Sollen Schweizer Waffenfirmen gepanzerte Fahrzeuge in die Türkei liefern dürfen? Nein, findet die Organisation Campax und hat deshalb am Dienstag eine Petition gegen die Lockerung der Exportgesetzgebung für Kriegsmaterial eingereicht. «Aus humanitärer Sicht ist die einzig akzeptable Veränderung der heutigen Exportpraxis keine Lockerung, sondern eine Verschärfung», schreibt Campax in einer Mitteilung.
Doch auch die Schweizer Rüstungsfirmen sind nicht untätig. Diese gelangten im letzten Herbst mit einem Begehren an den Bundesrat, um die Kriegsmaterialverordnung (KMV) zu lockern. Konkret geht es darum, dass auch Länder, die in interne Konflikte verwickelt sind, beliefert werden dürfen.
Wir beantworten dir die wichtigsten Fragen zum Streit um Kriegsmaterial-Exporte:
Grundsätzlich dürfen überall hin Waffen geliefert werden. In der KMV sind jedoch einige allgemein formulierte Bestimmungen aufgeführt, die diese Bandbreite einschränken. Unter anderem darf das Bestimmungsland nicht in einen internen oder internationalen, bewaffneten Konflikt verwickelt sein.
Weiter muss das Land die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention achten. Wenn das Risiko, dass das Land die Waffen gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzt, gross ist, kann eine Ausfuhr ebenfalls verweigert werden. Als letztes muss die Möglichkeit abgeschätzt werden, ob das Bestimmungsland die Güter an unerwünschte Drittempfängerstaaten weiterleiten könnte.
Die Schweizer Rüstungsfirmen bekundeten im Herbst ihren Unmut besonders über die Klausel, dass das Land nicht in interne Konflikte verwickelt sein dürfe. Dies sei zu allumfassend formuliert. Ohne diese Klausel wäre wohl ein Verkauf von gepanzerten Autos in die Türkei möglich. Die Petition von Campax will dies verhindern.
Im letzten Jahr exportierten Schweizer Firmen Kriegsmaterial im Wert von 447 Millionen Franken ins Ausland. In den letzten fünf Jahren bewegten sich diese Exporte mehr oder weniger stabil auf diesem Niveau.
Am meisten Umsatz machten sie dabei mit «Feuerleiteinrichtungen» (176 Millionen CHF) und Munition (136 Millionen CHF). Ersteres bezieht sich auf Fahrzeuge wie Panzer.
Im ersten Quartal 2018 exportierte die Schweiz Waffen und Waffenteile im Wert von 79 Millionen Franken. Das sind rund 18 Prozent weniger wie im gleichen Zeitraum 2017.
Allgemein bewegten sich die jährlichen Kriegswaffenexporte seit 1983 zum Grossteil zwischen 350 und 450 Millionen CHF. Einen zwischenzeitlichen Einbruch gab es 1995 (141 Millionen CHF). Rekordjahr war 2011, damals exportierte die Schweiz Waffenprodukte im Wert von 873 Millionen Franken.
Seit 1983 hat der Waffenexport für die Schweiz jedoch immer mehr an Bedeutung verloren. Bis Ende der 80er betrug der Anteil der Kriegsmaterialexporte am Gesamtexportvolumen der Schweiz noch 0,86 Prozent. 2017 waren es nur noch 0,15 Prozent.
In den letzten 10 Jahren gab es nur eine grössere Änderung im KMV. Sie wurde 2008 eingeführt und 2014 wieder abgeschafft. Seit 2008 galt, dass Auslandgeschäfte mit Kriegsmaterial verboten sind, wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist oder wenn dort die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden.
Weiter durften mit der neuen damaligen Regelung keine Staaten beliefert werden, die laut der OECD-Liste zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehören. Die entsprechenden Absätze wurden der KMV beigefügt.
Die Verschärfung des Gesetzes versprach der Bundesrat im Zuge des Abstimmungskampfes zur GSoA-Initiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten». Damals erklärte der Bundesrat, man werde am restriktiven Kurs festhalten. Die Vorlage scheiterte 2009 an der Urne.
Am 7. März 2014 beschloss der Nationalrat in einem äusserst knappen Entscheid, dass diese Änderungen wieder Rückgängig gemacht werden. Nun durften auch wieder Rüstungsgüter in Länder exportiert werden, die systematisch Menschenrechte verletzen.
Voraussetzung ist allerdings, dass die gelieferten Güter nicht für diese Menschenrechtsverletzungen gedacht sind. Sprich: Die gelieferten Waffen aus der Schweiz dürfen nicht für Menschenrechtsverletzungen gebraucht werden. Der Artikel zu den Entwicklungsländern wurde hingegen restlos gestrichen.
Hauptimporteur von Schweizer Waffenprodukten sind Deutschland (118 Millionen CHF), Thailand (88 Millionen CHF) und Brasilien (33 Millionen CHF). Deutschland kaufte besonders viel Munition aus der Schweiz, Thailand dafür ausschliesslich Panzer.
In der Vergangenheit hatten besonders die linken Parteien gefordert, dass die Waffenexporte in den Nahen Osten, in die USA oder nach Russland eingestellt werden, da diese Staaten an internationalen oder internen Auseinandersetzungen beteiligt seien.
Tatsächlich hat die USA seit dem Beginn der Intervention in Afghanistan und im Irak 2001 bis zur Änderung des Schweizer Exportgesetzes 2008 für 271 Millionen Franken Schweizer Rüstungsgüter eingekauft.
Pakistan erhielt alleine in den Jahren 2007 und 2008 Rüstungsgüter im Wert von fast 150 Millionen Schweizer Franken aus der Schweiz. Auch Saudi-Arabien erhielt während der Intervention im Jemen in den Jahren 2015 und 2016 aus der Schweiz Rüstungsgüter im Wert von 18 Millionen Franken.
Das Schweizer Kriegsmaterialgesetz ist auf ein doppeltes Bewilligungsverfahren ausgelegt. Für die blosse Herstellung und den Handel mit Kriegsmaterial braucht es eine Grundbewilligung. Für die Ausfuhr brauchen die Produzenten und Händler eine zusätzliche Einzelbewilligung für jeden Auftrag.
Der endgültige Entscheid, ob Schweizer Rüstungsfirmen Einzelbewilligungen für den Export erhalten, liegt beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). 2017 wurden 2677 neue Ausfuhrgesuche gestellt. Davon wurden 16 abgelehnt.
Letztes Jahr erkundigten sich die Exporteure laut einem Dossier des Seco in 65 Fällen, ob ein Export möglich wäre. 48 dieser Anfragen wurden ablehnend beantwortet. Diese betrafen Länder aus fast allen Kontinenten. Unter anderem galt die Sorge, dass die betroffenen Länder die Waffen gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzen oder dass die Ausfuhrländer die Waffen an unbefugte Dritte weitergeben könnten.
Am Samstag verkündeten die Jungen Grünen und die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), dass sie die Unterschriften für die Initiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» beisammen haben.
Die Initiative verlangt, dass Nationalbank, Stiftungen und Pensionskassen nicht mehr in Kriegsmaterialproduzenten investieren dürfen.
Maximale Aufmerksamkeit wurde der Initiative bereits beim Sammelstart vor einem Jahr zuteil: In einer medienwirksamen Aktion sprayte die 86-jährige Louise damals die Botschaft «Geld für Waffen tötet» auf eine Bauwand vor der Nationalbank in Bern.