Etwas mehr als drei Stunden dauert die Reise mit dem Zug von Kopenhagen nach Herning in der dänischen Provinz Jütland. Knapp 45'000 Einwohner zählt das hübsche, zentral gelegene Städtchen, welches vor allem bekannt ist als Messezentrum Dänemarks.
Am Stadtrand, in der zur Eishockey-Arena umgebauten Multifunktions-Arena «Jyske Bank Boxen», finden dieser Tage die WM-Spiele der Vorrundengruppe B statt. Mit dabei ist auch die dänische Auswahl, die nicht etwa in der Hauptstadt Kopenhagen spielt, sondern eben in der Provinz. Aber das hat einen guten Grund.
«Hier schlägt das Herz des dänischen Eishockeys», sagt Elo Christensen, der in der Gemeinde Herning als Sport-Event-Manager tätig ist. Neun Spieler aus dem aktuellen WM-Kader Dänemarks sind hier geboren, darunter NHL-Pionier Frans Nielsen. Der lokale Klub, die «Herning Blue Fox», ist mit 15 Titelgewinnen dänischer Rekordmeister. «Es machte deshalb Sinn, dass die Dänen hier spielen, und die Schweden, aufgrund der geografischen Nähe, als Zuschauermagnet in Kopenhagen.»
Extra aus der Hauptstadt nach Herning gereist ist Jesper. Er sitzt am Tag nach dem sensationellen 3:2-Sieg der Dänen gegen die haushoch favorisierten Finnen erschöpft in einem Klappstuhl vor seinem «Zelt-Haus». Unmittelbar hinter der Arena in Herning steht den Fans ein Campingplatz zur Verfügung. Man kann, wie Jesper, für etwa 250 Kronen (ca. 40 Franken) am Tag eines der fest installierten Zelte beziehen. Oder wahlweise mit dem Camper oder dem eigenen Zelt anreisen.
Von dieser Möglichkeit wird rege Gebrauch gemacht. Das lange Auffahrts-Wochenende lockt viele Eishockey-Fans an. Das Camping-Areal ist bis zum Sonntag vollständig ausgebucht. Man kann nur erahnen, wie die Party hier abgehen wird. Besonders, wenn heute Nachmittag das Duell gegen den Erzrivalen Norwegen auf dem Programm steht.
Auch im Zentrum Hernings ist das Hockey-Fieber ausgebrochen. Während die dänischen Fans in der mit 11'000 Zuschauern ausverkauften Jyske Bank Boxen den sensationellen Exploit ihrer Helden gegen Finnland bejubelten, ging es auch auf der Fanmeile beim Public-Viewing rund – noch lange nach der Schlusssirene. «Ich bin erst um 1.30 Uhr in der früh nach Hause», erzählt Christensen müde lächelnd. «Die grossen Fernsehstationen waren hier und haben gefilmt. Eishockey ist gerade in aller Munde.»
Und das ist alles andere selbstverständlich. Heinz Ehlers, dänische Eishockey-Legende, aktuell Assistenzcoach des dänischen Nationalteams und sonst Trainer der SCL Tigers, sagt, dass er sich über die aktuelle Euphorie freut, aber nicht denkt, dass das Turnier einen nachhaltigen Effekt haben wird: «Nach der WM werden die Medien nicht mehr gross berichten, das Interesse wird abnehmen. Unsere höchste Liga ist nicht so schlecht, hat aber deutlich tieferes Niveau als NLA und DEL. Und wenig Zuschauer.»
Trotzdem hat das Eishockey in Dänemark den letzten zwei Jahrzehnten massiv an Bedeutung gewonnen. Was vor allem daran liegt, dass sich einerseits viele junge Cracks im nahen Nachbarland Schweden auf Juniorenstufe ausbilden lassen. Und weil andererseits, als logische Konsequenz, immer mehr dänische Spieler den Sprung in die NHL geschafft haben.
Unter anderem auch Heinz Ehlers’ Sohn Nikolaj, der bei den Junioren des EHC Biel gross wurde und in der Nacht auf heute mit den Winnipeg Jets gegen die Nashville Predators um den Einzug in den Playoff-Halbfinal kämpfte. Im dänischen WM-Kader stehen aktuell fünf Spieler, die in der besten Liga der Welt engagiert sind. Wie bei den Schweizern.
Camping-Fan Jesper glaubt, dass die Sportart Eishockey in Dänemark dank der WM und der damit einhergehenden Aufmerksamkeit weiter an Popularität gewinnen und der Abstand zur sportlichen Nummer eins des Landes, Fussball, zunehmend kleiner wird. Zumal die Bilder, die von der friedlichen Fan-Party in Herning zu sehen sind, einen Kontrast bilden zu den oft wüsten Bildern der Fussball-Krawalle.
Nicht umsonst heisst das WM-Motto: «Hygge, Hockey, Herning.» Wobei «hygge» das Wort ist, welches die dänische Lebensart so treffend beschreibt: «Gemütlich, friedlich, entspannt.»