Herr Volken, der Pegel von Flüssen und Seen steigt und es regnet weiter. Wohin blicken Sie aktuell mit grösster Sorge?
David Volken: Die Lage ist an vielen Orten sehr angespannt und es sind in der Nacht auf Freitag und tagsüber weitere Schauer zu erwarten. Der Pegel des Bielersees steigt aktuell ziemlich stark an. Auch die Pegelstände der Aare und des Thunersees sind in einem kritischen Bereich.
In Luzern schliesst man derzeit nicht aus, dass der Hochwasserrekord von 2005 geknackt wird. Rechnen auch Sie mit Rekordwerten?
Die Gefahr ist sicherlich noch nicht gebannt. Wir sind rund um die Uhr im Einsatz und mit den Behörden vor Ort in Kontakt. Wir kommen sicherlich in einen sehr kritischen Bereich, aber ich gehe davon aus, dass am Vierwaldstättersee nicht ganz mit den Werten von 2005 zu rechnen ist.
Wie gross sind die Schäden, die die Wassermassen zurücklassen?
Noch ist es schwierig, die Schäden zu beziffern. 2005 beliefen sich die Schäden auf drei Milliarden Franken. So hoch wird es dieses Mal aber nicht sein, weil der Bund und die Kantone seither enorm viel in Schutz- und Interventionsmassnahmen, Überwachung und Warnsysteme investiert hat.
Welche Schutz- und Interventionsmassnahmen helfen aktuell am meisten?
Alle haben ihre Wichtigkeit. Das sind zum Beispiel bauliche Massnahmen, wie der Entlastungsstollen am Thunersee oder die A2 im Kanton Uri, die stellenweise als Abflusskorridor bei grossen Unwettern fungiert. Und auch in Lyss bewahrte der Hochwasserstollen die Ortschaft vor Schäden in Millionenhöhe. Ebenfalls helfen direkte Massnahmen vor Ort viel. Beispielsweise die Schutzschläuche, die von der lokalen Feuerwehr im Berner Matte-Quartier oder in Luzern zum Schutz angebracht wurden. Und zu guter Letzt hat der Bund auch sehr viel in die Vorhersagen und Warnungen investiert.
Das heisst, Sie sind aktuell rund um die Uhr im Einsatz?
Auch das gehört dazu ja, aktuell liegen nicht mehr als drei bis vier Stunden Schlaf drin.
Wenn es weiter regnet, kommen dann irgendwann auch die Entlastungsstollen, Schutzschläuche und Feuerwehr an ihre Grenzen?
Der Hochwasserschutz ist sicherlich besser als noch 2005. Aber es kann immer sein, dass auch diese Massnahmen versagen. Wenn die Aare mehr als 600 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führt, dann helfen auch die Schläuche irgendwann nicht mehr. Dann können wir nur hoffen, dass die Natur es gnädig mit uns meint.
Wird man im Nachgang dieser Hochwasser erneut über zusätzliche Massnahmen diskutieren müssen?
Davon ist auszugehen. An einigen Orten müssen wir womöglich nachjustieren und wo es zu grossen Schäden kommt, muss man schauen, wie man es in Zukunft besser machen kann.
Ab Samstag versprechen die Wettervorhersagen Besserung und ein Ende des Regens. Wie lange geht es, bis die Gefahren ganz gebannt sind?
Die Fliessgewässer werden sich schneller erholen, wenn es aufhört zu regnen. Bei den Seen erwarten wir den Peak erst am Wochenende. Und auch wenn das Wetter in der kommenden Woche trocken bleibt, braucht es drei bis vier Wochen, bis sich der Pegelstand der Gewässer wieder ganz normalisiert.
Das heisst, auch wenn in der folgenden Woche sommerliche Temperaturen herrschen, liegt ein Schwumm im Fluss nicht drin?
Auf keinen Fall. Die Behörden vor Ort raten dringend davon ab, weil die Strömungen auch nächste Woche noch viel zu stark sein werden.
So geht Krisenmanagement, denn es ist keine Parodie, wie es auch bei anderen Geschehnissen nicht ist.