Nino Niederreiter: «Plötzlich stehst du vor deinem 1000. NHL-Spiel, das ist unglaublich»
«Das wäre wirklich unglaublich», sagt Nino Niederreiter auf die vielen persönlichen Meilensteine angesprochen, die ihm in dieser Saison bevorstehen. Läuft alles normal, absolviert der Schweizer Nationalstürmer diese Saison sein 1000. Regular-Season-Spiel in der NHL, schiesst sein 250. Tor und sammelt seinen 250. Assist in der besten Liga der Welt. Am wertvollsten wären sicher die 1000 Spiele. «Es ist verrückt, wenn du als junger Spieler davon träumst, mal ein NHL-Spiel zu absolvieren, und du dann zuerst bei 500 und dann schon bei 1000 Spielen stehst», erzählt der 33-Jährige.
Um auch in seiner 15. NHL-Saison immer noch auf höchstem Niveau zu spielen, musste Niederreiter Anpassungsfähigkeit beweisen. «Die Liga ist viel jünger geworden. Die klassischen Rollenspieler sind weg. Heute hast du von der ersten bis zur vierten Linie starke Skater und Techniker», erklärt er. Dafür hat er zuletzt auch sein Training umgestellt, er setzt mehr auf Beweglichkeit und Schnelligkeit, statt auf rohe Kraft.
Was sich durch seine bisherige Karriere zieht, ist die sogenannte «streakiness» – also die Tatsache, dass auf Phasen mit vielen Toren und Assists auch längere Skoring-Flauten folgen. «Die Liga verändert sich nonstop und als Spieler musst du dann neue Wege finden, um Tore zu schiessen», erklärt Niederreiter dieses Phänomen. Aber er betont auch, dass es im Eishockey um mehr gehe als nur Tore und Assists. Er könne auch gut spielen, wenn die Pucks gerade nicht reinfallen.
Hockeyverrücktes Zuhause
Auf Torejagd geht der Churer auch diese Saison für die Winnipeg Jets. Es ist Niederreiters dritte komplette Saison in der Stadt in der kanadischen Provinz Manitoba. Winnipeg hat das Vorurteil, für Spieler unattraktiv zu sein – es ist kalt und es gibt wenig zu tun. Doch den Spielern, die mal in Winnipeg landen, scheint es dort zu gefallen. Zuletzt hat Starstürmer Kyle Connor um weitere acht Jahre verlängert. Und auch Niederreiter scheint sich wohlzufühlen.
Das Coolste an Winnipeg sei, wie viel der Klub der Stadt bedeute. «In vielen NHL-Städten hast du noch ein Football-, Baseball- oder Basketball-Team oder andere Sachen. In Winnipeg hast du eigentlich nur Hockey und das bedeutet den Leuten so viel», erklärt der Nati-Stürmer. Wo man auch hingehe, trügen die Leute Jets-Fanartikel und der Klub erfülle einem quasi jeden Wunsch.
Gesteigerte Erwartungen und neue Rolle
In Winnipeg steigt aber auch der Druck. Die Mannschaft gehört zu den ältesten der Liga, viele wichtige Spieler kommen langsam in den Herbst ihrer Karriere. Wenn es in den nächsten zwei oder drei Jahren nicht mit dem Stanley Cup klappt, wird es langsam schwierig. «Nach der Presidents' Trophy (Gewinn der Regular Season, Anm. d. Red.) letztes Jahr wird erwartet, dass wir mit diesem erfahrenen Team erneut weit kommen», sagt Niederreiter. Dabei helfen soll Jonathan Toews, der zuletzt zwei Jahre wegen gesundheitlicher Probleme fehlte, aber mit Chicago drei Mal den Cup geholt hat: «Wenn er etwas sagt, dann hören alle zu.»
Neu ist auch Niederreiters Rolle bei diesen Jets. Zwar spielt der Schweizer immer noch in der nominell dritten Linie, aber mit zwei neuen Sturmpartnern. Mason Appelton ist weg, Adam Lowry verletzt. Deshalb spielt «El Nino» jetzt mit Vladislav Namestnikov und Gustav Nyquist zusammen. «Das sind zwei dynamische und kreative Spieler, deshalb sind jetzt auch etwas mehr offensive Akzente gefragt» als vorher, erklärt der 33-Jährige. Sie seien derzeit noch dabei, sich als Linie zu finden.
Obwohl es in der NHL Schlag auf Schlag geht, wirft der Schweizer immer wieder einen Blick in seine Heimat. So freut er sich beispielsweise über den guten Saisonstart des HC Davos und der Rapperswil-Jona Lakers, bei denen er im Sommer regelmässig trainiert.
Kopfschmerzen aus der Heimat
Eine andere Herzensangelegenheit bereitet hingegen weniger Freude: der EHC Chur. Bei seinem Jugendklub ist Niederreiter seit einiger Zeit als strategischer Berater tätig und hat mit Leonardo Genoni, Enzo Corvi oder Steffi Buchli prominente Investoren an Bord geholt. Doch der Saisonstart des Swiss-League-Klubs ist missglückt: «Das bereitet mir etwas Kopfschmerzen», sagt Niederreiter. Doch er relativiert auch: «Wir wollen ein Sprungbrett für junge Spieler Richtung National League sein. Es ist eine junge Mannschaft, da wird es Aufs und Abs geben.»
Mehr Freude bereitet da der Ausblick auf das andere grosse Saisonhighlight: die Olympischen Winterspiele in Mailand und Cortina d'Ampezzo im Februar. «Wir sind sicher der Underdog, wenn die Besten der Besten am Start sind», stapelt Niederreiter tief. Aber er freue sich auf den Vergleich, um endlich herauszufinden, wo die Schweiz in der Welthierarchie des Eishockeys wirklich stehe.
An die Heim-WM in der Schweiz rund drei Monate später mag Niederreiter hingegen noch nicht gross denken. Das Problem: Dann laufen auch die Stanley-Cup-Playoffs. «Das ultimative Ziel ist es, den Stanley Cup zu gewinnen. Dafür machst du alles», macht der Churer unmissverständlich klar. Dann muss auch eine WM vor Heimpublikum hinten anstehen.