Wir, das sind die zwischen 1980 und 1995 Geborenen. Die jetzt 30- bis 45-Jährigen. Und die, die da ein bisschen drüber liegen, die Heimatlosen der MTV-Generation beispielsweise, nehmen wir auch. Überhaupt sind wir offen für alle, die sich hiervon angesprochen, verstanden oder abgeholt fühlen. Wir sind da nicht so streng. Das Strengsein liegt nicht unbedingt in unserer Natur. Unser Sandwich-Dasein verunmöglicht das; eine Existenz, eingeklemmt zwischen trotzigen Boomern und einer unnachgiebigen Gen Z.
Wir sind die Generation Y, die Warum-Frager, die Alles-Hintersinner, die bei diesen ersten Zeilen schon stark und vollkommen zurecht die Brauchbarkeit einer solchen Generationenaufteilung an sich bezweifeln.
Sei willkommen im Club, Millennial.
Ich rede nun also munter weiter für uns alle, auch wenn wir natürlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben; ein Leben im winzigen Dorf, in der Stadt, im Spital oder Heim, eins mit Eltern aus dem Kosovo, eins mit einer suchtkranken Mutter, eins als Mineraliensammlerin oder Pausenschreck.
Was soll's, die Nacktseiten der BRAVO verbinden uns alle für immer. Und die anderen Sachen, die wir so gemacht und gehört haben, bevor es das Internet gab.
Wir kannten das analoge Leben. Und wir kennen das digitale. Dazwischen liegt der Kater als schummriges Grundgefühl unserer 20er. Trotzdem oder gerade deshalb finden wir uns überall zurecht. Wir gehen schamlos in Therapie und kennen dennoch die Vorteile des Verdrängens, wir segeln in Richtung Selbstverwirklichung und zerschellen dennoch an den Klippen mütterlicher Durchhalteparolen, die sirenenartig in uns widerhallen: «Was dich nicht umbringt, macht dich stärker» (Danke, Nietzsche.)
Und weil die gesellschaftliche Realität unseren Lebensmodellen hinterherhinkt, stopfen wir gestresst die Lücken dazwischen. Stopfen sie mit unseren Vorstellungen eines gleichberechtigten und bedürfnisorientierten Mami- und Papidaseins, mit unserer Work-Life-Balance-Maxime und der tabubrecherischen Rede von Fehlgeburten, für die wir noch immer selbst bezahlen.
Pausen machen wir auf Yogamatten. Holen dort für viel Geld Luft, veratmen Wehen und Probleme, um in der richtigen Welt wieder möglichst effizient funktionieren zu können. Schliesslich ist auch die nächste Pause nicht gratis.
Ein Leben in zwei Welten ist für uns normal. Den einen Fuss im Lande des Mohrenkopfs, den anderen im Tal der Schokoküsse grätschen wir in die Generationenkluft und halten die Verbindung aufrecht, indem wir Ersteren erklären, warum ihr Wort nicht mehr zeitgemäss ist, und Letzteren, warum Erstere daran festhalten wollen. Wir sind wie das Kugelstoss-Pendel, das auf dem Bürotisch unserer Väter gestanden hat.
Wir sind die mittleren Kugeln, die stillstehen, wenn die anderen ins Schwingen geraten. Wir sind die Pufferzone, die zwischen den beiden Extremen liegt. Wir nehmen auf, was uns an Impulsen gegeben wird. Und wir geben sie weiter.
Und manchmal verlieren wir ob dieser ganzen Übertragungsleistung, dem dauernden Verwandeln und Übersetzen unsere eigene Meinung. Haben keine Zeit, die Komplexität der Welt zu durchdringen. Fristen unser Dasein inmitten von Widersprüchen, schärfen unsere dialektischen Fähigkeiten und warten darauf, dass die Tobenden im rechten und linken Flügel mal für einen Moment lang still sind. Der Hass, das Geschrei, der Aufruhr, von den (sozialen) Medien millionenfach potenziert, es ist uns alles zu laut geworden. Zu laut zum Nachdenken, zu laut fürs «Warum?», zu laut für ein paar anständige Synthesen.
Wenn es doch allen nur für einen Augenblick die Fressen mit dem weissen Schaumzucker ebenjener umstritten benamsten Süssigkeit verkleben würde.
Entschuldigung.
Aber bei diesem Lärm können wir die Welt nun wirklich nicht retten. Nur ist es das, meine lieben Generationsgenossinnen und Genossen, was wir als diplomatisch versierte Menschen zwischen zwei störrisch gesinnten Lagern leisten müssten: Mit Grosszügigkeit um uns werfen! Mit messianischer Versöhnungsarbeit brillieren! Sätze sagen wie: «Die Jungen geniessen ihre Genussfeindlichkeit imfall!» Und die andere Seite beschwichtigen mit: «Wie bereit kann man wohl sein für eine gendergerechte Sprache, wenn man anderen Leuten noch immer auf die Combox redet?»
Schliesslich sind wir die inzwischen mehr oder weniger in der Mitte des Lebens Angekommenen. Unsere Vergangenheit ist lang genug, um von den Alten ernst genommen zu werden und kurz genug, um die Jugend noch zu fühlen. Tuff halt.
Wir liegen jetzt auch alterstechnisch in der Mitte. Wir sind der goldene Schnitt. Diejenigen, die den Laden zusammenhalten müssen. Wir dürfen weder kippen noch resignieren. Wir müssen beweglich bleiben, die Balance halten, nicht nur in der Twisted-Sister-Pose.
Für wie lange, fragt ihr mich?
Nun.
Mindestens bis zum nächsten Hexenschuss.
Von da an ist es nicht mehr weit bis zum Sterbebett. Dann kann diese undankbare Kackposition die Gen Z übernehmen.
Viel Glück damit.
Viel Glück mit uns, dem dann neuen Senat der Zeitentfremdeten, der über die Fehler der KI lachte, bis sie gescheit genug wurde, sich unsere Jobs einzuverleiben.
Lg von einer Millennial
und bitz auch von meiner Midlife-Krise
Yolo!
Ich geh jetzt planken.
Wir waren die ersten, die mit PCs in Kontakt kamen (bei mir war es ein Commodore 128, anno 1988)