Ein Gips am Bein, ein Rollstuhl oder ein Blindenstock machen sofort klar: Die betroffene Person hat eine Behinderung. Doch nicht alle Behinderungen sind derart sichtbar. Für diese setzen sich international zunehmend die Sunflower Lanyards durch – grüne Schlüsselbänder mit Sonnenblumen-Symbolen. 2015 wurden sie erstmals am Flughafen London-Gatwick eingesetzt.
Die Sonnenblumenbändel dienen als Erkennungszeichen für Menschen mit unsichtbaren Behinderungen, die nicht von blossem Auge erkennbar sind und sich nicht auf eine bestimmte Diagnose oder Krankheit beschränken. Dazu zählen Parkinson, ADHS, Autismus, kognitive Beeinträchtigungen wie Lernschwierigkeiten, Legasthenie und Demenz, psychische Erkrankungen, Angststörungen sowie Sprach- und Sehbehinderungen oder Gehörverlust, Atemwegserkrankungen, chronische Leiden wie Asthma, Diabetes oder chronische Schmerzen.
Die Bändel geben den Personen in der unmittelbaren Umgebung das diskrete Zeichen, dass der Tragende oder die Tragende möglicherweise etwas mehr Rücksicht, Unterstützung oder mehr Zeit benötigt. Insbesondere für neurodivergente Menschen gilt das Sonnenblumen-Symbol als hilfreich. Als «neurodivergent» werden Menschen bezeichnet, deren Gehirnfunktionen anders funktionieren als jene des gesellschaftlichen Durchschnitts. Unter den Begriff fallen unter anderem Autismus, ADHS oder Dyslexie.
An Flughäfen im Ausland wie Berlin, Stockholm oder Singapur kommt das Sonnenblumen-Umhängeband inzwischen zur Anwendung und das Flughafenpersonal wird für die Bedeutung des Symbols entsprechend sensibilisiert. Auch am Flughafen Genf.
Und schon bald könnte auch der Flughafen Zürich die Sonnenblume einsetzen: «Wir sind an der Prüfung des Sunflower Lanyard und der entsprechenden Rahmenbedingungen», sagt Sprecherin Andrea Bärwalde. Damit würde der grösste Schweizer Flughafen seine Politik ändern. Denn noch vor einem Jahr war eine Einführung kein Thema, wie eine Sprecherin auf Anfrage von CH Media sagte.
Seither ist es laut Bärwalde zu einem «konstruktiven Austausch» mit der Organisation Autismus Schweiz gekommen. Die SBB zeigen sich dem Thema ebenfalls offen gegenüber: Man sei in Kontakt mit der Firma, die hinter den Sunflower Lanyards stehe, sagt Sprecherin Maya Zenhäusern. Dabei handelt es sich um die britische Organisation Hidden Disabilities Sunflower. Sie wählte die Sonnenblume als Symbol, weil man ein diskretes Zeichen wollte, das für Stärke, Freude und Positives stehe, wie es auf der Website heisst.
Erst kürzlich gab auch das Technorama in Winterthur ZH bekannt, neuerdings auf das Symbol zu setzen. Beim Wissenschaftserlebnis-Center können Interessierte das Schlüsselband kostenlos an der Kasse verlangen oder ein eigenes mitbringen. Auch entsprechende Armbänder, Pins und Kleber sind erhältlich.
Auf seiner Website schreibt das Technorama: «Mit dem Lanyard möchten wir zeigen: Du bist willkommen. Und du darfst dich bei uns sicher und verstanden fühlen.» Das Ausflugsziel listet konkrete Situationen auf, in denen die Sunflower Lanyards hilfreich sein können:
Um den Besuch möglichst stressfrei zu gestalten, bietet das Technorama weitere Hilfsmittel an, wie ein Heft und Checklisten, welche die Betroffenen detailliert auf den Ausflug vorbereiten und sie mit dem Ablauf vor Ort vertraut machen. Zudem können sogenannte Sensory Bags an der Kasse ausgeliehen werden, die Stressspielzeuge beinhalten, sowie Kommunikationskarten. Letztere sind Hilfsmittel für Menschen mit Autismus und helfen bei der nonverbalen Kommunikation, um Gefühle oder Bedürfnisse zu vermitteln.
Es sei kein Nachweis erforderlich, um das Sonnenblumen-Umhängeband zu erhalten, schreibt der Berliner Flughafen, der als erster deutscher Flughafen auf das Sonnenblumen-System setzte. «Das Band wird an allen Flughafeninformationen sowie beim Mobility Service kostenfrei und ohne weitere Fragen oder Nachweise ausgegeben.»
Die Organisation Autismus Schweiz hat laut Sprecherin Leonie Seebohm das Ziel, den Sunflower Lanyard in der Schweiz bekannt zu machen und dauerhaft zu etablieren. «Wir sind diesbezüglich mit mehreren potenziellen Partnern, von Detailhändlern bis hin zu Kulturinstitutionen und ÖV-Anbietern, im intensiven Austausch.» Bei den Partnern soll der Bändel künftig kostenlos bezogen und genutzt werden können.
Laut Seebohm ist das Zeichen effektiv, wenn zum Beispiel Mitarbeitende eines ÖV-Angebots und auch die Mitreisenden die Bedeutung des Lanyards kennen und somit Menschen mit einer unsichtbaren Behinderung bei Bedarf gezielte Unterstützung anbieten können. «Wir wissen von unseren Mitgliedern und aus unserem Netzwerk, dass sich viele Menschen – insbesondere im Autismus-Spektrum – wünschen, dass der Lanyard endlich auch in der Schweiz effektiv genutzt werden kann.»
Wäre toll, wenn der Sunflower Lanyard an vielen öffentlichen Orten eingesetzt wird!