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754 Tage nach dem Final der Fussball-WM ist Rio de Janeiro wieder im Mittelpunkt der Sportwelt. Für die Olympischen Spiele gibt es kaum eine schönere Kulisse als die «Cidade Maravilhosa«. Die «wunderschöne Stadt», gelegen zwischen Sandstränden, Granitfelsen und Regenwald, wo sich die Natur überall durch den Beton schlängelt. Dabei ist es in Wahrheit eher umgekehrt und die stetig wachsende Stadt frisst sich in die Wälder. Egal, ich möchte mir die Illusion nicht zerstören. Nebensächlichkeiten, die nicht ins Bild passen, widme ich mich nicht weiter. Genau so, wie das Internationale Olympische Komitee.
Die Veranstalter meldeten, dass «nur» noch 1,1 Millionen der insgesamt 6,3 Millionen Tickets zu kaufen seien. 82 Prozent betrage die Auslastung. Doch wenn wir die Wettkämpfe im TV verfolgen, fällt eines auf: gähnende Leere auf den Sitzplätzen. So gestanden die Organisatoren am Sonntag, dass praktisch nur die Eröffnungsfeier ausverkauft war. Beim Damen-Fussballspiel zwischen Schweden und Südafrika beispielsweise verloren sich nur einige hundert Zuschauer im weiten Rund des Olympiastadions João Havelange, das knapp 50'000 Zuschauer fasst. Als offizielle Zuschauerzahl der Partie wurden 13'439 Besucher angegeben, was damit zusammenhing, dass drei Stunden später Gastgeber Brasilien auf China traf.
Als Zuschauer bin auch ich an die Olympischen Spiele in Rio gereist. Schon bei der Eröffnungsfeier auf dem «Boulevard Olympico», im Herzen der Stadt, fällt mir ein «Bschiss» auf. Bei der Bühne müssen vor der Übertragung die Leute hinter dem Moderator zusammenstehen, damit es auf der Leinwand und im TV rappelvoll aussieht:
Zum ersten Mal bröckelt die perfekte Fassade der Spiele. Ansonsten bekomme ich, als einfacher
Besucher, wenig von der unruhigen Lage im Land mit. Wenn, dann sind es Proteste im Kleinen. So wie dieses Mahnmal, welches darauf hinweist, dass In Rio de Janeiro in den ersten vier Monaten des Jahres über 2000 Personen gewaltsam ums Leben kamen:
Doch jetzt will ich die Wettkämpfe live sehen. Obwohl gemäss Mario Andrada, dem Kommunikations-Verantwortlichen der Spiele, über 80 Prozent
der Tickets verkauft sind, bin ich überrascht, wie leicht ich für die meisten Sportarten Karten erhalte.
Entsprechend viele leere Sitze gibt es in den Sportstätten, besonders bei Disziplinen abseits des
Scheinwerferlichts.
So komme ich am Sonntagabend in den Genuss eines packenden Tischtennis-Duells zwischen Timo Boll und dem Russen Alexander Schibajew, das der Deutsche in Extremis für sich entscheiden kann. Sieben umkämpfte Sätze mit Boll, immerhin Fahnenträger der deutschen Olympia-Delegation und ehemalige Weltnummer 1: Für mich als Schönwetter-Pingpong-Spieler ein Highlight.
Nur die beinahe leere Halle ist des Spektakels unwürdig. Immerhin kann ich mich hinsetzen, wo ich will und in der beinahe familiären Atmosphäre auch mal ein paar Worte mit einem französischen Betreuer wechseln.
Die Olympia-Freude lasse ich mir davon nicht verderben. So bin ich beeindruckt, als ich das erste Mal das House of Switzerland besuche. So beeindruckt, dass ich direkt einen gewissen Nationalstolz verspüre. Und was liegt da näher, als sich mit Schweizer Fan-Utensilien einzudecken, damit ich unsere Sportler während den Spielen gebührend unterstützen kann? Zu meiner Enttäuschung muss ich feststellen, dass es leider keine Fanartikel zu kaufen gibt.
Dafür stehen Zahnbürsten einer mir bis anhin unbekannten Schweizer Marke zum Verkauf. Da ich mit meiner jetzigen Zahnbürste aber völlig zufrieden bin, verzichte ich dankend. Dafür greife ich bei einem anderen Angebot zu: eine Wurst mit Bürli. Und tatsächlich, sie schmeckt so lecker wie am «Sächsilüüte». Mit umgerechnet knapp acht Franken ist die Wurst allerdings auch mindestens so teuer.
Bisher sind die Olympischen Spiele für mich eine einzige grosse, glitzernde Show. Ein Disneyland für Sportfans, durch das ich mich mit beinahe kindlicher Freude treiben lasse. Dabei erwische ich mich immer wieder, wie ich die Kontroversen rund um den Anlass vergesse. Beispielsweise, wenn IOC-Präsident Thomas Bach bei der Eröffnung der Spiele erklärt, dass in der olympischen Welt alle gleich seien.
Eine Welt, deren Spiele in einer Stadt stattfinden, in deren die Unterschiede zwischen arm und reich grösser nicht sein könnten. Allen Skandalen zum Trotz, im Kleinen, bei den Begegnungen mit Einheimischen, Fans, Helfern und Sportlern, haben die Spiele für mich nichts von ihrer Faszination eingebüsst.