Man kann nicht behaupten, dass die WM-Biathletinnen und -Biathleten vor Angst erstarren, wenn sie Molly sehen. «Hi Molly», rufen sie und streicheln sie. Sie machen Selfies mit der Hündin und säuseln «cute!», in verschiedensten Englischakzenten. Molly zu knuddeln, gefällt den Athletinnen – und sie machen sich gleichzeitig noch gänzlich unverdächtig.
Denn Molly, ein zehnjähriger Springer Spaniel, riecht Dopingmittel. In Taschen, Containern, aber auch am Körper von Athletinnen oder Athleten. Zusammen mit ihrer Halterin, der schwedischen Dopingkontrolleurin Joanna Sjöö, ist die Hündin in allen Ecken des Geländes unterwegs und versucht, Dopingsündern auf die Schliche zu kommen. Was wie ein Witz tönt, ist eine ernste Sache. Auftraggeberin von Molly und ihrer Halterin ist die Biathlon Integrity Unit (BIU), die mit Präventionsarbeit und Kontrollen für sauberen Biathlonsport arbeitet.
Auf die Frage, ob es sich nicht vor allem um eine PR-Aktion handelt, sagt BIU-Vertreter Jeremy Hope: «Auf keinen Fall – wobei man schon sagen kann, dass Molly gleichzeitig sehr gute PR-Arbeit macht.» Die Sichtbarkeit der BIU im Biathlon-Weltcup werde deutlich erhöht. Und so auch die Sensibilität für das Thema Doping. Zudem sei Molly ein «Eisbrecher», erklärt Joanna Sjöö. Viele Gespräche mit Athletinnen und Athleten kommen dank Molly zustande. Gespräche, in denen es dann eben auch um Doping und Prävention geht.
Molly könne aber auch ganz handfest helfen, sagt Sjöö. Die Hündin habe schon öfters Hinweise geben können, die letztlich zu einer Überführung eines Athleten oder einer Athletin geführt hätten, in verschiedenen Sportarten.
Die Frage, ob auch im Biathlonsport dank Molly schon Dopingsünder überführt wurden, beantwortet Hope nicht, hier seien Seriosität und Geheimhaltung wichtig. Was er aber sagt: «Molly findet immer etwas.» Das müsse nicht immer eine dramatische Geschichte sein. «Sie zeigt Dinge an, wir gehen ihnen nach, oft stellen sich die Hinweise als harmlos heraus.» Manchmal aber ergebe sich über Tage oder gar Jahre ein Bild, dem man nachgehen könne. Als «Puzzle» bezeichnet Sjöö die Arbeit mit Molly.
Seit sieben Jahren ist Molly an verschiedensten Sportanlässen unterwegs, oft in Schweden, oft aber auch an internationalen Anlässen wie eben Biathlon-Wettkämpfen. Die schwedische Anti-Dopingagentur hat das Projekt ins Leben gerufen. Molly wurde als Polizei- und Zollhund ausgebildet. Dann wurde sie früh auf das Aufspüren von anabolen Steroiden, synthetischem Testosteron und vielen anderen Doping-Präparaten spezialisiert. Die Duftpalette des Hundes werde aber ständig erweitert. In welche Richtung, wird nicht verraten. «Die Athleten sollen ruhig im Dunkeln bleiben, was Molly alles riechen kann», sagt der Brite Hope.
Nun ist aber davon auszugehen, dass Sportler oder Betreuer nicht so leichtfertig sind, allfällige Dopingmittel mit ins WM-Gelände zu nehmen. Es komme aber eben dennoch vor, dass Molly kleinste Duftspuren an Textilien oder am Körper feststellen könne, sagt Joanna Sjöö. Wittert die Hündin Verdacht, gebe sie diesen sehr dezent weiter. «Mit kleinen Zeichen, die nur ich verstehe.» Die Informationen gehen an die BIU. Doch erst wenn das Puzzle langsam ein klareres Bild ergebe, werde eine Untersuchung in Betracht gezogen, sagt Hope.
Die Sache mit Molly tönt so raffiniert, dass sich fragt, weshalb in der Antidoping-Welt nicht mehr Dopinghunde im Einsatz sind. «Leider gibt es wenige so gute Hunde, viele gehen direkt zur Polizei oder zum Zoll. Auch wir hätten gerne mehr», sagt Joanna Sjöö. Die Kosten für das Projekt seien zudem nicht zu unterschätzen.
Im Skisport ist derzeit auch Materialdoping ein Thema. Fluor auf Langlaufski ist verboten. Da könne Molly leider nicht helfen, sagt Sjöö. «Es wäre schlicht zu ungesund für sie, an Skibelägen zu riechen.»
Dafür ist Molly zuweilen dabei, wenn die Antidoping-Kontrolleure Vereinen oder Sportlern zu Fortbildungs- und Informationszwecken angemeldete Besuche abstatten. Und manchmal bleibe Molly, nicht so wie derzeit an der Biathlon-WM, bei Anlässen im Hintergrund, um die Sportler nicht auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen.
Einen wichtigen Teil des Projekts nennt Linn Gustafsson von der BIU: «Nur schon, indem wir Molly engagieren, zeigen wir, dass wir sauberen Biathlonsport wollen.» Im Biathlon-Zirkus kennt man Molly längst, wie der Instagram-Account der Hündin beweist. Zum Beispiel posieren Aita und Elisa Gasparin mit ihr. Molly ist aber auch mit Gewichthebern, Motorradfahrern oder Dartspielern zu sehen.
Werden Sportler, die Molly auffallend aus dem Weg gehen, tatsächlich verdächtigt? «Natürlich nicht, es könnte ja auch sein, dass diese Person schlicht Angst vor Hunden hat», sagt Hope. Und dennoch sei es eines der genannten Puzzleteile, wenn jemand sehr auffallend auf Distanz zu Molly gehe.