In der so farbigen und lauten Darts-Welt ist der neue Weltmeister fast so etwas wie eine graue Maus. Luke Humphries hat keinen Bierbauch, den so viele seiner Konkurrenten in teilweise etwas zu engen Shirts präsentieren. Er hat nicht die Extravaganz von Peter «Snakebite» Wright, nicht die zelebrierte Arroganz von Michael «Mighty Mike» van Gerwen.
Das war bei «Cool Hand Luke» aber nicht immer so – zumindest der erste Teil. In seinen ersten Jahren als Profi ist auch Humphries dicker. Seit 2021 achtet er aber besser auf seine Gesundheit und nimmt insgesamt 25 Kilo ab. «Ich habe hart gearbeitet, um die beste Version meiner selbst zu sein», sagte der Engländer. Dabei ging es ihm aber nicht nur um die physische, sondern auch die mentale Gesundheit.
2019 hängte der gestern frisch gekrönte Weltmeister nach einer Niederlage gegen James Wade beinahe die Pfeile an den Nagel. Denn auf den grössten Darts-Bühnen der Welt kämpft Humphries regelmässig mit Panik-Attacken. «Es gab Zeiten, in denen ich echt depressiv war», gibt der 28-Jährige nach dem grössten Erfolg seiner Karriere zu.
Zwischenzeitlich sucht Humphries gar Hilfe von einem Kardiologen, weil er nicht sicher ist, woher das Herzrasen kommt. Doch bald ist klar, dass es eine mentale Sache ist. Darum entschliesst der Engländer, ganz grundsätzlich gesünder zu leben. «Gesunder Körper, gesunder Kopf», sagt Humphries. Er glaube nicht, dass er jetzt so erfolgreich wäre, wäre er noch sein altes Ich.
Nachdem er die eigene Gesundheit in den Griff gekriegt hat, folgt der grosse Durchbruch. 2023 gewinnt er drei Major-Titel und steigt so auch als Topfavorit in die Weltmeisterschaft ein. Das Resultat von Jahren harter Arbeit, wie «Cool Hand Luke» betont. Dass es nun tatsächlich mit dem WM-Titel geklappt habe, mache ihn stolz: «Ich kann es nicht in Worte fassen, wie gut sich das anfühlt. Es ist alles, wovon ich jemals geträumt habe.»
Dass er im Vergleich zu seiner Konkurrenz wenig auffällt und kaum Ecken und Kanten hat, stört Humphries nicht. «Wenn ich etwas langweilig sein muss, um zu gewinnen, dann habe ich kein Problem damit», sagte der Engländer Ende Jahr. Es sei eine bewusste Entscheidung, dass er beispielsweise nicht übertrieben juble auf der Bühne, damit das Adrenalin nicht zu stark pumpe. «Die Nervosität, die manche Spieler verspüren, schleicht sich nicht in mein Spiel ein», erklärt Humphries.
Statt als langweilig könnte man den neuen Weltmeister aber auch als professionell und bodenständig bezeichnen. Im Moment seines grössten Triumphs rühmt Humphries seinen jungen Gegner und denkt zuerst an seine Familie. Der 28-Jährige widmet den Titel seinem Vater: «Er ist mein Fels in der Brandung. Er hat sehr viel geopfert, um mich an diesen Punkt zu bringen.»
Trotz seiner Bescheidenheit steckt sich «Cool Hand Luke» auch gleich die nächsten hohen Ziele. Es gehe nun darum, neue Motivation zu finden: «Jetzt will ich nicht nur Weltmeister, sondern Doppelweltmeister werden und viele Majors gewinnen.»