Sport

Darum braucht die Schweiz mehr Frauen bei Olympia

Die Schweizer Sportschuetzin Heidi Diethelm Gerber und ihr Trainer und Mann Ernst Gerber bei ihrem Empfang an ihrem Wohnort, aufgenommen am Samstag, 13. August 2016, in Maerstetten. Heidi Diethelm Ger ...
Sie eröffnete den Schweizer Medaillensegen: Heidi Diethelm Gerber.Bild: KEYSTONE

Die Schweiz braucht mehr Frauen bei Olympia – aber es scheint, als ob wir diese Chance verpassen

«Frauen-Power» ist ein zentrales Element der erfolgreichem helvetischen Olympia-Expedition von 2016. Aber unser Sport vergibt eine grosse Chance.
17.08.2016, 06:4117.08.2016, 06:53
klaus zaugg, rio de janeiro
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Die Spiele beginnen mit «Frauen-Power» und sie stehen im Zeichen von «Frauen-Power». Giulia Steingruber trägt die olympische Fahne ins Stadion. Als erste Frau seit 1992. Die Spiele stehen im Zeichen von «Frauen-Power». Drei der fünf ersten Medaillen haben Frauen geholt. Heidi Diethelm Gerber bricht den Bann mit ihrer Bronze-Medaille. Und wir können mit weiteren Frauen-Medaillen rechnen (Nicola Spirig und Jolanda Neff). Da dürfen wir schon fragen: Wo wären wir in Rio ohne Frauen?

Jolanda Neff, la nouvelle championne suisse, en action sur le parcours elite femmes lors du championnat suisse de mountainbike cross country ce dimanche 17 juillet 2016 a Echallens. (KEYSTONE/Jean-Chr ...
Jolanda Neff: Unser Gold-Trumpf fürs Schlussweekend.Bild: KEYSTONE

Bei Halbzeit stehen wir mit fünf Medaillen und neun Diplomen dank «Frauen-Power» bereits besser da als vor vier Jahren in London (4/6) während den ganzen Spielen. Ja, in London hatten die Schweizer bei der traditionellen Halbzeitbilanz noch keine Medaille. Es ist nun sogar möglich, dass der Rekord der Neuzeit (9 Medaillen 2000 in Sidney) in Rio übertroffen wird.

Der Unterschied liegt im Detail

Warum sind die Schweizerinnen und Schweizer in Rio erfolgreicher als vor vier Jahren in London? Von vielen Faktoren ist einer von zentraler Bedeutung und wird in den Emotionen des Augenblickes kaum erwähnt. In der britischen Hauptstadt war die Vorbereitung einfacher, in Rio ist sie ungleich schwieriger. In Rio ist mit akribischer Detailarbeit noch mehr herauszuholen als in London.

Switzerland's Giulia Steingruber celebrates with the bronze medal after the women’s Artistic Gymnastics Vault final in the Rio Olympic Arena in Rio de Janeiro, Brazil, at the Rio 2016 Olympic Sum ...
Giulia Steingruber: Eine der bisherigen Medaillengewinnerinnen aus der Schweiz.Bild: KEYSTONE

Die Schweizer Sportgeneräle sind Olympiasieger in der Vorbereitung. Ihre Effizienz ist in diesem Bereich weltweit unübertroffen. Nicht die Gesamtsumme, nicht die Quantität der eingesetzten finanziellen Mittel entscheidet. In diesem Bereich können wir nicht mithalten. Es ist die Qualität. Die Effizienz. Die Intelligenz beim Einsatz der Mittel. Und das ist ein Problem.

Schweizerinnen und Schweizer werden alle vier Jahre für ihre Tüchtigkeit politisch bestraft. Die Forderungen nach grösserer finanzieller Unterstützung durch die öffentliche Hand (Bundeskasse) verhallen immer wieder ungehört. Mit einem einleuchtenden populistischen Argument: Es geht ja, was wollt ihr mehr?

Wie lange kann das noch gut gehen?

Aber wie lange funktioniert das noch? Weltweit wird in immer mehr Ländern immer mehr in den Spitzensport investiert. Unser Spitzensport braucht mehr Geld. Nicht die Profis, nicht die Fussball- und Hockeyspieler, nicht die Tennis- und Radstars, nicht die Reiter, die ihre Karriere selber finanzieren können. Aber in den Sportarten, die nur alle vier Jahre mit den Olympischen Spielen eine Bühne bekommen und uns immer wieder Medaillen einbringen – Turner, Ruderer, Bahnradfahrer, Fechter – brauchen mehr Geld.

From left, Lucas Tramer, Mario Gyr, Simon Schuerch, Simon Niepmann and Mario Gyr of Switzerland pose with their gold medal after winning in the Lightweight-Four during a medal celbration in the House  ...
Wenn wir uns weiterhin über Ruder-Medaillen freuen wollen, dann gibt es nur eines: Es braucht mehr Geld für die Randsportarten.Bild: KEYSTONE

Im Herbst werden bei uns politische Weichen gestellt. Der Bundesrat wird dem Parlament einen Sport-Aktionsplan für die nächsten Jahre vorlegen. Es soll nicht mehr Geld aus der Bundeskasse in den Spitzensport fliessen. Olympiageneral Ralph Stöckli sagte im Rahmen seiner «Halbzeit-Bilanz», er hoffe immer noch auf grössere finanzielle Unterstützung durch den Bund. Sportminister Guy Parmelin und Bundespräsident Johann Schneider-Ammann waren hier in Rio. Man habe gute Gespräche geführt.

