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Exit, die grösste Schweizer Sterbehilfe-Organisation, feierte kürzlich das 100'000. Mitglied. Den Blumenstrauss erhielt die 46-jährige Nina Blatter, wie die «Exit-Info» schreibt.
Ihre Grossmutter wollte sterben, wurde aber trotz Patientenverfügung am Leben erhalten. Sie litt längere Zeit. Ein solches Lebensende will Nina Blatter nicht erleben. Sie war 2004 bei einer Freitodbegleitung dabei, was sie als friedvolles und humanes Lebensende empfunden hat.
Die Zeitschrift porträtiert auch das 100'001. Mitglied, der 72-jährige Rentner Kurt Rohner. Exit hat seinen Schwager, der an Parkinson litt, davor bewahrt, jämmerlich zu ersticken. Als dann seine Mutter im Alter von 98 Jahren einen Suizidversuch unternahm, weil sie die Gebrechen nicht mehr ausgehalten hatte, entschied er sich, Exit beizutreten.
Sterbehilfe-Organisationen haben in der Schweiz auch heute noch weitherum einen schlechten Ruf. Verantwortlich dafür sind vor allem christliche Kirchen und Gemeinschaften. Sie beanspruchen die Deutungshoheit in ethischen und moralischen Fragen und werten den Suizid als schwere Sünde.
Für christliche Fundis ist Exit ein Teufelswerk. Die Gläubigen berufen sich auf den Leitspruch: «Gott hat das Leben gegeben, Gott wird es nehmen.» Man möchte Gott fragen: Und, was passiert zwischendurch?
Wo bist du, wenn ein zweijähriges Kind an Krebs stirbt? Warum greifst du nicht ein, wenn ein Attentäter Unschuldige in den Tod reisst? (Ob der Attentäter seinen Gott Allah nennt, spielt keine grosse Rolle.) Warum lässt du es zu, dass deine frommen Gläubigen auf einer Pilgerreise tödlich verunglücken?
Weiter: Weshalb soll es eine Sünde sein, wenn eines deiner Schäfchen das Leiden nicht mehr aushält und danach trachtet, aus dem Leben zu scheiden? Ist es für dich eine narzisstische Kränkung, wenn er nicht wartet, bis du den Stecker ziehst?
Es wäre wohl schizophren, wenn du das Leben geben und nehmen würdest, es dir aber egal wäre, was dazwischen mit deinen Schützlingen passiert, die du angeblich nach deinem Ebenbild geschaffen hast. Deshalb betrachte ich es als einen Mythos, dass du das Leben geschaffen hast. Und dass Du es – scheinbar nach Gutdünken – nimmst.
Ich glaube vielmehr, dass das Leben uns gehört und wir autonom darüber bestimmen können. Schliesslich sind wir auch verantwortlich dafür, wie wir es leben. Verfassung und Gesetze verlangen es so. Weshalb um Himmels Willen sollen wir nicht auch für das Ende verantwortlich sein?
Um die Verantwortung bezüglich Lebensende seriös wahrnehmen zu können, braucht es Sterbehilfe-Organisationen. Nur sie – sofern sie so verantwortungsbewusst wie Exit handeln – können ein würdiges Ableben sicherstellen. Sonst sind die Leidenden gezwungen, von einer Brücke zu springen, sich eine Kugel in den Kopf zu schiessen oder sich vor einen Zug zu werfen.
Dies kann wohl nicht der Wille eines liebenden Gottes sein. Solche schrecklichen Suizide sind ausserdem eine Qual für die Betroffenen und Hinterbliebenen. Für den Zugführer, für die Personen, die die Toten finden und für die Angehörigen, die sich Vorwürfe machen, den Suizid nicht verhindert zu haben.
Sterbehilfe-Organisationen helfen, dieses unsägliche und unnötige Leid zu verhindern. Das müsste doch auch Gott einleuchten.
Die frommen Gegner von Sterbehilfe-Organisationen argumentieren, dass heute dank der Palliativmedizin niemand mehr leiden müsse. Das stimmt in mehrfacher Hinsicht nicht.
Nicht alle Schmerzen lassen sich niederspritzen. Es sei denn, die Ärzte verabreichen tödliche Dosen. Somit leisten sie auch eine Art Freitodbegleitung, was – zum Glück – täglich in den Krankenhäusern passiert. Ausserdem ist die Palliativmedizin bei seelischen Schmerzen nur bedingt erfolgreich.
Trotzdem ist die Palliativmedizin natürlich ein Segen. Dank ihr halten viele Patienten das Leben besser aus und sind nicht gezwungen, sich vor den Zug zu stürzen. Das freut auch Exit, denn die Freitodbegleitung ist eine schwere Aufgabe.
Es müsste auch Gottes Bodenpersonal freuen, denn das Beerdigen von Suizidopfern ist schliesslich keine leichte Angelegenheit.
Übrigens war es katholischen Geistlichen bis in die 1980er-Jahre hinein untersagt, Selbst«mörder» auf dem Friedhof zu bestatten, weil sie es gewagt hatten, Gott ins Handwerk zu pfuschen. Nun muss die katholische Kirche nur noch lernen, den begleiteten Freitod vom Ruch der Sünde zu befreien.