Morgen ab 10.30 Uhr kommt's in der Generalversammlung der Grossbank Credit Suisse (CS) zum Showdown. Im Zürcher Hallenstadion wird Verwaltungsratspräsident Urs Rohner (58) jede Menge Kritik von verärgerten Aktionären schlucken müssen.
Den Unmut hat er sich erarbeitet: Rohner ist zwar ebenso ehrgeizig wie ausdauernd. Der einstige Schweizer Meister im Hürdenlauf geriet zuletzt ins Stolpern. Sein Image ist angeschlagen. Ihm fehle das «Gschpüri» für das gesellschaftspolitische Umfeld, wird moniert. Weil er trotz Milliardenverlusten die Boni erhöhen liess, fordert der Aktionärsschützer Vincent Kaufmann von der Anlagestiftung Ethos nun seine Abwahl.
Rückblick: Im Frühjahr 2004 übernahm der Anwalt die Funktion des Chefjuristen bei der CS. Ihn dem TV-Sender ProSiebenSat1 abzuwerben, galt als cleverer Schachzug. Der Medienrechts- und Kapitalmarktexperte sei ein «Triple-A»-Mann, «blitzgescheit», verfüge «über grosse internationale Erfahrung» und sei ein «hervorragender Prozessanwalt», lobten Experten.
2009 wechselte Rohner von der Konzernleitung in den Verwaltungsrat. Als er im April 2011 vom Vize- zum Präsidenten aufstieg, sagte er, die Grossbank befinde sich «in einer hervorragenden Ausgangslage». Sie verfüge über eine «starke Strategie» und ein «zukunftsgerichtetes Geschäftsmodell». Die Aktie kostete 37 Franken.
Seinem CEO liess der von Rohner geführte Verwaltungsrat mehr oder weniger freie Bahn. Der Investmentbanker Brady Dougan hatte die CS vergleichsweise gut durch die globale Finanzkrise gesteuert. Danach verpasste er es aber, dieses Geschäft mit dem Wertschriftenhandel sowie der Beratung und Finanzierung von Fusionen und Übernahmen konsequent zurückzufahren.
Im Frühjahr 2015 gab Rohner bekannt, dass er den Versicherungsmanager Tidjane Thiam zum neuen CS-Chef auserkoren habe. Die CS-Aktie legte um acht Prozent auf Fr. 24.35 zu. Der Ivorer erhielt Aktien im Wert von 14,3 Millionen Franken als Entschädigung für gesperrte Boni-Anteile, die wegen seines Stellenwechsels bei seinem Arbeitgeber Prudential verfielen.
Mit dem Amtsantritt von Thiam vollzog Rohner eine schnelle Pirouette: Das von ihm einst gelobte Geschäftsmodell war im Oktober 2015 nur noch eine Altlast, die es rasch zu entsorgen galt. Das Investmentbanking wollten Rohner und Thiam nun redimensionieren. Die CS sollte wie die UBS ein führender Vermögensverwalter sein.
Insbesondere in Asien und dort im pazifischen Raum orteten die CS-Chefs Wachstumspotenzial. Das zuvor stets knappe Aktienkapital erhöhten sie um 6 Milliarden Franken. Obendrein war geplant, einen Teil des Schweizer Geschäfts bis Ende 2017 an die Börse zu bringen. Die Erträge des Beteiligungsverkaufs von zwei bis vier Milliarden sollten zur weiteren Stärkung des Eigenkapitals eingesetzt werden.
Thiam machte sich daran, die Kosten bis 2018 um Milliarden runterzufahren und Altlasten aus der Finanzkrise rabiat auszumisten. Das führte 2015 und 2016 zu Verlusten von 2,9 respektive 2,7 Milliarden Franken. Der Aktienkurs sackte im letzten Juli kurzzeitig unter die 10- Franken-Grenze. Teure Fehler also, die wie der kostspielige Steuerstreit mit den USA weitgehend in den Nullerjahren gemacht worden sind.
Also dann, als auch Rohner Mitglied der Geschäftsleitung (GL) war und Saläre in Millionenhöhe kassierte. 34 Millionen Franken bezog er als VR-Vize und -Präsident. Immerhin verzichtete er ab 2014 wegen der schlechten Resultate freiwillig auf die Auszahlung von 2,25 Millionen Franken. Für 2016 schliesslich erhielt auch er 0,75 Millionen mehr als im Vorjahr. Er liess sich sein halbes Vorsitzhonorar in Form von Aktien zuteilen.
Gleichzeitig erhöhte der Verwaltungsrat die Vergütung der GL um 16 auf 82 Millionen Franken. Thiam bekam 11,9 Millionen Franken zugesprochen. Der CS-Chef sagte dazu, die Zeche für die Aufräumarbeiten dürfe nicht dem aktuellen Management belastet werden.
Nun ist zwar richtig, dass Thiam und seine GL viel bewegt haben. Doch angesichts der Milliardenverluste wirkte es für Aussenstehende weltfremd, dass der Verwaltungsrat seinen Top-Managern einen solchen Lohnsprung bewilligt und die gesamte Boni-Summe von 2,9 auf 3,1 Milliarden erhöht hat. Zum Vergleich: Bei der ebenfalls mit verlustreichen Altlasten kämpfenden Deutschen Bank lehnte der 2015 angetretene Aufräumer John Cryan Boni ab – wie alle GL-Mitglieder.
Rohner hingegen hat wohl nicht gespürt, dass hohe Boni bei hohen Verlusten nicht mehr goutiert werden. Der freisinnige Bundesrat Johann Schneider-Ammann sagte, dies sei «eine Rücksichtslosigkeit, die sich rächen wird». Stimmrechtsvertreter wie ISS und Glass Lewis empfahlen die Ablehnung des Vergütungsberichts. Ethos gar zusätzlich die Abwahl Rohners.
Der Jurist liess sich dann noch von seiner Geschäftsleitung überrumpeln, die vor dem Osterwochenende überraschend auf einen Teil der Boni verzichtete. Umstimmen liessen sich deswegen aber nur wenige Kritiker. «Zu spät und zu wenig», polterte Glass Lewis. Mittlerweile räumte selbst Rohner gegenüber der Wirtschaftszeitung «Financial Times» ein, die Sensibilität des Themas unterschätzt zu haben. Dass ihm dies passiert ist, hat seinen Ruf als zögerlicher Zauderer gefestigt. Das ist für ihn selbst dann eine Niederlage, wenn die Generalversammlung die Vergütungsanträge durchwinkt.