Den Status des Alexandra Palace in London hat die Basler St.Jakobhalle in der Welt des Darts noch nicht. Aber in ihr treten übers Wochenende die gleichen Spieler an, die jeweils zum Jahreswechsel um den WM-Titel werfen. Erstmals überhaupt findet ein Turnier der PDC Europe in der Schweiz statt – ein Zeichen dafür, dass sich der Präzisionssport hierzulande im Aufwind befindet.
«Die Vorfreude ist sehr gross», meint Andy Infanger, der Vize-Präsident der Swiss Darts Association. «Nur schon wenn man sich anschaut, wie schnell die Tickets für diesen Event vergriffen waren, kann man sich ein Bild davon machen, wie sehr Schweizerinnen und Schweizer diesem Anlass entgegenfiebern.» Mehr als 20'000 Zuschauende werden, auf sechs Sessions verteilt, erwartet. Die Hoffnung des Verbands ist es, dass das Turnier der Szene einen weiteren kleinen Schub verleihen kann. «Das Grösste wäre natürlich ein Schweizer, welcher ganz vorne mitmischt», sagt Infanger.
Stefan Bellmont ist das Aushängeschild der hiesigen Szene. Der 35-jährige Zuger konnte auf internationaler Ebene bislang die grössten Erfolge eines Schweizers feiern, in der PDC Order of Merit belegt er Rang 121. In Basel bestreitet Bellmont heute Abend die nationale Ausscheidung, an der vier Tickets für das PDC-Turnier vergeben werden. Seine Chancen sind gut, aber Überraschungen sind im Darts an der Tagesordnung – im Guten wie im Schlechten.
Wie nahe er selber an der Weltspitze dran ist, konnte Bellmont im Frühling selber feststellen. Da warf er an einem Turnier nacheinander die Ex-Weltmeister Michael Smith und Rob Cross raus. «Solche Siege sind natürlich gut fürs Selbstvertrauen. Sie machen dich stärker», betont Bellmont im Gespräch mit watson. Im Darts spielt sich vieles zwischen den Ohren ab. Deshalb setzt der Zuger schon seit einigen Jahren auch auf Mentaltraining.
Spieler der zweiten Garde profitieren nur schon von der Gelegenheit, gegen die Weltbesten antreten zu dürfen, weil es danach mit jedem Mal normaler wird. «Zwei Wochen vor meinem Sieg durfte ich schon einmal gegen Michael Smith spielen. Ich war wahnsinnig nervös, hatte riesige Freude, gegen ihn antreten zu dürfen und ging gnadenlos 0:6 unter.» Im nächsten Vergleich kam Bellmont seinem besten Level nahe, Smith dagegen zeigte keine Glanzleistung, und so gelang dem Aussenseiter der Coup.
Erfolge wie dieser treiben Stefan Bellmont an, noch mehr in seine Leidenschaft zu investieren. Über die Sommer-Monate hat er in Cham sein eigenes Lokal aufgebaut, vor einigen Wochen eröffnete Belli's Darts House. Angeboten werden auf 180 Quadratmetern Steeldarts und E-Darts, dazu kommt eine kleine Bar. «Das ist jetzt mein Job, ich versuche mich selbständig zu machen. Und ich habe damit nun den Vorteil, zwischen Arbeitsstelle und Training nicht pendeln zu müssen.»
Mit den neuen Möglichkeiten möchte der Rechtshänder seine Trainingsstunden verdoppeln, von vorher rund zwei Stunden am Tag auf vier bis fünf. Übung macht den Meister. Pfeil um Pfeil um Pfeil wirft «Belli» aus einer Entfernung von 2,37 m auf die Scheibe.
Gegen die Monotonie helfen diverse Varianten des Spiels. «Ich bin nicht der Typ, der vor allem 501 rückwärts spielt. Ich versuche, Abwechslung ins Training zu bringen, etwa indem ich dreistellige Checkouts schaffen will.» Jedes Spiel muss mit einem Wurf auf ein Doppelfeld oder ins Bull's Eye abgeschlossen werden. «Triple is funny, double makes the money» lautet ein geflügeltes Darts-Wort: Die Triple-Felder zu treffen macht Spass, aber Kohle gibt es für den Sieg und der führt über die Doppel.
Noch spielt Stefan Bellmont, der am Board als eher ruhiger Zeitgenosse gilt, in erster Linie aus Freude. Aber sein Traum ist es, eines Tages vom Darts leben zu können. «Das ist noch weit, weit weg, aber vielleicht klappt es irgendwann einmal.»
«Stefan arbeitet seit vielen Jahren hart für diesen Erfolg. Sein Beispiel zeigt aber auch, wie schwierig es ist, in der Top-Liga Fuss zu fassen», konstatiert Andy Infanger vom Schweizer Verband. «Wer 100 Prozent arbeitet, hat keine Chance, auch noch an all die Turniere zu gehen, die nötig sind, um Erfahrung zu sammeln und Geld zu verdienen. Um die wichtigen Trainingsstunden aufbringen zu können, braucht es entweder einen Teilzeitjob – was ohne Sponsoren wiederum finanzielle Einbussen bedeutet – oder einen sehr netten Arbeitgeber, welcher einem die nötige Zeit zur Verfügung stellt.»
Die Schweizer Darts-Szene sei in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen, stellt Infanger erfreut fest. Vor allem nach der PDC-WM im Januar würden jeweils viele Vereine einen Zuwachs verzeichnen. «Auch der kometenhafte Aufstieg von Luke Littler hat gezeigt, was im Darts alles möglich ist.» Der Engländer stürmte vor einem knappen Jahr als 16-Jähriger bis in den WM-Final.
Mit Thomas Junghans verfügt die Schweiz über einen weiteren Spieler, der international erfolgreich unterwegs ist. Im vergangenen Jahr konnte er sich als erster Schweizer überhaupt für die WM des Verbands WDF qualifizieren. Junghans schaffte es auf Anhieb in die dritte Runde, in der er dem späteren Finalisten Chris Landman aus den Niederlanden unterlag.
Stefan Bellmonts vorrangiges Ziel, und ein Schritt zum Profitum hin, ist die Q-School im Januar. Dort werden die Tour-Cards vergeben, die Inhaber während zwei Jahren berechtigen, auf der grossen PDC-Tour mitzuspielen.
Und das grösste Turnier überhaupt? Für die nächste WM, die am 15. Dezember beginnt, sind die Chancen auf eine Teilnahme vorhanden, aber gering: An einem Qualifikationsturnier gibt es ein letztes Ticket zu gewinnen. Im Vorjahr war der Zuger nahe dran, er schaffte es bei 100 Teilnehmern bis in den Halbfinal.
Vielleicht geht es dieses Mal noch besser und Stefan Bellmont kann sich seinen grossen Traum erfüllen: einmal an der WM im «Ally Pally» zu spielen. Doch zunächst heisst die Bühne St.Jakobshalle.