Am Ende ging es schnell, und es war auch ziemlich schmerzhaft. Roger Federer verliert im Viertelfinal von Wimbledon den letzten Satz gegen den Polen Hubert Hurkacz (24, ATP 18) 0:6 und die Partie mit 3:6, 6:7 (4:7), 0:6.
Wimbledon war für Roger Federer eine Berg- und Talfahrt. In der ersten Runde lag er mit 1:2 Sätzen hinten, ehe sich sein Gegner bei einem Sturz am Knie verletzte und kurz darauf aufgeben musste. Nach seinem Sieg in der zweiten Runde sagte er: «Es fühlte sich fast wie früher an.» Also wie damals, als er zwischen 2003 und 2007 das wichtigste Tennisturnier der Welt fünf Mal in Folge gewinnen konnte. Oder wie vor zwei Jahren, als ihn in einem hinreissenden Final gegen Novak Djokovic zwei Mal nur ein Punktgewinn von seinem neunten Triumph trennte.
Doch das war, bevor sich Roger Federer im Frühjahr 2020 und im Sommer zwei Mal am rechten Knie hatte operieren lassen müssen. Nachdem er in Wimbledon zum 18. Mal in die Viertelfinals eingezogen war, sagte er: «Ich bin ein anderer Spieler als früher. Die Luft wird nun langsam dünner.» Wie richtig er damit lag, offenbart sich in den Viertelfinals.
Im ersten Satz gibt er seinen Aufschlag zum 2:4 ab und kommt selber zu keiner Breakchance. Im zweiten Durchgang führt Federer mit Break und 4:1, muss aber ins Tiebreak. Dieses steht sinnbildlich für das Turnier, das Federer in diesem Jahr zeigte: ihm unterlaufen vier haarsträubende Fehler.
Im dritten Satz liess Roger Federer dann fast alles vermissen, das ihn zu einer Sportikone gemacht hatte: die Leichtfüssigkeit, den Spielwitz, die Abgeklärtheit. Er war ein Schatten seiner selbst. Und verlor den Satz mit 0:6. Das war ihm zuvor erst vier Mal passiert, aber noch nie in Wimbledon.
Roger Federer konnte sich in Wimbledon nicht über fehlendes Losglück beklagen. Hurkacz ist als Nummer 18 der Weltrangliste der bestklassierte Gegner, auf den der Baselbieter im Verlauf des Turniers traf. Es gab eine Zeit, in der ein Spieler, der erstmals in den Viertelfinals eines Grand-Slam-Turniers stand, mit einem gefühlten Breakrückstand in diese Partie gestartet wäre.
Doch diese Zeit scheint endgültig vorbei. Es braucht keinen Novak Djokovic oder Rafael Nadal mehr, um ihn in Bedrängnis zu bringen. Federer verlor in diesem Jahr gegen Spieler wie Nikolos Bassilaschwili, Pablo Andujar, hatte Mühe gegen Dominik Koepfer und Adrian Mannarino.
Nach Wimbledon gereist war Roger Federer mit vielen Fragezeichen und der Last der Achtelfinal-Niederlage in Halle im Kopf, bei der er danach seine Einstellung moniert hatte und nach der er sagte, er wolle nun «keine dumme Entscheidung treffen». Vielleicht dachte er in diesem Moment an den Rücktritt, der immer näher rückt. Im Jahr, in dem Federer seinen 40. Geburtstag feiert.
Wimbledon hatte er acht Mal gewonnen (2003 bis 2007, 2009, 2012 und 2017) und stand vier weitere Male im Final, zuletzt vor zwei Jahren. Doch nun könnte es sein letzter Auftritt bei jenem Turnier gewesen sein, von dem er einmal sagte: «Hier begann alles für mich.»
Und doch hat Roger Federer wieder einmal alle Lügen gestraft, die ihn nach seinen zum Teil rätselhaften Auftritte in Genf und vor allem zuletzt in Halle schon abgeschrieben hatten. Dass er kurz vor seinem 40. Geburtstag nach insgesamt drei Operationen an den Knien und anderthalb Jahren mit Rehabilitation und in seinem erst fünften Turnier bereits wieder in die Viertelfinals vorstossen würde, hätten ihm nur die wenigsten zugetraut. Vor dem Turnier hatte Federer das Erreichen der zweiten Turnierwoche als Ziel ausgerufen. Dieses erfüllte er. Doch ob es ausreicht, damit Federer seine Karriere über den Sommer hinaus fortsetzt? Das ist fraglich.
Sicher ist: Roger Federer kann Wimbledon und dereinst auch das Tennis erhobenen Hauptes verlassen. Dafür braucht er keine Siege mehr.
teha drey