Lionel Messi wollte Barcelona nicht verlassen. Der FC Barcelona wollte den womöglich besten Fussballer nicht gehen lassen, doch nun wird der 34-Jährige nach 21 Jahren in Katalonien künftig für Paris St-Germain auf Torejagd gehen. Laut Transferexperte Fabrizio Romano unterschreibt er für zwei Jahre und soll 35 Millionen Euro pro Saison kassieren. Also rund die Hälfte dessen, was er bei Barça zuletzt erhalten hatte.
Lionel Messi joins PSG... HERE WE GO! Total agreement completed on a two-years contract. Option to extend until June 2024. Salary around €35m net per season add ons included. 🇦🇷🇫🇷 #Messi
— Fabrizio Romano (@FabrizioRomano) August 10, 2021
Messi has definitely accepted PSG contract proposal and will be in Paris in the next hours. pic.twitter.com/DiM5jNzxTA
Dass der Transfer dem FC Barcelona sportlich nicht guttun wird, ist klar. Auch Messi zeigte bei seiner tränenreichen Abschiedspressekonferenz, dass er Katalonien definitiv nicht verlassen wollte. Zudem werden weder Paris St-Germain, noch die spanische und französische Liga vom Wechsel profitieren.
Eigentlich werden alle Beteiligten aus dem wohl grössten Wechsel der Fussballgeschichte nur als Verlierer hervorgehen. Eine Betrachtung aus mehreren Blickwinkeln.
Was der Megastar vom Wechsel hält, machte er auf seiner Abschiedspressekonferenz deutlich – mit Tränen und der Aussage: «Ich habe gedacht, dass ich hier nie weggehen würde. Das hier ist unser Zuhause», sagte der Argentinier.
Vor einem Jahr hörte sich das aber noch ganz anders an. Im August 2020, nach der blamablen 2:8-Niederlage im Champions-League-Finalturnier gegen Bayern München wollte Messi bereits eine Klausel in seinem Vertrag ziehen, durch die er am Ende jeder Saison einseitig kündigen könne. Barça lehnte das jedoch mit der Begründung ab, dass die Frist dazu längst verstrichen sei.
Zudem schickte Barcelona mit Stürmer Luis Suarez einen der besten Freunde Messis zum Liga-Rivalen Atlético Madrid. Während der Hauptstadtklub in der vergangenen Saison die Meisterschaft holte und Suarez einer der wichtigsten Spieler war, landete Barça lediglich auf Rang 3. Zudem war sein Verhältnis zu Präsident Josep Bartomeu mehr als angespannt.
Jetzt war Messi aber vom Umbruch überzeugt, gewann in der abgelaufenen Saison immerhin die spanischee Copa del Rey und war bereit, bei Barça zu verlängern. Doch nun folgte der Abgang, den alle für undenkbar gehalten hatten.
Die Statuten des Financial Fair Play der spanischen Liga liessen eine Vertragsverlängerung nicht zu. Barcelona ist mit fast 490 Millionen Euro hoch verschuldet. Auch ein Verzicht auf die Hälfte seines üppigen Gehaltes auf rund 50 Millionen Euro hätte den Konflikt nicht lösen können.
Doch auch in Paris hat Messi so einige Freunde, die ihm die Eingewöhnung leichter machen dürften. Angel Di Maria und Leandro Paredes kennt Messi aus der Nationalmannschaft, mit Neymar spielte er mehrere Jahre erfolgreich in Barcelona zusammen. Zusammen mit Marco Veratti verbrachten sie sogar bereits gemeinsam einige Tage in den Fereien auf Ibiza.
Für Barça erzielte Messi in 530 Partien 474 Tore. So viele werden es in der französischen Ligue 1 nicht werden, doch das sportliche Niveau in den Top-5-Ligen Europas ist in Frankreich deutlich am schwächsten. Eine sportliche Herausforderung sieht anders aus.
Sollte der Superstar auch nur annähernd Normalform haben, werden auch 30 Saisontore für den Angreifer kein Problem sein, wenn er ab September ins Geschehen eingreift. Viel mehr muss sich Messi dem internen Tor-Wettkampf mit Kylian Mbappé und Neymar stellen.
Den Abgang von Vereinsikone Messi haben sich die Verantwortlichen des Klubs selbst zuzuschreiben. Unter Ex-Präsident Josep Bartomeu rutschte der Verein in eine immer kritischere finanzielle Lage. Selbst Neu-Präsident Juan Laporta erklärte, dass er nicht gedacht hätte, dass die finanzielle Situation des Klubs dermassen schlimm ist.
Dabei reicht allein ein Blick auf einige Transfers, die Barça in den vergangenen fünf Jahren tätigte. Für Spieler wie Frenkie de Jong (86 Millionen Euro), Antoine Griezmann (125), den verletzungsanfälligen Ousmane Dembélé (135), Philippe Coutinho (135), Paulinho (40), Malcom (41), André Gomes (37), Clément Lenglet (37) und Nelson Semedo (35) gab Barça horrende Ablösesummen aus, ohne wirklich Erfolge zu feiern. Besonders in der finanziell lukrativen Champions League scheiterte Barça stets früh. Viele der Akteure sind bereits gar nicht mehr im Verein und nachhaltig durchsetzen konnte sich bisher nur De Jong.
