Die Story klingt natürlich gut. Triathletin Imogen Simmonds begründet einen positiven Dopingtest mit dem Austausch von Körperflüssigkeiten. Ob die Story wahr ist, weiss nur die Schweizerin selbst.
Im Labor wurde ein Abbauprodukt von Ligandrol gefunden, einem Mittel, das Muskelaufbau und Knochendichte fördert. Simmonds verglich die in ihrem Urin festgestellte Menge mit einer Prise Salz in einem 50-Meter-Schwimmbecken.
Nun musst du dich auf viele Nullen einstellen. Denn die Ligandrol-Menge bewegt sich nach Angaben der Triathletin im Pikogramm-Bereich.
Pikogramm? Das ist ein Billionstel Gramm. Also 0,000000000001 Gramm.
So genau kann man mittlerweile messen und das wurde in der jüngeren Vergangenheit auch dem Mountainbiker Mathias Flückiger (mittlerweile freigesprochen) oder den Tennisspielern Jannik Sinner und Iga Swiatek zum Verhängnis. Auch bei ihnen fand man Spuren einer verbotenen Substanz im Pikogramm-Bereich.
Zum Vergleich: Ein Sandkorn ist 200 Mikrogramm schwer, diese 0,0002 Gramm sind gegenüber einem Pikogramm demnach ein monströser Felsbrocken.
Im Fall von Jannik Sinner, der aktuellen Weltnummer 1, kam es zunächst zu einem Freispruch, den die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) anfocht. Noch bevor es zu einem Gerichtsurteil kam, einigten sich die Parteien auf eine Sperre von drei Monaten.
Ross Wenzel, Leiter der Rechtsangelegenheiten bei der WADA, sagte gegenüber der BBC: «Dieser Fall war Millionen Meilen entfernt von Doping.» Das wissenschaftliche Feedback, das die WADA erhalten habe, zeige, dass es sich nicht um einen Fall von absichtlichem Doping – einschliesslich Mikrodosierung – handeln könne.
Sinner hatte zwei positive Dopingproben mit einer Massage begründet. Sein Physiotherapeut habe eine Schnittverletzung am Finger mit einem Spray behandelt, das Clostebol enthält, ein anaboles Steroidhormon, das das Muskelwachstum anregt. Bei der Massage sei das Mittel über den Hautkontakt in seinen Körper gelangt, so der Italiener.
Der deutsche Doping-Experte Hajo Seppelt wies schon vor drei Jahren nach, dass Doping mittels Hautkontakt übertragen werden kann.
Ähnlich erklärt Imogen Simmonds ihre positive Probe. Ihr langjähriger Partner habe, ohne es ihr zu sagen, Ligandrol eingenommen. Eine Haarprobe habe gezeigt, dass sie selber das Mittel nicht eingenommen habe. Sie sei sechs Tage vor und 22 Tage nach der positiven Probe jeweils negativ getestet worden, schreibt die Triathletin weiter. Gemeinsam mit ihren Anwälten kam sie zum Schluss, dass das Ligandrol durch den Austausch von Körperflüssigkeiten weitergegeben wurde. «Wir waren am Tag der Kontrolle und auch am Tag davor intim.»
Dass Profisportler über sehr private Dinge Auskunft geben müssen, erfuhr einst auch Richard Gasquet. Das französische Tennis-Ass flog mit einem positiven Kokaintest auf und sagte, er habe an einer Party mit einer ihm vorher unbekannten Frau geknutscht, die offenbar gekokst habe. Weil Gasquet seine Unschuld belegen konnte, wurde seine Sperre von einem Jahr auf zweieinhalb Monate reduziert.
Fälle könnten sich häufen, in denen Sportlerinnen und Sportler zu Unrecht des Dopingmissbrauchs beschuldigt werden. Natürlich ist der Profisport keine heile Welt. Aber jede Athletin und jeder Athlet verdient eine faire Behandlung. Wenn Analysen nun immer genauer werden und Kontaminationen über Körperkontakt möglich sind, ist man versucht zu fragen: Werden die Analysen zu genau?
In diese Richtung geht ein Vorstoss der schwedischen Anti-Doping-Behörde (ADSE), über den die NZZ kürzlich berichtete. Sie reichte bei der WADA ein, dass Labore künftig nur noch dann einen Befund melden sollen, wenn dieser im Nanogramm-Bereich liegt. Würden nur Pikogramm eines Wirkstoffs gefunden, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um unbeabsichtigtes Doping durch eine Kontamination handle.
Ernst König sieht den Vorstoss der schwedischen Kollegen kritisch. Der Direktor von Swiss Sport Integrity (SSI) sagte der Zeitung, man würde dadurch den wissenschaftlichen Fortschritt zunichtemachen. «Es ist wichtig, bei geringen Konzentrationen sehr genau hinzuschauen.» Es werde immer gezielter mit Mikrodosierungen gearbeitet.
Imogen Simmonds, die Ironman-Europameisterin des Jahres 2019, spricht von einem Albtraum. Es breche ihr das Herz, dass ihr Name nun mit einer verbotenen Substanz in Verbindung gebracht werde, denn sie nehme ihre Anti-Doping-Verpflichtungen sehr ernst und glaube fest an einen sauberen Sport.
«Ich bin nicht die erste Sportlerin, der das passiert ist, und wahrscheinlich werde ich auch nicht die letzte sein. Deshalb hoffe ich, dass meine Geschichte dazu beitragen kann, das Bewusstsein für diese Form der Kontamination zu schärfen.»
Flückiger war meilenweit weg von der Untergrenze - Es hätte niemals an die Öffendlichkeit gelangen dürfen. Auch bei andern Athlet/innen ist es anscheinend nun das Problem der zu genauen messung. Untergrenze ist Untergrenze - was darunter liegt darf nicht geahndt werden.
Altonen, bei welchem klar das Kokain festgestellt wurde, wird nur 1 Monat gesperrt - WTF?!