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Wirtschaft

SNB: Hintergrund zum Zins-Entscheid

epa12403773 The facade of the Swiss National Bank (SNB) in Zurich, Switzerland, 25 September 2025. The SNB is leaving the policy rate unchanged at zero percent, noting the bank will continue to monito ...
Die Schweizerische Nationalbank SNB belässt den Leitzins bei 0 Prozent.Bild: keystone
Analyse

Zins-Entscheid der Nationalbank: Das passt nicht zur Ruhe

Die Schweiz hat keine Rezession und dennoch so tiefe Zinsen wie früher nur in Rezessionen. Warum ist das so? Und was passiert mit den Zinsen, wenn die Schweiz tatsächlich in eine Rezession fällt?
25.09.2025, 12:5625.09.2025, 12:56
Niklaus Vontobel / ch media

Die Schweizerische Nationalbank hat nicht überrascht. Ihr Präsident Martin Schlegel hat den Leitzins bei 0 Prozent belassen. Er hatte keinen Grund, tiefer zu gehen. Die Inflation ist zwar schwach, aber nicht noch schwächer als beim letzten Entscheid. Die Wirtschaft wächst langsam, aber nicht wesentlich langsamer als damals – trotz der 39-Prozent-Zölle von US-Präsident Donald Trump. Es scheint alles ruhig zu sein.

Doch da ist dieser Leitzins der Nationalbank (SNB). Genau 0 Prozent beträgt er. Es ist der weltweit niedrigste Leitzins. 0 Prozent hat sonst niemand. Das passt nicht zu dieser Ruhe.

Das passt eigentlich nur zu einer handfesten Krise. Die Schweiz hatte früher nicht annähernd so tiefe Leitzinsen in ruhigen Zeiten. Vor der globalen Finanzkrise von 2008 und der späteren Eurokrise hatte sie auch in Rezessionen nie so niedrige Leitzinsen.

Und es sind nicht nur die Leitzinsen. Die Zinsen auf zweijährige Staatsanleihen sind schon seit dem Frühling negativ, jene auf fünfjährige sind es seit Mitte September. Die Zinsen auf zehnjährige Staatsanleihen fallen und fallen, auf zuletzt lediglich noch um die 0,2 Prozent. Krisenzinsen in ruhigen Zeiten.

Wie ist die Schweiz in diese Situation geraten?

Antworten finden sich in einer neuen Studie von SNB-Ökonomen. Ihre tieferen Zinsen lassen sich demnach auf drei globale Trends zurückführen. Zusammen haben sie hervorgebracht, was der frühere Chef der US-Notenbank Fed Ben Bernanke eine «Sparschwemme» nannte. Ein Überangebot an Ersparnissen, welches deren Preis gesenkt hat: die Zinsen.

Erstens bringt die Weltwirtschaft weniger Wachstum zustande als früher. Darum gibt es weniger Projekte, in die es sich zu investieren lohnen würde. Und weil es davon weniger hat, sind Ersparnisse weniger gefragt. Zweitens haben demographische Trends das Angebot an Ersparnissen erhöht: Mehr Menschen leben länger und sparen mehr für die Rente.

Drittens ist den Investoren heute Sicherheit noch wichtiger als früher, und sie drängen mit ihren Ersparnissen stärker in sichere Häfen hinein – wie die Schweiz einer ist. Die globale Sparschwemme bewegt darum die Schweiz besonders. Ihre Zinsen sind im internationalen Vergleich sehr tief. Tiefzinsinsel Schweiz.

Swiss National Bank's (SNB) Chairman of the Governing Board Martin Schlegel speaks during a media briefing at the Swiss National Bank in Zurich, Switzerland, on Thursday, September 25, 2025. (KEY ...
Nicht mehr viel Spielraum? Martin Schlegel, Präsident der Schweizerischen Nationalbank.Bild: keystone

Die nächste Frage ist: Wenn die Schweiz in ruhigen Zeiten so tiefe Leitzinsen hat, was hat sie dann in der nächsten Rezession für Leitzinsen?

