Auf sein System angesprochen, witzelte Tottenham-Trainer Ange Postecoglou: «Ich kopiere einfach Pep.»
Das war Ende August und die Premier League lernte den aufregenden Fussball, den der Australier spielen lässt, erst kennen. Gerade die Rollen der Aussenverteidiger, die in der Offensive in die Mitte rücken, erinnerten viele an das Manchester City unter Pep Guardiola. Am Sonntag spielte Tottenham erstmals unter Postecoglou gegen die «Cityzens» – und traf die selbsternannte Kopie auf das Original.
🎙️ Ange Postecoglou:
— SpursOTM (@SpurOTM) August 26, 2023
“I’m just copying Pep, mate.” pic.twitter.com/FQNFGMfXDB
Wobei man dem 58-Jährigen Unrecht tue, wenn man ihm unterstellen würde, bei Guardiola abzuschauen, wie der Katalane selbst sagt. Im Vorfeld der Partie wurde er auf die Kommentare von Postecoglou angesprochen und stellte klar: «Es war ein Witz. Klar rücken auch meine Aussenverteidiger mal ins Zentrum, doch bei ihm sind sie offensive Mittelfeldspieler. Das habe ich noch nie gesehen oder benutzt, sein Stil gehört also absolut ihm.» Guardiola zeigte sich beeindruckt von den Spurs und sagte: «Ich schaue ihnen sehr gerne zu.»
Und damit ist der Welttrainer nicht alleine. Mit seinem ganz eigenen Spielstil, der mit «Ange-Ball» gar einen Namen bekommen hat, begeistert Postecoglou nicht nur die Tottenham-Fans. Wie schon bei seinen letzten Stationen – unter anderem bei Celtic Glasgow – setzt Postecoglou auf eine hochstehende Verteidigung, intensives Pressing und Ballbesitzspiel. Man könnte auch sagen: Angriff um jeden Preis.
Spektakel ist in den Spielen mit Tottenham-Beteiligung also garantiert. In jedem der bisher 15 Saisonspiele schossen die Spurs mindestens ein Tor, elfmal kassierten sie auch eins. Und so wurde auch die Partie in Manchester zu grosser Unterhaltung. Am Ende trennten sich City und die Spurs 3:3. Auch, weil sich Postecoglou und sein Team vom Triple-Sieger nicht einschüchtern liessen und am gewohnten Ansatz festhielten. So eroberte Verteidiger Ben Davies den Ball vor dem 2:2 durch Giovani Lo Celso als hinterster Mann an der Mittellinie.
Two in two for Gio 🇦🇷 pic.twitter.com/jFop1lkQD2
— Tottenham Hotspur (@SpursOfficial) December 3, 2023
Wer am Sonntag erstmals in dieser Saison ein Spiel der Spurs gesehen hat, dürfte überrascht gewesen sein, wie hoch diese gestanden und mit wie viel Risiko sie gespielt haben – zumal der Gegner Manchester City war. Doch gerade diese Konsequenz macht Postecoglou aus. Bereits vor der Partie kündete er an, seinen Ansatz gegen den grossen Favoriten nicht zu verändern. Schliesslich würden Top-Teams dies auch nicht tun: «Sie haben alle einen Plan und an diesem halten sie fest. Sie weichen nicht bei der ersten Schwierigkeit davon ab.»
Dass er seine Philosophie des «Ange-Ball» unbeirrbar verfolgt, zeigt nichts eindrücklicher als das Spiel gegen Chelsea. In doppelter Unterzahl und trotz Stand von 1:1 liess Postecoglou seine nun noch acht verbliebenen Feldspieler weiter pressen und mit einer hochstehenden Defensivreihe spielen. Auch sonst lässt sich der ehemalige Nationaltrainer Australiens von widrigen Umständen nicht von seinem Plan abbringen.
Gegen ManCity fehlten mit Cristian Romero und Micky van de Ven beide Stamminnenverteidiger, also setzte Postecoglou auf die nominellen Aussenverteidiger Davies und Emerson Royal. Im Mittelfeld fehlte mit James Maddison ebenfalls ein tragender Spieler der laufenden Saison. Gerade nach zuvor drei Niederlagen in Folge hätten wohl viele Trainer einen vorsichtigeren Ansatz gewählt. Nicht so Postecoglou, der findet: «Mein Ziel ist es, Tottenham zu einem grossen Klub zu machen und Titel zu gewinnen. Und dazu muss man einen Plan haben, an dem man festhält und an den man glaubt.»
Natürlich birgt es auch Gefahren, dass Postecoglou von seinem Team fordert, spielerische Lösungen und das Heil im Angriff zu suchen. Die Partie gegen Chelsea ging in doppelter Unterzahl 1:4 verloren, auch das 2:3 gegen ManCity wäre wohl vermeidbar gewesen. Postecoglou sieht darin aber auch ein Erfolgsgeheimnis, auch mal Fehler zu machen und sich dadurch weiterzuentwickeln. Schliesslich merke man nur in den schwierigsten Zeiten, ob etwas funktioniert oder nicht.
Und der Postecoglou-Weg kommt an. Dejan Kulusevski, Torschütze zum 3:3 bei Manchester City, sagte nach dem Spiel: «Ich mag ihn wirklich, wirklich sehr. Seine Taktik, seine Mentalität. Das ist ein Mann, mit dem man arbeiten will. Keine Angst, einfach los!» Die Herzen der Spurs-Fans hat Postecoglou ohnehin schon lange erobert. Bereits nach wenigen Spielen erklärten diese «Big Ange» mit einer umgedichteten Version von Robbie Williams' «Angels», in der übrigens auch Christian Gross vorkommt, ihre Liebe.
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— Tottenham Hotspur (@SpursOfficial) September 16, 2023
Dies liegt neben seiner attraktiven Spielweise auch an Postecoglous sympathischer und ehrlicher Art, die in Pressekonferenzen immer wieder für Lacher sorgt. Dass er sich selbst nicht zu ernst nimmt, zeigt unter anderem sein Kommentar zu Guardiola. Auch das für Australier obligatorische «Mate» am Ende jedes zweiten Satzes erhöht die Sympathiewerte des Trainers in England.
Der in Athen geborene Trainer profitiert auch davon, dass er einen völligen Kontrast zu seinen Vorgängern bietet. Antonio Conte und Jose Mourinho sorgten bei den Fans mit ihrem defensiven Ansatz, der gerade zum Ende ihrer jeweiligen Amtszeiten wenig erfolgreich war, kaum für Freude. Postecoglou gab ihnen nun das Gefühl zurück, dass ihr Lieblingsverein auf dem richtigen Weg ist.
Und diesen wird Ange Postecoglou mit seinem Team um Captain Heung-min Son, das derzeit auf Platz 5 der Premier League steht, unbeirrt weitergehen. Denn Trainer, die sagen, dass sie gerne auf eine bestimmte Weise spielen lassen würden, aber die Spieler dazu nicht haben, versteht er nicht. Postecoglous Rat an seine Amtskollegen: «Tu es einfach, ‹Mate›!»