Bereits vor der letzten Saison war klar, dass Roger Rönnberg neuer Trainer werden wird. Und weil bei Gottéron nichts so ist wie an anderen Orten, war die Saison des Wartens auf den neuen Trainer eine turbulente und überaus erfolgreiche. Wie allseits erwartet, ist Trainer Patrick Emond spät, aber nicht zu spät am 22. Dezember vor dem Spengler Cup gefeuert und durch Lars Leuenberger ersetzt worden.
Gottéron reiste als 11. der Qualifikation zum Spengler Cup, gewann das Turnier, rockte im neuen Jahr die Liga, stürmte auf Rang 6 direkt in die Playoffs, eliminierte im Viertelfinal den SCB in 7 Spielen und wurde erst im Halbfinal von Lausanne gestoppt. Nun überlässt Erfolgstrainer Lars Leuenberger den Platz an der Bande dem neuen Trainer und dient ihm als Assistent.
Wie gut ist Gottéron tatsächlich? War die Krise im Herbst nur dem Trainer geschuldet und haben wir in der zweiten Saisonhälfte das wahre Gottéron gesehen? Oder wird Gottéron nach dieser zweiten Saisonhälfte überschätzt? Die Optimisten erwarten durch den „Kaisertransfer“ Andrea Glauser eine weitere Steigerung. Und von Zug kommen mit Attilio Biasca und Ludvig Johnseon zwei der besten jungen Schweizer Spieler. Und wiederum Optimisten stellen hoffnungsvoll die Frage: Kann Gottéron nun endlich die letzte Meile zum ersten Titel gehen? Wahrscheinlich noch nicht. Aber wenn das Spektakel nach dem taktischen Drehbuch des neuen schwedischen Trainers aufgeführt wird – er setzt wie noch kein Trainer in Gottérons Geschichte auf Tempo-Hockey –, dann ist ein Spitzenplatz möglich. Und die Unterhaltung wird sowieso grandios.
Auf einer Skala von 1 bis 10 Pucks.
Roger Rönnberg ist nach Bengt Ohlson 1987/88 vor Saisonende gefeuert) und Kjell Larsson (1995 bis zu seiner Entlassung am 3. Oktober 1997) erst der dritte und mit grossem Abstand berühmteste schwedische Bandengeneral in der Geschichte Gottérons. Zweimal hat es nicht funktioniert. Doch das Schicksal seiner Vorgänger im letzten Jahrhundert taugt höchstens noch als Aberglaube.
Roger Rönnberg gehört zu den Titanen im europäischen Trainerbusiness. Weltmeister mit Schwedens U20-Junioren und in 12 Jahren gewann er mit Frölunda zwei Titel und viermal die Champions League. Er war Europas Trainer des Jahres und gilt als exzellenter Entwickler junger Spieler. Gottéron unterstreicht die Wertschätzung mit einem Dreijahresvertrag bis 2028. Und als Assistent dient ihm mit Lars Leuenberger einer der Grossen der helvetischen Trainerbranche: Meister mit dem SCB 2016, Spengler Cup-Sieger mit Gottéron 2024. Von so ruhmreichen Bandengenerälen ist Gottéron in seiner ganzen Geschichte noch nie kommandiert worden.
Rönnberg gilt einerseits als strenger Taktik-Lehrmeister (was eigentlich langweiliges Schablonen-Hockey bedeuten würde). Aber er setzt auf Tempo, Tempo, Tempo. Gottéron ist zwar noch nie Meister geworden, hat aber nun so viel meisterlichen Ruhm an der Bande wie noch nie. Obwohl bei Gottéron alles anders ist: Zumindest in seiner ersten Saison gibt es für Roger Rönnberg und Lars Leuenberger kein Entlassungsrisiko.
Reto Berra wird im Januar zwar schon 39. Aber nichts spricht gegen eine Fortsetzung seines goldenen Karriereherbsts. Er war letzte Saison einer der besten Torhüter der Liga und wird es auch in der neuen Saison sein. Im nächsten Sommer kehrt er mit einem Zweijahresvertrag mit Kloten ins Züribiet zurück, dorthin, wo seine Karriere einst begonnen hat. Frei von Sorgen um seine Zukunft ist Reto Berra in seiner 9. Saison für Gottéron gut genug, um ein Meistergoalie zu sein. Die Maximalnote gibt es nicht, weil die Abhängigkeit von ihm gross ist. Eine Nummer zwei, die ihn über eine längere Zeit ersetzen könnte, hat Gottéron nicht.
