Weit über 11'000 Athleten aus aller Herren Länder, dazu Trainer, Betreuer, Familienangehörige, Zuschauer, Helfer. Die Olympischen Sommerspiele in Tokio (24. Juli bis 9. August) sind der grösste Sportanlass der Welt. Und als solcher idealer Nährboden für eine Pandemie wie das Coronavirus, die Atemwegserkrankung, die seit Monaten die Schlagzeilen beherrscht.
Zahlreiche Grossanlässe wurden bereits abgesagt, oder auf unbestimmte Zeit verschoben. So zum Beispiel der Formel-1-Grand-Prix in Schanghai, die Leichtathletik-Hallen-WM, oder Weltcup-Anlässe im Sportklettern.
Die bange Frage: Sind auch die Olympischen Spiele gefährdet?
Ja, sagt der Virologe Hitoshi Oshitani von der Tohoku-Universität in der nordjapanischen Metropole Sendai. Er war auch auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, das im Hafen vor Yokohama in Quarantäne gehalten wurde. Und er beriet die Weltgesundheitsorganisation WHO vor knapp 20 Jahren in der Bekämpfung der Atemwegserkrankung Sars. Oshitani sagt, derzeit gebe es keine effektive Strategie gegen das Coronavirus, an dem weltweit mehr als 80'000 Menschen erkrankt, und an dem bisher 2701 Menschen verstorben sind, 38 davon ausserhalb des chinesischen Festlands.
Japan ist nach China, Südkorea und Italien das Land mit den meisten bestätigten Fällen (160). «Im Moment wäre es schwierig, die Olympischen Spiele abzuhalten», sagt Oshitani. Niemand wisse, ob das Virus aufgehalten werden könne und sprach von einem Ratespiel.
Das sorgt auch bei den Olympia-Veranstaltern für Verunsicherung. «Wir sind sehr in Sorge, dass die Ausweitung des Virus wie eine kalte Dusche auf die Spiele wirken könnte», sagt der Geschäftsführer Toshiro Muto. «Es ist wichtig, objektiv zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren.» Der ehemalige japanische Premierminister, Yoshiro Mori, der Präsident des Organisationskomitees, sagte: «Ich bete jeden Tag zu Gott, dass das Virus einfach verschwinden wird.»
Diese Gebete werden unerhört bleiben, das steht jetzt schon fest. Mori macht aber auch klar, dass eine Absage oder eine Verschiebung nicht zur Debatte stünden. Darüber hinaus hüllt man sich in Tokio und beim Olympischen Komitee in Schweigen. Die Einschätzungen der Virologen blieben unkommentiert, ebenso die Frage, ob es eine Alternative zu den Spielen in der japanischen Hauptstadt gebe.
So sehr die Organisatoren sich um Normalität bemüht, das Coronavirus tangiert die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele. Unter Beobachtung stehen diverse Testevents, die in den Monaten vor den Olympischen und den Paralympischen Spielen am Veranstaltungsort abgehalten werden.
Insgesamt 19 solcher Events sind für nächsten Monat geplant. Das erste Abrücken von diesem Vorhaben verkündeten am Donnerstag die Organisatoren der Paralympischen Spiele, die Ende August beginnen sollen: Ein Testevent für Boccia ist für internationale Teilnehmer ausgefallen. Der Tokio-Marathon am 1. März darf dieses Jahr nur für Eliteläufer stattfinden, der Marathon in Nagoya wurde abgesagt. Ebenfalls ins Wasser gefallen ist eine Schulungsveranstaltung für die Olympia-Volunteers, die im Sommer den Grossevent unterstützen sollen.
Auch auf Ralph Stöckli, den Chef de Mission bei Swiss Olympic, kommen damit neue Herausforderungen zu. Seit Samstag und für insgesamt zehn Tage befindet sich der 43-jährige, der 2010 im Curling Olympia-Bronze gewann, in Japan. Es ist sein letzter Besuch in der Metropolregion, in der 38 Millionen Menschen leben. Stöckli und die Logistikverantwortliche bei Swiss Olympic, Susanne Böhlen, besuchen externe Unterkünfte, die sich nicht im Olympischen Dorf befinden, wo 18'000 Betten stehen.
«Und auch das Krisenmanagement wird ein Thema sein», sagt Stöckli. Er und der Schweizer Teamarzt, Patrik Noack, stünden in engem Austausch mit dem Internationalen Olympischen Komitee, aber auch mit dem Bundesamt für Gesundheit BAG. Die Infektionsprophylaxe geniesse auf seinen Reisen nicht nur wegen des Coronavirus hohe Priorität, sondern auch wegen der Grippe. Alleine deshalb, weil in Tokio viele Menschen leben würden.
Zwar sorgte im Umfeld der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro das Zika-Virus für Verunsicherung, doch die Situation heute sie nur bedingt mit jener von damals zu vergleichen. «Beim Coronavirus ist es alleine deshalb diffiziler, weil es sich um ein weltweites Thema handelt, von dem man nicht genau weiss, in welche Richtung es sich entwickelt», sagt Stöckli. Dass die Aussagen der Experten zum Teil widersprüchlich sind, hat auch der Ostschweizer registriert.
Eine Einschätzung der Gefahrenlage sei schwierig. Auf die Frage, wie er mit den Bedenken zur Durchführbarkeit der Olympischen Spiele umgehe, sagt er: «Ich bin kein Virologe und kann das nicht beurteilen. Allerdings dauert es noch rund fünf Monate bis zum Beginn der Spiele. Das ist eine lange Zeit, in der viel passieren kann.»
Besorgte Athleten hätten sich zwar noch nicht bei ihm gemeldet, «aber natürlich kann eine solche Situation für Verunsicherung sorgen.» Auch deshalb wird er den Verbände nach seiner Rückkehr in die Schweiz seine persönlichen Eindrücken schildern. Für die Schweizer Delegation sei die Einschätzung des BAG kurz vor den Spielen entscheidend. Massgebend beim Entscheid zu Massnahmen wie einer Verschiebung oder einer Absage der Spiele bleibt indessen das IOC.
Doch von dieser Seite dürften kaum Konsequenzen zu erwarten sein. Zu viel Geld – gegen 26 Milliarden Dollar –, vor allem aber auch der Stolz einer Nation und ein Stück Identität stehen auf dem Spiel. Die Olympischen Spiele sollen ein Symbol für die Resilienz Japans sein und stehen, neun Jahre nach dem Tsunami und der Nuklearkatastrophe von Fukushima, wo am 23. März auch der Fackellauf beginnt, unter dem Motto: «Hoffnung erhellt unseren Weg.» Doch Hoffnung alleine wird im Kampf gegen das Coronavirus nicht ausreichen.
am besten alle events überhaupt absagen und einfach mal bis ende jahr chillen. täte so einigen mal gut