Wladimir Putin zwingt die Welt zum Handeln. Die Grossmacht-Gelüste des russischen Präsidenten lassen überall die Militärausgaben steigen. In Europa haben unter anderem Italien, Norwegen und Deutschland entschieden, künftig mehr für ihre Verteidigung auszugeben. Die USA und China, ohnehin die Länder mit den grössten Militärausgaben, wollen nochmals mehr Ressourcen ins Militär fliessen lassen.
Auch in der Schweiz haben sie Aufwind, die Promotoren von Aufrüstung und höherer Militärbudgets. Mehr Geld für Verteidigung heisst weniger Geld für alles andere, wie Schulen oder Strassen. Ist das Mehr an Militärausgaben also schädlich für Wohlstand und Wirtschaftswachstum?
Die Debatte ist alt, manches Schlagwort dazu wurde gar von Kriegsverbrecher geprägt. Im Deutschland der 1930er-Jahren rief der Rudolf Hess zum Verzicht auf zugunsten der Armee. «Kanonen statt Butter» wollte er haben, der «Stellvertreter des Führers». Der Propaganda-Minister Joseph Goebbels behauptete, Waffen würden Deutschland mächtig machen, Butter hingegen nur fett. In den USA ging ein ähnlicher Ausspruch in die öffentliche Diskussion ein und später in die Lehrbücher von Ökonomen: «Waffen versus Butter». Und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auf eine «Friedensdividende» gehofft.
Diese Dividende kam schliesslich erst nach dem Ende des Kalten Krieges zustande, als atomar und militärisch abgerüstet werden konnte. Die unzähligen Milliarden, die Staaten bisher in ihre Armeen gesteckt hatten, flossen neu in Sozialprogramme, Infrastruktur oder Bildung. Die deutsche «Kreditanstalt für Wiederaufbau» hat berechnet, dass sich die Friedensdividende für alle EU-Länder ab 1957 pro Jahr auf 516 Milliarden Euro belief - Geld, das zuvor in die Rüstung geflossen wäre. Doch Russlands Angriff auf die Ukraine macht diese Dividende nun zunichte.
Im Schweizer Parlament sind mehrere Vorstösse hängig, um das Budget der Armee aufzustocken. SVP-Ständerat Werner Salzmann will die Truppenstärke auf 140'000 erhöhen und das Budget auf sieben Milliarden Franken. Der Bundesrat empfiehlt den Vorstoss zwar zur Ablehnung, lässt aber durchblicken, dass ein Armeebudget von sieben Milliarden nicht grundsätzlich vom Tisch sei. Eine Erhöhung müsse «schrittweise erfolgen» und erst, nachdem man den aktuellen Bestand durch Vermeidung der aktuell «hohen vorzeitigen Abgänge aus der Armee» reduziert habe.
Der Westen sei «verweichlicht» und habe sich zu lange mit Gendersternen oder Vaterschaftsurlaub beschäftigt, behaupten Aufrüstungs-Befürworter. So sagte zum Beispiel der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft dem SVP-nahen Magazin «Weltwoche»:
Ihre Friedensdividende investierte die Schweiz in die Infrastruktur, wie etwa den Bau von Strassen, in die Bildung oder in den Ausbau der Sozialwerke. Dabei wurde volkswirtschaftlich gesehen nicht jeder Franken gleich sinnvoll investiert, wie der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann betont. Aber letztlich habe das damals auch keine Rolle gespielt.
Mit Russlands Aggression gehen nicht nur die Militärausgaben wieder hoch - auch die Inflation wird zusätzlich befeuert. Die Inflation war schon zuvor zurückgekehrt. Stockende Lieferketten trieben die Preise in die Höhe. Ebenso die Konsumenten und Konsumentinnen, die noch nicht in Hotels und Restaurants zurück wollten und lieber aus der Ferne elektronische Gadgets zu sich kommen liessen.
Dann kam der Krieg obendrauf: Gas und Erdöl, Stahl oder Getreide wurden noch teurer. Unter den Industriestaaten haben nun 60 Prozent aller Länder eine Inflationsrate von über 5 Prozent, wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich festgestellt hat. Wirtschaftshistoriker Straumann sagt, die Friedensdividende werde nicht nur von steigenden Militärbudgets geschmälert, sondern auch durch diese indirekten Folgen des russischen Überfalls. Je länger dieser Krieg dauere, desto stärker dürften dessen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft werden.
Butter versus Waffen: Wird das Wirtschaftswachstum künftig geringer sein, weil mehr ins Militär investiert wird, weniger in Schulen oder Strassen? Diesen Zusammenhang haben Studien nicht wirklich nachweisen können. Gemäss dem Magazin «The Economist» zeigt sich unter Industriestaaten überraschenderweise nicht, dass mit steigenden Militärausgaben das Wirtschaftswachstum zurückgehen würde. Israel hat gemessen an seiner Wirtschaft den höchsten Militäretat - 6 Prozent des Bruttoinlandprodukts - doch zugleich auch eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaften. Japan gibt wenig aus fürs Militär, die Wirtschaft wächst schwach.
Unter ärmeren Ländern zeigt sich der Zusammenhang eher, wenn auch nur schwach. Ein Grund könnten lascheren Regeln und Kontrollen sein. Grosse Militärbudgets sind eine Einladung für korrupte Eliten, Gelder in eigene Taschen abzuzweigen - etwa indem sie sich Aufträge zuschanzen und schlechtes Material liefern. Auch hätten in ärmeren Ländern höhere Investitionen in Bildung und Infrastruktur mehr Wirkung, weil noch viel zu wenig Geld vorhanden ist. Höhere Ausgaben fürs Militär bringen darum höhere Verluste an Wirtschaftswachstum.
In reichen Ländern können Militärausgaben wie eine versteckte Industriepolitik wirken: Es fliesst Geld in Grundlagenforschung oder in neue Technologien, das vielleicht sonst von der Politik nicht bewilligt worden wäre. Solche staatlichen Investitionen können private Investitionen nach sich ziehen.
Wohlstand könne im Krieg nicht entstehen, sagt Historiker Straumann und verweist auf die zahlreichen Beispiele an Konfliktstaaten wie etwa Afghanistan oder Jemen.
Wenn es also zum Erhalt dieses Friedens mehr Waffen braucht, bleibt keine andere Wahl, als dafür das nötige Geld auszugeben. Das mag dann einen Wachstumsverlust bringen, doch ohne eine ausreichend starke Verteidigung wären die Verluste noch viel grösser. (aargauerzeitung.ch)
Dennoch steht am Ende weniger Geld zum Leben zur Verfügung. Die Aufrüstung macht uns ärmer, wenn sie nicht staatsquotenneutral erfolgt.
Dasselbe gilt für andere staatliche Ausgaben. Man erkauft sich eben eine bestimmte Dienstleistung.
Was wir uns mit unseren Steuern kaufen wollen, müssen wir demokratisch diskutieren. Nichts davon ist gratis.
Mir macht Sorgen, dass wir nun massenhaft Geld in Aufrüstungs stecken und dabei vergessen geht, dass wir uns auch um das Verhindern der Klima-Katastrophe kümmern müssen. Und zwar jetzt.