Was für eine Schmach! Etwas mehr als ein Jahr nach der glorreichen «Remontada» gegen Paris St-Germain, als der FC Barcelona in der Champions mit einem 6:1 im Achtelfinal-Rückspiel das 0:4 aus dem Hinspiel wettmachte, erlebt Barça selbst ein Debakel in der Königsklasse. 0:3 verlieren die Katalanen bei der AS Roma und müssen trotz des 4:1-Siegs zu Hause zum vierten Mal in fünf Jahren bereits im Viertelfinal die Segel streichen.
Kein Wunder ging die spanische Presse mit Barça hart ins Gericht:
Wie es zum Barça-Fiasko kommen konnte? Dafür gab es vor allem zwei Gründe.
Anders als im Hinspiel war die AS Roma gestern Abend extrem offensiv ausgerichtet. Trainer Eusebio Di Francesco, der im letzten Sommer von Sassuolo in die Hauptstadt kam, stellte das System komplett um. Statt in der üblichen 4-3-2-1-Formation liess er sein Team in einem 3-5-2 auflaufen und sorgte so für ein dominantes Mittelfeld. Im Sturm wurde Edin Dzeko vom robusten Tschechen Patrick Schick und der hängenden Spitze Radja Nainggolan unterstützt.
Die Roma spielte ein beeindruckendes Pressing und kam durch lange Bälle auf die gross gewachsenen Sturmspitzen immer wieder gefährlich hinter die Barça-Abwehr. Bereits zur Pause verzeichneten die Italiener 10 Torschüsse. Nur dank Goalie Marc-Andé ter Stegen lag Barcelona nicht höher zurück.
Mit der aggressiven Spielweise kaufte die Roma den Spaniern auch danach den Schneid ab. 51,2 Prozent der Zweikämpfe, 53,3 Prozent der Tacklings und 68,2 Prozent der Kopfballduelle gingen an den Gastgeber. Kam Barça mal in Ballbesitz, funktionierte das Gegenpressing – und sonst griff Roma zu unfairen Mitteln. 12 ihrer 19 Fouls begingen die «Giallorossi» bereits in der gegnerischen Platzhälfte und verhinderten so allfällige Konter.
Dass mit Daniele de Rossi und Kostas Manolas die zwei Eigentorschützen aus dem Hinspiel trafen, war nur eine Randnotiz. «Das ganze Lob gebührt unserem Trainer», sagte Captain De Rossi nach dem Spiel. «Er hat eine neue Formation gefunden und sie uns innerhalb von zwei Tagen in die Köpfe geprügelt. Das hat ein Wunder bewirkt.»
Es ist kein Geheimnis: Das Spiel des FC Barcelona steht und fällt mit Lionel Messi. Zieht der argentinische Ballkünstler mal einen weniger guten Tag ein, kommt Barça nicht richtig auf Touren. Schon gar nicht, wenn der Gegner so wild entschlossen ist wie die AS Roma gestern.
In Barças Defensivspiel fehlt es vor allem an einem: an Solidarität. Am augenscheinlichsten beim 3:0 der Roma, als Torhüter ter Stegen Luis Suarez beim Eckball anwies, den vorderen Pfosten abzudecken. Doch der Uruguayer blieb im Niemandsland des Strafraums nur angewurzelt stehen und schaute tatenlos zu, wie Kostas Manolas zum Kopfball ging. Die Schuld suchte er danach bei Teamkollege Nelson Semedo.
Weil Suarez und Messi vorne oft nur lustlos herumstapften und keine Defensiv-Arbeit leisteten, blieben nur acht Barça-Akteure übrig, die sich gegen zehn furiose Römer wehren mussten. Das konnte – trotz 56,6 Prozent Ballbesitz – nur schief gehen. Vor allem, weil nicht nur Messi und Suarez, sondern auch der Rest des Teams zuweilen schläfrig wirkte und sich nach dem 4:1 im Hinspiel wohl zu sehr in Sicherheit wiegte.
Jordi Alba, Samuel Umtiti und Semedo liessen sich von den Roma-Angrifern Mal für Mal übertölpeln, wirkten immer wieder überfordert und gingen nie mit letzter Konsequenz in die Zweikämpfe. Einzig Gerard Piqué hielt kämpferisch dagegen. Fast schon tragisch, dass ausgerechnet er den Elfmeter zum 0:2 verschuldete.
Natürlich spielte der Roma auch die frühe Führung in die Karten, doch Barça erwachte nicht – und Trainer Ernesto Valverde reagierte nicht. Warum er den physisch starken Paulinho gar nicht und den wirbligen Ousmane Dembélé erst spät einwechselte, bleibt sein Geheimnis.
Barça warf in der Schlussphase zwar nochmals alles nach vorne, doch es war zu spät. Den Hebel konnten Messi und Co. nicht mehr umlegen, zu sehr waren sie bereits in ihrer Lethargie erstarrt. So blieb den Katalanen nichts anderes übrig, als mit hängenden Köpfen vom Feld zu trotten.