden damals weder der Mörser noch die Fahrzeuge getestet. Vielmehr hiess es, dass das System «nach Aussagen des Herstellers» die Anforderungen erfüllen würde. Konkret wusste dies aber in der Arme zum Zeitpunkt des Kaufs niemand mit absoluter Sicherheit.
Nicht nur die Flugzeuge, auch die Flugabwehr bereitet der Schweizer Armee Kopfzerbrechen. Eigentlich war für 2020 bereits ein neues System geplant: Bodluv. Auch dieses ist aber schliesslich an «Indiskretionen» gescheitert, wie ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle festhielt.
Das Projekt war 2016 sistiert worden, weil in den Medien Berichte kursierten, die das System als zu unzuverlässig und um ein Vielfaches teurer als veranschlagt einschätzten. Die Wunden aus der Gripen-Affäre waren dem neuen Verteidigungsminister Guy Parmelin noch zu frisch und er kippte das Projekt kurzerhand.
Der Bericht der Finanzkontrolle entlastete das System und Bundesrat Parmelin schliesslich. Das Rüstungsprojekt hätte den Weisungen entsprochen und sei keinesfalls unbrauchbar gewesen. Das Vertrauen in die eigene Beschaffungspolitik muss im Militär aber derart tief sein, dass Parmelin nur noch die Reissleine ziehen konnte.
2015 beantragte das VBS beim Parlament einen Kredit von 250 Millionen Franken für ein Drohnenaufklärungssystem. Dem Parlament wurde dafür das Standardmodel Hermes 900 der israelischen Firma Elbit Systems vorgelegt. Sechs dieser Drohnen wollte das VBS kaufen.
Nach dem Parlamentsentscheid wurde der Auftrag aber noch einmal geändert. Anstatt der herkömmlichen Hermes wurde eine dieselbetriebene Version bestellt. Dadurch änderte sich nicht nur das Aussehen, sondern auch die komplette Technik der Drohne, schrieb «der Beobachter» in seinem Bericht.
Das Parlament wurde nicht über diese Anpassungen informiert und erhielt eine Drohne, die es streng genommen nicht bewilligt hat. Nicht einmal die Sicherheitspolitische Kommission wusste laut dem Magazin Bescheid über die Änderungen.
Weil die Drohne nun noch weitere technische Mängel aufwies, wurde die ganze Beschaffung um 15 Millionen Franken teurer als veranschlagt. Die Drohnen befinden sich zur Zeit noch in einer Testphase, sie sollen 2021 in Betrieb genommen werden.
Pannen in der Beschaffung von Kriegsmaterial beschränken sich in der Schweiz aber keinesfalls auf die letzten zwei Jahrzehnte. In den 80er-Jahren wollte der Bundesrat für 4.5 Milliarden Franken 420 Leopard-Panzer aus Deutschland anschaffen. Eine Gruppe rund um den verstorbenen Uhrenunternehmer Nicolas Hayek deckte bei der Abrechnung Ungereimtheiten auf.
So sollte die Schweiz für einige Schrauben bis zu 32 Franken pro Stück bezahlen. Andere Teile waren plötzlich zehn Mal teurer als wenige Jahre zuvor. Kurzum: Die Schweiz wurde über den Tisch gezogen. Schliesslich bestellte die Schweiz nur 380 Panzer für 3,4 Milliarden Franken.
Ob Inkompetenz oder Vetterli-Wirtschaft zur völlig überrissenen Rechnung geführt haben, ist bis heute nicht endgültig geklärt. Der bürgerliche Hayek sprach aber bereits damals von einem «Filz» in der Rüstungsbeschaffung.