Wahrscheinlich negative, wäre eine Antwort, die sich der Studie entnehmen lässt. Eine andere Antwort wäre: Vielleicht negative Leitzinsen, die noch immer nicht negativ genug sind, um der Wirtschaft genügend zu helfen.

Denn die Sparschwemme hat offenbar in der Schweiz auch den sogenannten realen Gleichgewichtszins nach unten gedrückt. Wie es in der Studie heisst, lag er Mitte der 1980er-Jahre noch bei 2 Prozent, während es heute 0 Prozent sind. In der Welt der Zinsen ist das eine gewaltige Verschiebung.

Die Folge davon: In einer Rezession müsste die Nationalbank ihren nominalen Leitzins so setzen, dass nach Abzug der Inflation der reale Leitzins unter der Nulllinie zu liegen kommt – also unter dem realen Gleichgewichtszins. Nur so kann sie der Wirtschaft helfen. Liegt der reale SNB-Leitzins auf der Nulllinie, würde die Notenbank die Wirtschaft weder schwächen noch stärken. Der Leitzins wirkt dann neutral. Liegt der reale Leitzins über der Nulllinie, bremst die SNB die Wirtschaft.

In einer Rezession müsste die SNB also ihren nominalen Leitzins so setzen, dass nach Abzug der Inflation der reale Leitindex unter die Nulllinie zu liegen kommt. Das wird nicht leicht. Viel Inflation gibt es schon heute nicht mehr, die man vom nominalen Leitzins abziehen könnte, damit der reale Leitzins unter der Nulllinie zu liegen kommt. In einer Rezession würde es gar keine mehr geben. Oder gar eine negative Inflation.

Die SNB müsste also wieder einen negativen nominalen Leitzins einführen. Anders bekommt sie ihren realen Leitzins nicht unter die Nulllinie. Der ungeliebte Negativzins wäre zurück. Das wäre schlimm genug. Aber es wäre nicht das einzige Problem. Und vielleicht nicht einmal das grösste.

Irgendwann haben die Sparer genug

Die SNB könnte Mühe haben, ihren realen Leitzins so tief zu senken, dass er die Wirtschaft ausreichend stützt. Bei einer negativen Inflation müsste sie ihren nominalen Leitzins weit unter die Nulllinie drücken, um auch real, also inflationsbereinigt, genügend weit unter die Nulllinie zu kommen. Weit genug, damit die Sparer mehr von ihrem Geld für Konsum ausgeben oder investieren und so die Wirtschaft gestützt wird.

Was ist der Leitzins? – watson Essentials

Video: watson/david indumi

Irgendwann würden das die Sparer nicht mehr mitmachen. Der Negativzins würde ihnen endgültig zu hoch. Statt ihr Geld bei der Bank zu lassen, wo es mit dem Negativzins belastet wird, horten sie es in Schliessfächern, unter Matratzen, im Keller. Der Negativzins würde ab diesem Punkt seine Wirkung verlieren. Wo diese Untergrenze genau liegt, ist nicht bekannt. Aber es ist klar: Mit einem tiefen Gleichgewichtszins ist die Gefahr grösser, dass die SNB bei dieser Untergrenze aufläuft.

Dann hätte sie noch immer die Möglichkeit, den Franken zu schwächen und damit die Inflation zu stärken. Aber ob sie ihre gigantische Bilanz wirklich mit weiteren Aufkäufen von ausländischen Währungen weiter aufblähen will, ist eine andere Frage. Sie hat heute schon Mühe das Geld sinnvoll anzulegen. Laut der «Financial Times» ist sie heute schon bei den amerikanischen Tech-Konzerne wie Meta, Apple, Microsoft oder Amazon eine der weltweit grössten Investorinnen.

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