Es ist schwierig, diesen Auftritt von Aston Villa in Worte zu fassen. Noch nie wurde Manchester City unter Pep Guardiola so an die Wand gespielt. Nur zwei Schüsse gaben die favorisierten Gäste am Mittwochabend im Villa Park in Birmingham ab – innert zehn Sekunden nach rund zehn Minuten. Zuvor hatte ein Team von Pep Guardiola in einem Ligaspiel gemäss «Opta» noch nie weniger als vier Schüsse verzeichnet. Demgegenüber standen 22 Schüsse der Gastgeber.
Der 1:0-Sieg für Aston Villa war also mehr als verdient, was auch die «Expected Goal»-Werte von 2,04 zu 0,83 zugunsten des Teams von Unai Emery unterstreichen. Dank des Erfolgs zogen die «Villans» in der Tabelle der Premier League auch an Manchester City vorbei und stehen neu auf Platz 3. Und das ist kein Zufall. Bereits in der Rückrunde der letzten Saison war Aston Villa der drittbeste Klub der Premier League hinter den «Cityzens» und Liverpool.
Eine der prägenden Figuren – vor allem beim 1:0-Erfolg am Mittwoch – ist Leon Bailey. Der Jamaikaner erzielte das Tor gegen ManCity und ist mit wettbewerbsübergreifend acht Treffern einer der besten Torschützen bei Aston Villa, obwohl er in der Liga meist von der Bank kommt. Neben seiner Torgefahr glänzt der schnelle 26-Jährige auch als Abnehmer von Pässen in die Tiefe und mit Dribblings. Ausserdem bereitete Bailey, der grösstenteils im rechten Mittelfeld oder auf dem rechten Flügel eingesetzt wird, bereits sechs Tore vor.
Eine ähnliche Rolle füllt Moussa Diaby aus. Wie Bailey vor zwei Jahren kam in diesem Sommer auch der Franzose aus Leverkusen nach Birmingham. Der nominelle Flügelspieler kostete den Siebten der letzten Premier-League-Saison 55 Millionen Euro und wird dort meist im offensiven Mittelfeld oder als zweiter Stürmer eingesetzt. Mit vier Toren und fünf Assists konnte auch der 24-jährige Diaby seine Offensivgefahr bereits unter Beweis stellen. Aufgrund der ähnlichen Spielweisen stehen Diaby und Bailey nur selten gemeinsam auf dem Platz.
Häufiger als Bailey trifft bei den «Villans» nur einer: Ollie Watkins. Der 27-Jährige traf in dieser Saison in allen Wettbewerben zusammen bereits 13 Mal und setzte damit seine starke Form der Vorsaison fort. Der ruhige Stürmer, dem die Aufmerksamkeit neben dem Feld gemäss «The Times» eher unangenehm ist und der sein Privatleben auch aus den sozialen Medien grösstenteils heraushält, besticht aber auch als Vorbereiter. Mit acht Assists ist Watkins ebenfalls der beste Vorlagengeber im Team. In der Premier League kommen nur Erling Haaland und Mohamed Salah auf mehr Skorerpunkte als Watkins mit seinen 14 (8 Tore, 6 Assists).
Der nicht ganz so heimliche Star im Team ist aber Douglas Luiz. Der brasilianische Mittelfeldspieler hat so viele Ballkontakte wie kein anderer Aston-Villa-Profi und ist für die Spielweise von Trainer Emery entscheidend. Gegen ManCity überzeugte das Team des Spaniers mit starkem Pressing und eroberte 13 Bälle im Angriffsdrittel – ein Rekord gegen die «Skyblues», seit sie 2016 von Guardiola übernommen wurden. Das ist eine Spezialität von Luiz, der den Gegner so oft vom Ball trennt wie keiner seiner Mitspieler.
Der Ex-Freund der Schweizer Nationalspielerin Alisha Lehmann, die ebenfalls bei Aston Villa unter Vertrag steht, ist aber auch ein Spezialist für Freistösse und Eckbälle, die er teils gar direkt im Tor unterbringt. Zu Beginn der letzten Saison gelang ihm das gleich zweimal. Seit Sommer ist er zudem der Penaltyschütze im Team und verwandelte bisher alle vier Versuche aus elf Metern. Insgesamt steht der 25-Jährige in dieser Saison bereits bei sechs Toren und vier Assists.
