Darts-Karriere als Risiko – so schwierig ist es, sich in der Weltspitze zu etablieren
An diesem Wochenende ist die farbenfrohe Darts-Welt wieder zu Gast in der Schweiz. Ab heute Freitag bis Sonntagabend duellieren sich die weltbesten Pfeilwerfer in der Basler St. Jakobshalle. Mit dabei ist dann auch Niko Springer, der deutsche Shootingstar, dem am letzten Wochenende in Budapest sein erster Turniersieg auf PDC-Stufe gelang. Dabei schlug er mehrere Top-10-Spieler, darunter die Weltnummer 1 Luke Humphries.
Wirklich verarbeiten konnte der 25-jährige Mainzer diesen Sieg noch nicht. «Ich habe so viele Nachrichten bekommen, was mich ein Stück weit überfordert hat, weil der Erfolg so unerwartet kam», sagt Springer zwischen den Turnieren in Ungarns Hauptstadt und in Basel zu watson. Nicht einmal richtig feiern konnte der grosse Fussballfan seines Heimatklubs den Titel, wie er sagt.
Die Tour Card ist auch mit Risiko verbunden
Springer verfügt seit diesem Jahr über die Tour Card, die er sich über die Development Tour (für 16- bis 24-Jährige) erspielt hat und die ihm während mindestens zwei Jahren erlaubt, an den Turnieren der PDC Pro Tour teilzunehmen. Dadurch konnte er seinen Job als Kostenbeamter bei einem Landgericht des Bundeslands Hessen aufgeben, seit August konzentriert er sich nun voll auf seine Karriere als Darts-Profi. Die Entscheidung sei ihm alles andere als leichtgefallen. «Ich hatte einen guten und sehr sicheren Job und habe mich da wohlgefühlt. Mir ist Sicherheit enorm wichtig, im Sport ist aber alles risikobehafteter», sagt Springer und ergänzt: «Wenn es mal nicht so gut läuft und das Preisgeld nicht kommt, wird es schwieriger. Deshalb habe ich mich lange davor gedrückt.»
Erst nach Gesprächen mit seinem Umfeld und der Zusicherung des Arbeitgebers, dass er jederzeit in den Job zurückkehren könne, schmiss sich Springer ins Abenteuer Profikarriere. Dieses Privileg haben im Darts trotz des anhaltenden Hypes nicht viele. Auch der 25-Jährige, der seinen sportlichen Weg behutsam und Schritt für Schritt von regionalen über nationale und dann bis internationale Turniere geplant hat, sagt: «Es ist extrem schwierig, sich in der PDC dauerhaft festzusetzen.» Das Niveau steige extrem, was man an den jungen Spielern wie Weltmeister Luke Littler (18 Jahre), Josh Rock (24) oder Gian van Veen (23) sehen könne. «Man merkt ihnen die Gier nach Erfolg sehr stark an, sie sind bissig und zielorientiert. In der Zukunft wird es noch intensiver», ist sich Springer sicher.
Den gleichen Weg wie der Deutsche würde auch Stefan Bellmont gerne gehen. Der 36-jährige Zuger verpasste die Tour Card im Januar bei der Q-School erneut. Derzeit befindet er sich aber auf Kurs. In der Preisgeldrangliste der Challenge Tour – eine weitere Möglichkeit, sich die Teilnahmeberechtigung für die PDC Pro Tour zu sichern – ist er derzeit auf Platz zwei. Am letzten Oktoberwochenende stehen noch die verbleibenden vier Turniere auf dem Programm. Um die Tour Card zu erlangen, muss er den zweiten Platz verteidigen, für die WM-Qualifikation reicht auch Platz vier.
Im Free-TV werden die Spiele dieses Mal nicht übertragen, alle Sessions sind aber bei DAZN
zu sehen und können bei Pluto TV kostenlos gestreamt werden.
Lieber die Tour Card oder die WM-Teilnahme?
Bellmont qualifizierte sich im letzten Jahr als erster Schweizer für die Darts-Weltmeisterschaft im Alexandra Palace in London. Es sei trotz des Erstrundenaus gegen Jermaine Wattimena eine unglaubliche Erfahrung gewesen, schwärmt «Belli» im Gespräch mit watson. «Schon als ich von der Bühne zurück zu meinen Leuten gelaufen bin, habe ich mir gesagt: ‹Da hoch will ich wieder.›» Wenn er sich zwischen der Tour Card und der WM-Teilnahme entscheiden müsste, würde er aber wohl trotzdem erstere wählen, sagt er: «Für den weiteren Karriereverlauf wäre es mir lieber. Aber ich kann die Frage nicht genau beantworten.» Zum guten Glück wäre das Erreichen der Tour Card für ihn automatisch auch mit der Qualifikation für den «Ally Pally» verbunden.
