Mit all den undurchsichtigen Facebook-, Instagram-, WhatsApp- und whatever-Richtlinien was das Recht am eigenen Bild angeht ist das ein nicht gerade unrealistisches Alptraum-Szenario: Du entdeckst dich selbst auf einem Foto, das eine Story in einem Online-Magazin illustrieren soll. Das Bild ist nichtmal schlecht, du trägst die leicht verbeulte Strickmütze, dein Lieblingsflanelhemd und den Bart (ja, du bist in diesem Szenario ein Mann), hast du dir auch erst am Morgen der Aufnahme ordentlich rasiert. Als ob du gar nicht bemerkst, dass jemand dich in dem Moment abgelichtet hat, guckst du irgendwo anders hin. In die Ferne halt.
Frechheit! Denkst du. Was erlauben die sich? Und schreibst direkt mal eine wütende Mail. Weil du weisst, das sowas nicht zieht, wenn man nicht ernst macht, drohst du gleich mit dem Anwalt und einer Klage.
Von dieser Geschichte berichtet die «Washington Post». Dass der junge Mann, der sich tatsächlich auf dem Foto erkannt haben will, einigermassen sauer war, ist am Wortlaut der E-Mail erkennbar: Für den letzt Clickbait habe man ein stark bearbeitetes Foto von ihn verwendet. Der Artikel sei schlecht geschrieben und beleidigend und käme fünf Jahre zu spät und so weiter und so weiter.
Und es ist auch gar nicht verwunderlich, dass der E-Mail-Schreiber ein bisschen wütend ist. In dem Artikel geht es um eine Studie, die beweisen will, dass irgendwann alle Hipster gleich aussehen. Da ist die Rede von einem «Hipster-Effekt», der dazu führe, dass sich die, die sich gegen den Mainstream richten immer mehr aneinander anpassen. Das Ganze wird von komplexen Diagrammen und wissenschaftlicher Sprache glaubwürdig untermalt. Der catchy Titel: «The hipster effect: Why anti-conformists always end up looking the same». Und das wiederum ist ja bekanntlich die schlimmste Beleidigung eines jeden «Hipsters» oder, wie die Studie ihre Subjekte auch nennt, «Anti-Konformisten». Erschienen ist der Artikel im «MIT Technology Review», dem Magazin des renommierten Massachusetts Institute of Technology.
Die Redaktion des Magazins nimmt die Beschwerde ernst und stellt Nachforschungen an. Hat man irgendwelche Rechte verletzt? Und ist Hipster inzwischen wirklich ein Schimpfwort, das eine Klage rechtfertigt? Die Redaktion kontaktiert ihre Rechtsabteilung und «Getty Images». Das Hipster-Symbolbild hatte sie von der Fotoagentur bezogen. Auch in der Agentur stellt man Nachforschungen an und kommt schliesslich zu diesem Ergebnis: Der Mann auf dem Bild ist ein Model. Mit den Bildrechten ist alles geklärt. Es ist definitiv nicht der Mann, der die wütende E-Mail geschrieben hatte.
Am Ende konnte sich der MIT-Technology-Review-Chefredakteur einen hämischen Tweet nicht verkneifen. Er schreibt: «Hipster sehen alle so gleich aus, sie können sich nichtmal selbst voneinander unterscheiden. »
In other words, the guy who'd threatened to sue us for misusing his image wasn't the one in the photo. He'd misidentified himself.
— Gideon Lichfield (@glichfield) 6. März 2019
All of which just proves the story we ran: Hipsters look so much alike that they can’t even tell themselves apart from each other. /ENDS
Zur Verteidigung des wütenden Hipsters schreibt die «Washington Post»: Die MIT-Redaktion habe die Facebook-Seite des Mannes gefunden und er sähe dem Model auf dem Foto tatsächlich ähnlich. Tja. Wer nicht?
(tam)