Gottéron war defensiv die Nummer 4 der Liga und defensiv stabiler als erwartet. Nun kommt mit Andrea Glauser aus Lausanne ein charismatischer Verteidigungsminister mit Schweizer Pass und mit Ludvig Johnson aus Zug einer der besten jungen Verteidiger. Die Abgänge von Rafael Diaz, Dave Sutter und Mauro Dufner müssten eigentlich kompensiert sein. Zudem darf erwartet werden, dass die Abwehr unter einem schwedischen Bandengeneral noch stabiler sein wird.
Mit 130 Toren war Gottéron letzte Saison offensiv nur die Nummer 12 und der Rückgang um 43 Tore gegenüber dem Vorjahr war ein dramatischer, der womöglich die Finalteilnahme gekostet hat. Diese offensive Schwäche dürfte in erster Linie den chaotischen Verhältnissen zwischen September und Dezember geschuldet sein und ist mit zwei Stürmern (Sandro Schmid, Christoph Bertschy) im WM-Silberteam umso erstaunlicher. Eine Steigerung um 40 Tore darf mit dem Tempohockey unter dem neuen schwedischen Trainer erwartet werden.
Wer die Geschichte Gottérons nicht kennt, neigt dazu, die Arbeit von Präsident Hubert Waeber (mit dem künftigen Goalie Ludovic Waeber nicht verwandt) zu unterschätzen. Gottéron war seit dem Aufstieg von 1980 in die höchste Liga und ins Big Business unseres Hockeys wirtschaftlich nie stabil, schrammte mehrmals knapp am Konkurs vorbei und die Emotionen gingen in den Büros der Präsidenten und Verwaltungsräte oft noch höher als auf dem Eis und in der Arena. Erst Hubert Waeber ist es nach seiner Amtsübernahme im Sommer 2019 gelungen, Gottéron in allen Bereichen zu stabilisieren, die Arena zu erneuern, und in den letzten zwei Jahren war auch ohne Meistertitel oder Finalteilnahme jedes Heimspiel ausverkauft. Mehr geht nicht und es wäre nachgerade boshaft, die Maximalnote zu verweigern.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
War es je so schwierig Mannschaften einzuschätzen wie vor der Saison 2025/26? Nein, wahrscheinlich nicht. Wir wissen zwar aus Erfahrung, dass es mindestens eine Überraschungs-Mannschaft und einen strauchelnden Titanen geben wird. Aber wer wird positiv überraschen? Langnau? Ambri? Ajoie? Und wer gerät in den Strudel einer Krise? Erneut der Servette? Aber vielleicht helfen ja unsere Noten bei der Einschätzung.
Statistiken sagen viel. Aber alle haben sie. Gibt es mehr als nur diese allgemein zugänglichen Zahlen? Ja. Eine Bewertung jedes einzelnen Spielers. Deshalb benoten wir jeden unserer Helden des rutschigen, eisigen Spielfeldes. Wir polemisieren damit sozusagen nach Noten. Aber leicht machen wir uns die Sache nicht. Unsere Noten basieren bei Weitem nicht nur auf unserem unzulänglichen Urteilsvermögen. Wir folgen auch den Einschätzungen der wahren Kenner, der Trainer, Sportchefs, NHL-Scouts. Und ein Problem können wir nicht lösen: Alle Beurteilungen basieren auf den Leistungen in der Vergangenheit. Was einer in Zukunft leisten wird, bleibt reine Spekulation.
Wenn wir wissen wollen, wie gut eine Mannschaft ist bzw. sein wird, können wir einfach den Noten-Durchschnitt ausrechnen. Oder? Aber so einfach ist es leider nicht. Ob aus hochkarätigen Spielern mit hohen Noten tatsächlich eine starke Mannschaft wird, ist nämlich höchst ungewiss. Es ist keineswegs sicher, dass eine Mannschaft tatsächlich so gut spielt, wie sie es aufgrund der Bewertung der einzelnen Spieler eigentlich müsste. Das zeigt auch, welche Gestaltungskraft gute Trainer haben. Sie können mehr aus einem Team herausholen, als unsere Noten vermuten lassen. Unsere Noten sagen letztlich noch nichts über die Mannschaft. Wer sich bei den Prognosen trotzdem auf diese Noten verlässt, ist selbst schuld.
Unter der neuen sportlichen Direktion wird der «Zirkus Gottéron» um mindestens einen Rang besser sein als im Vorjahr. Alles andere wäre eine leise Enttäuschung.