Dass sich Douglas Luiz immer wieder in die Offensive einbinden kann, hat er auch seinem Nebenmann im zentralen Mittelfeld zu verdanken. Boubacar Kamara sichert nämlich defensiv ab und hält dem zehnfachen brasilianischen Nationalspieler so den Rücken frei.
In Emerys Viererkette gibt es bekanntere Namen: Pau Torres zum Beispiel, Sascha Ruefer lässt grüssen. Oder Matty Cash, der Aussenverteidiger mit dem für einen polnischen Nationalspieler ungewöhnlichen Namen. Aber der beste Defensivspieler bei Aston Villa ist derzeit Ezri Konsa. Der englische Innenverteidiger glänzt mit seiner hohen Zweikampfquote und durch das häufige Klären von gefährlichen Situationen. Von Defensiv-Anker Konsa profitiert auch Torres, der sich dafür stärker ins Aufbauspiel einbringen kann.
Der 26-jährige Konsa ist ausserdem als Rechtsverteidiger einsetzbar und brillierte dort auch gegen Manchester City. «Es ist eine Herausforderung, weil man es mit sehr guten Flügelspielern zu tun bekommt. Aber, wenn mich der Trainer dort aufstellt, dann versuche ich, für ihn einen guten Job zu machen», sagt Konsa über seine Flexibilität bei «The Athletic». Im November wurde er aufgrund seiner starken Leistungen erstmals für Englands Nationalteam nominiert, kam aber nicht zum Einsatz.
Für Goalie Emiliano Martinez ist die Verteidigung um Konsa ein Segen. Nur Arsenals David Raya und Ederson im Tor von Manchester City haben ligaweit weniger zu tun als der Argentinier. Wenn aber doch einmal ein Schuss auf Martinez' Tor kommt, ist dieser zur Stelle. Und das ist auch dringend nötig. Denn obwohl er nur wenige Schüsse parieren muss, zeigt die Analyse der Expected Goals, dass die Chancen des Gegners oft sehr gefährlich sind.
Doch nicht umsonst wurde Martinez mit dem goldenen Handschuh als Welttorhüter geehrt. Natürlich lag dies vor allem an seinen Leistungen bei der Weltmeisterschaft im letzten Jahr, doch ist der selbst für einen Goalie etwas verrückte 31-Jährige auch bei Aston Villa ein sicherer Rückhalt.
Trotz der vielen stark aufspielenden Akteure auf dem Platz findet man die wohl wichtigste Personalie bei Villa an der Seitenlinie. Seit Unai Emery im letzten November vom erfolglosen Steven Gerrard übernommen hat, zeigt der Klub ein ganz anderes Gesicht. Schaffte die englische Fussball-Legende in 40 Spielen als Trainer einen Punkteschnitt von 1,18, ist dieser unter Emery um 0,8 Zähler pro Spiel höher.
Der Spanier setzt derzeit auf ein 4-4-2-System, das er im Zentrum und teils in der Offensive leicht variiert. Emery, der bereits bei seiner letzten Station sehr erfolgreich gearbeitet und mit Villarreal die Europa League gewonnen hat, fordert von seinem Team hohes Pressing und dass es das Spiel an sich reisst. Dies tat Aston Villa dann auch gegen Manchester City und dominierte den Triple-Sieger über 90 Minuten.
Dies liegt auch daran, dass Trainer und Team an einem Strang ziehen. Emery ist bei seinen Spielern sehr beliebt und wird von allen für seine akribische Arbeit gelobt. So sagt beispielsweise Leon Bailey: «Er ist fantastisch. Sein Ansatz unterscheidet sich von anderen Trainern und er weiss genau, was er will.» Für Captain John McGinn ist aber etwas anderes entscheidend: «Seine Mentalität und sein Siegeswille. Er ist besessen davon, zu gewinnen.» Dieses Mindset übertrage sich auf das Team.
Aufgrund all dieser Faktoren hat Aston Villa unter Unai Emery die Wende geschafft und ist plötzlich ein Anwärter für die Champions-League-Plätze. Gerade im heimischen Villa Park, wo nun 14 Spiele in Serie gewonnen wurden, ist das Team eine Macht. Sollte sich der Klub tatsächlich unter den ersten vier Teams der Premier League halten, würde Aston Villa erstmals seit der Saison 1982/83 an dem höchsten europäischen Wettbewerb teilnehmen. Und das wäre für die Fans des KIubs, der noch vor fünf Jahren in der zweiten Liga spielte, dann erst recht nicht in Worte zu fassen.