Unsere Sportgeneräle sind politisch naiv

Unsere Sportgeneräle mögen zu den besten der Welt gehören. Politisch sind sie erstaunlich naiv. Bundesräte sind immer gut gelaunt, wenn sie eine schöne Reise machen und mit Sportlerinnen und Sportler plaudern dürfen. Gute Gespräche unter Palmen haben keinerlei politische Bedeutung. Politik wird anderorts gemacht.

Ralph Stoeckli, delegation chief Swiss Olympic, poses during a press conference of swiss olympic in Ipanema at the Rio 2016 Olympic Games in Rio de Janeiro, Brazil, on Monday, August 15, 2016. (KEYSTO ...
Ralph Stöckli: Ein genialer Organisator und Arbeiter, aber Lobbying betreibt er zu wenig.Bild: KEYSTONE

Aber unsere Sportfunktionäre schaffen es einfach nicht, eine mit der Landwirtschaft oder dem Tourismus vergleichbare politische Lobby aufzubauen. Bei «Halbzeit» ist die Schweiz in Rio eine grosse Sportnation. Sportpolitisch bleibt sie daheim im eigenen Land ein Zwerg.

Endlich Gleichberechtigung im Sport

«Frauen-Power» könnte unserem Sport zu viel mehr politischem Drive verhelfen. Der Frauenanteil unseres Olympiateams hat sich seit London 2012 um 10 Prozent auf 45 Prozent erhöht. Ein politischer Steilpass. Der Argumentation, endlich auch im Spitzensport die Gleichberechtigung zu vollziehen und den Anteil der Frauen bei der Olympia-Delegation für Tokyo 2020 auf 50 Prozent zu erhöhen, könnte sich kein Parlamentarier und keine Parlamentarierin widersetzen.

Sie würden die dafür notwendigen Gelder für die Spitzensportförderung aus der Bundeskasse bewilligen. Denn es wäre in der politischen Leseart nicht mehr Spitzensportförderung. Sondern Frauenförderung.

2016 Rio Olympics - Beach Volleyball - Women's Quarterfinal - Beach Volleyball Arena - Rio de Janeiro, Brazil - 14/08/2016. Nadine Zumkehr (SUI) of Switzerland and Joana Heidrich (SUI) of Switzer ...
Heidrich/Zumkehr: Auch ohne Medaillen tragen sie zur Frauen-Power bei. Bild: ADREES LATIF/REUTERS

Eine Frau müsste «Swiss Olympic» präsidieren

Aber Ralph Stöckli hat für derartige Überlegungen kein Musikgehör. Er glaubt nicht an die Kraft solcher Argumente. Dieser tüchtige Sportfunktionär, vor dessen Kompetenz ich mich verneige, personifiziert die politische Naivität, die sich wie ein roter Faden durch unseren Sport zieht. Kein einziger Fachverband schickt eine Kandidatin für die anstehende Präsidenten-Wahl von «Swiss Olympic» ins Rennen.

Vielmehr besteht die Gefahr, dass mit Jürg Stahl ein – excusez l’expression – «SVP-Operetten-Nationalrat» zum obersten eidgenössischen Sportfunktionär gewählt wird. Der Luftwaffen-Major hat, bei Lichte besehen, als Präsident der «Parlamentarischen Gruppe Sport» nichts bewegt.

Weiterhin ein Mann ohne Charisma statt eine Frau an der Spitze unseres Sportes. Eine verpasste Chance.

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quelle: ap / lionel cironneau
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Fakten zu den Olympischen Spielen von Rio 2016

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mafi
17.08.2016 08:08registriert Januar 2015
"Der Argumentation, endlich auch im Spitzensport die Gleichberechtigung zu vollziehen und den Anteil der Frauen bei der Olympia-Delegation für Tokyo 2020 auf 50 Prozent zu erhöhen, könnte sich kein Parlamentarier und keine Parlamentarierin widersetzen."

Sorry, aber 45% ist im Bereich der normalen Abweichung - und absolut in Ordnung. Die 'absolute' Gleichberechtigung ist teilweise fast ein Witz, Gleichberechtigung ist es wenn es nicht 50/50 ist, sondern jeder die gleichen Chancen hat.
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Scaros_2
17.08.2016 08:04registriert Juni 2015
Hört mir mit diesem ganzen Gleichberechtigungswahn auf. Diesen gibt es nicht und wird es nie geben. Du kannst doch nicht hingehen und sagen wir haben ein 50/50 M/W und am schluss lässt du paar Männer zuhause weil die eben gut sind?

Wenn du mehr Frauen haben willst oder generell mehr Athleten muss man über die Finanzierung reden. Viele Athleten zahlen Rio aus der eigenen Taschen weil das Sponsoring zu klein ist. Nur sehr wenige Athleten können wirklich vom Sponsoring leben. Viele Arbeiten immer noch einen %-Satz. Auch muss man über förderung nachdenken 2/3 Sportarten packen das - Rest nicht.
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Turi
17.08.2016 08:06registriert März 2016
Spitzensportförderung soll durch Frauenförderung ersetzt werden?
Diese tägliche Dosis feministische Propaganda geht mir auf den Wecker.
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