«Ich habe gezeigt, dass ich das schaffen kann», zeigt sich Bellmont zuversichtlich. Gleichzeitig weiss er aber wie Springer, dass es «wahnsinnig schwierig» sei, sich in der Darts-Elite festzusetzen. Gerade die Breite sei viel grösser geworden, sagt Bellmont und fügt an: «Man muss einen 90-Punkte-Schnitt spielen, um nur schon eine Chance zu haben, an die Tour Card zu kommen.» Auch Glück spiele eine Rolle, wie beispielsweise bei der Auslosung der Turniere, bei denen jede Runde zählt. Bellmont ist da aber pragmatisch: «Es gleicht sich immer aus.»
Der Traum vom Profi-Dasein ist für Bellmont noch weit weg
Weil der 36-Jährige in Cham sein eigenes Darts-Lokal führt, kann er seine beiden Berufe gut verbinden. Sollte es mit der Tour Card tatsächlich klappen, würde Bellmont auch gerne Profi werden. Doch sieht er sich davon noch weit entfernt. «Selbst mit der Tour Card ist nicht garantiert, dass das Geld reinkommt», so die Nummer 121 der Preisgeldrangliste der PDC, «es ist ein schmaler Grat, da man sie auch schnell wieder verlieren könnte.»
Springer, der diesen Schritt bereits gemacht hat, berichtet, wie sich sein Alltag verändert hat: «Es ist deutlich weniger Stress, da der Arbeitsweg von täglich zweimal einer Stunde wegfällt und ich so mehr Zeit fürs Training habe.» Noch konnte er aufgrund der vielen Turniere aber keine richtige Routine entwickeln, habe sich aber vorgenommen, «vormittags deutlich mehr zu machen. Sowohl körperliches Training als auch an der Scheibe, um die Zeit intensiv zu nutzen».
Zusätzlichen Druck empfinde der «Meenzer Bub», der noch immer regelmässig ins Fussballstadion geht, ohne den gesicherten Lohn nicht. «Ich spare relativ viel von dem, was ich einspiele», berichtet Springer, der in seiner ganzen Karriere schon rund 140'000 Franken Preisgeld gewann, «so konnte ich mir einen gewissen Rückhalt schaffen, wenn es mal nicht so gut laufen sollte oder ich mich verletze.» Helfen wird ihm dabei auch, dass er sich bereits zum zweiten Mal für die WM qualifiziert hat, wo durch die Vergrösserung auf 128 Teilnehmende auch das Preisgeld anstieg und nun schon gut 16'000 Franken als Antrittsgage bezahlt werden.
WM-Revanche in Basel?
Bellmont hat diese noch nicht auf sicher. Bevor es Ende Oktober in England aber um die Tour Card und die WM-Qualifikation geht, will Bellmont erst einmal in Basel überzeugen. «Die Vorfreude ist riesig. Es ist nicht selbstverständlich, ein so grosses Turnier in der Schweiz zu haben», sagt Belli. Es sei auch ein Zeichen für den Darts-Boom, der auch die Schweiz erfasst hat. «Es ist schön zu sehen, wie die Darts-Szene wächst.» Auch hierzulande habe sich das Niveau dadurch deutlich gesteigert, immer mehr Schweizer spielen bei der Q-School und internationalen Turnieren auf Stufen unterhalb der PDC. «Dennoch ist es noch nicht mit dem internationalen Level zu vergleichen», findet Bellmont.
Bei der Premiere in Basel im letzten Jahr scheiterte Bellmont noch in der Qualifikation. Damals verfolgte er das Turnier dann als Fan. «Es hat schon an mir genagt, aber die Freude ist dann auch bei mir angekommen und ich habe die Stimmung in der Halle aufgesaugt und es genossen, den Schweizern zuzuschauen und sie zu unterstützen. Das hat Spass gemacht», sagt Bellmont. Dieses Mal schaffte er die Qualifikation aber souverän, in der ersten Runde kommt es am Freitagabend zur WM-Revanche gegen Jermaine Wattimena. Direkt vor ihm spielt Niko Springer, mit dem sich der Schweizer gut versteht, ebenfalls gegen einen Niederländer, nämlich Richard Veenstra.