Ich hab's über Jahrzehnte versucht: Zu verstehen, was genau am Ding «Brunch» so total geil sein soll, dass Menschen solches immer wieder organisieren oder dazu abmachen. Ich weiss nur, dass Brunch hierzulande total beliebt ist.
Okay ... weshalb eigentlich?
Das kann ich nachvollziehen. Mittagessen oder Abendessen mit Freunden beinhalten ja meistens «viel Essen» und «gemütlich». Brunch, aber? Sicherlich nicht «gemütlich».
Lasst mich kurz ausholen – zunächst mal die Variante «Brunch-Einladung privat»:
Nennt mich ruhig asozial (obwohl ich die Bezeichnung «kein Morgenmensch» bevorzuge), aber ich hab' nun mal keine Lust, um 10 oder 11 Uhr morgens bereits freundlich sein zu müssen. Konversation zu machen. Gwunderig zu sein, wie es dem Kindli der Kollegin geht, mit der ich nicht sonderlich befreundet bin, nun aber Konversation machen muss, weil sich die Sitzordnung so ergeben hat.
WENN die Konversation klappen würde! Tut sie nämlich NICHT, denn Brunch bedeutet vor allem eines: Ständige Unterbrechung. Nein, ich darf keinen gepflegten Smalltalk mit der Tischnachbarin machen, ohne dass es von quer über den Tisch heisst «HEY CHÖNNTISCH MIR D'GONFI GEH?» oder «WETTED IHR AU NO CHLI ZOPF?» und «WETSCH NO CHLI KAFFI? GÄLL ES ESPRESSO SCHWARZ FÜR DICH, ODER?» und ... ach komm, liebe Tischnachbarin, plaudern wir ein ander Mal.
Diese Form von Unterbrechung ist durch die kommunale Natur der Speisen bedingt. Würde man zu Mittagessen abmachen, bekäme jeder Gast einen Teller vorgesetzt und gut ist. Doch Leute, die Brunch mögen, scheinen gerade die Umständlichkeit des Herumreichens und Anbietens von Geschirr zu lieben. Wohl verwechseln sie es mit Geselligkeit.
Auch verwechseln sie Brot und Konfitüre oder irgendwelche Körnchen-Müesli mit uhfeinem Essen. Auch ich mag Brot und Gonfi. Aber als Motivation, aufzustehen, sich frisch zu machen und irgendwo hinzugehen, genügt mir das nicht.
Und, ach ja, sich besaufen klappt auch nicht wirklich, weil Menschen, die Brunch-Einladungen machen, aus irgend einem mir schleierhaften Grund nie wissen, wie man einen Prosecco halbwegs kühlt.
Bliebe noch die Variante «Brunch auswärts in einem Restaurant»:
Eine Restaurant-Frühstücks-Kultur, wie das die Angelsachsen pflegen mit ihren all day breakfasts und ihren eggs any style, haben wir hierzulande nicht. Das ist auch okay so, denn nationale und regionale Unterschiede sind willkommen. Dafür bieten in der Schweiz viele Etablissements explizit einen Brunch an. In Zürich etwa soll das im Bebek fein sein, erzählt man mir. Oder das Bubbles. Und etliche andere.
Blöd nur, dass sie allesamt GENAU NIE Platz haben. In Zürich spontan Brunch essen gehen? Forget it. Alles ausgebucht. Am Montag für den nächsten Sonntag einen Vierertisch zum Brunch reservieren? Viel Glück damit. Dementsprechend hektisch und überfüllt sind die Lokale auch, schafft man es all Schaltjahr doch mal, einen Tisch zu ergattern.
Ergo werde ich weiterhin am Wochenende zu einer von mir frei gewählten Zeit aufstehen und alleine oder mit der Liebsten gemütlich frühstücken. Mit einem Kaffee, der kein Nespresso ist. Und mit Eiern auf irgend eine geile Art, vielleicht etwas Toast oder Tortillas und hey, wieso nicht eine Avocado mit etwas Chili und Limette ... egal was – einfach nicht Brönsch!
Ihr kommt ja bei euren Brunch-Einladungen ohne mich bestens klar. Wir sehen uns dann zum Znacht. 😘
Aber die machen den Brunch stattdessen! 😱😱😱