Noch bis heute muss Barça Zahlungen an die abgebende Vereine leisten, dabei sind einige Transfers bereits über fünf Jahre her. Und unter Ex-Präsident Bartomeu (2014 bis 2020) verliess der spanische Traditionsklub den Weg, der ihn über Jahre stark gemacht hatte – statt die eigenen Talente aus der Nachwuchsakademie La Masia zu fördern, wurden immer wieder neue Top-Stars mit dem Wunsch nach schnellem Erfolg zugekauft.
«Das Management der letzten Jahre war nicht das beste, das belastet uns. Aber die Geschichte zeigt, dass wir wieder auf die Beine kommen», kritisierte auch Abwehrstar Gerard Piqué.
Erst unter Neu-Trainer Ronald Koeman kamen wieder regelmässig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zum Einsatz. Das Team wurde mit einem soliden Mix aus erfahrenen und jungen Spielern verstärkt und sollte um Messi neu aufgebaut werden – und der Superstar hatte Lust darauf. Umso bitterer, dass er nun gehen musste.
Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos, Neymar oder eben Lionel Messi. Bis vor Jahren spielten noch absolute Weltstars in der spanischen Liga. Die sind jetzt weg und damit sinkt die Attraktivität extrem. Was ist schon das wohl bekannteste Fussballspiel der Welt – Real Madrid gegen den FC Barcelona – ohne Cristiano Ronaldo UND Lionel Messi?
Ausserdem wird nun auch die sportliche Qualität nicht mehr mit den international erfolgreichen Jahren von 2014 bis 2018 mithalten können. Damals entschieden Barcelona (einmal) und Real Madrid (viermal) die Finals in der Champions League für sich und unterstrichen dadurch die Vormachtstellung des spanischen Klub-Fussballs in Europa. Eine Tatsache, die sich in den nächsten Jahren ändern könnte.
Zwar hat Barcelona mit Kun Agüero einen Kracher aus Manchester geholt. Aber er ist eben – wenn überhaupt – der zweitbeste Argentinier der Welt und auch schon 34 Jahre alt. Und auch bei Real Madrid strahlen die aktuellen Top-Spieler Luka Modric, Toni Kroos oder Eden Hazard nicht den Glamour-Faktor eines Ronaldo oder Messi aus.
Nach Ronaldo hat die spanische Liga nun ihren zweiten Top-Star verloren. Und weder beim FC Barcelona noch bei Real Madrid gibt es aktuell Akteure, die diese grossen Fussstapfen auch nur annähernd ausfüllen können.
Gianluigi Donnarumma, Sergio Ramos und Georginio Wijnaldum holte Paris in diesem Sommer bereits ablösefrei nach Frankreich. Zudem zahlten sie 60 Millionen Euro Ablöse für Achraf Hakimi, der von Inter Mailand kam. Und nun folgt auch noch der sechsmalige Weltfussballer Messi.
Nicht zu vergessen, dass mit Neymar und Kylian Mbappé bereits zwei der besten und begabtesten Offensivstars in Paris spielen. Wer bisher dachte, die Wechsel bei Fussballsimulationen wie FIFA seien unrealistisch, der wird aktuell vom kompletten Gegenteil überzeugt.
Top-Favorit auf den Champions-League-Titel wäre
PSG auch ohne die Verpflichtung von Messi gewesen. Nun wäre alles andere als ein Champions-League-Sieg aber eine Enttäuschung. Die französische Meisterschaft wird Paris zweifelsfrei gewinnen. Einen weiteren Überraschungsmeister wie in der vergangenen Saison mit dem OSC Lille wird es nicht geben.
Hoffentlich fliegt PSG trotzdem im Achtelfinale aus der Champions League.
— Lukas (@lukasinho01) August 10, 2021
Auf Trainer Mauricio Pochettino wartet nun die Mammutaufgabe, die Egos der zahlreichen Superstars unter einen Hut zu bekommen und aus der Mannschaft eine Einheit zu formen.
Besonders spannend wird sein, wie sich Neymar gegenüber Messi verhält. Schliesslich wollte der Brasilianer nach vier Jahren in Barcelona mit seinem Rekordwechsel für 222 Millionen Euro aus dem Schatten des Argentiniers treten. Nun stehen sie wieder zusammen auf dem Platz.
Und der Messi-Wechsel könnte noch einen weiteren Dominoeffekt auslösen, der ausgerechnet Barças Erzrivalen Real Madrid stärkt. Kylian Mbappés Vertrag läuft im kommenden Sommer aus, den Verantwortlichen bei Paris soll er bereits mitgeteilt haben, dass er nicht verlängern möchte. Somit könnte auch er im kommenden Sommer ablösefrei wechseln.
Viel spannender ist aktuell zudem noch die Frage, wie PSG seinen mit Stars gespickten Kader überhaupt finanzieren kann, ohne die Regeln des Financial Fairplay zu verletzten. Messi wird mindestens 35 Millionen Euro jährlich verdienen, knapp weniger als Neymar, der mit einem Jahresgehalt von 37 Millionen Euro Spitzenverdiener bei PSG ist. Dahinter folgt Kylian Mbappé mit 25 Millionen Euro, zudem verdienen mehr als zehn Spieler über zehn Millionen Euro.
Die PSG-Bosse haben beim Messi-Angebot wohl genau darauf geachtet, alle Vorgaben des französischen Ligaverbands (LFP) zu beachten. Um das Financial Fairplay der UEFA macht sich PSG unterdessen weniger Sorgen, da der Verband den Klubs aufgrund der Corona-Pandemie wohl mehr Spielraum lässt. Zudem soll es Treffen mit französischen Regierungsvertreten gegeben haben, die ihre bestmögliche Hilfe angeboten haben.