Grosse Aufregung in Vancouver am 6. Oktober 2002: Die Queen kommt. Elizabeth II. wird beim Vorbereitungsspiel zwischen den NHL-Teams Vancouver Canucks und San Jose Sharks erwartet. Es ist der Abschluss ihres Kanada-Besuchs anlässlich des 50. Thronjubiläums.
An der Seite der kanadischen Eishockey-Legende Wayne Gretzky schritt die Monarchin vor dem ersten Bully aufs Eis, um symbolisch den ersten Puck einzuwerfen. Um sicherzustellen, dass Her Majesty nicht ausrutscht, wurde der rote Teppich nicht einfach ausgerollt, sondern so hingelegt, dass er mit der Eisfläche zusammengefror.
Während sich der grösste Teil der kanadischen Eishockey-Familie auf den hohen Besuch freute, war einer weniger amused. Owen Nolan war Captain der San Jose Sharks – und verzichtete auf ein Treffen. Er habe Rückenschmerzen, hiess es, und deswegen den Trip nicht mitgemacht.
Doch das war wohl höchstens die halbe Wahrheit. Nolan ist zwar Kanadier, aber geboren wurde er in Belfast, der Hauptstadt Nordirlands. Das gehört zum Vereinigten Königreich und ist tief gespalten. Die Republikaner setzen sich für eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland ein, die Unionisten für den Verbleib im Königreich.
Ab 1969, drei Jahre vor Nolans Geburt, eskalierte dieser Konflikt. Am Bloody Friday, dem 21. Juli 1972, explodierten in Belfast 22 Bomben. Neun Menschen starben, 130 wurden verletzt. Der Familie Nolan wurde es zu gefährlich – sie flüchtete vor «The Troubles» und zog nach Kanada. Da war der kleine Owen gerade sieben Monate alt.
Drei Jahrzehnte später war aus dem Buben ein NHL-Star geworden: ein Nummer-1-Pick, ein Weltmeister, ein Olympiasieger. Der nun beim Puck-Drop vor 18'422 Zuschauern im ausverkauften GM Place von Vancouver mit der Queen lächeln sollte.
Das wollte Nolan, dessen Familie in einem katholischen Arbeiterviertel unweit der Friedenslinie lebte, nicht. «Mir wurde gesagt, er habe sich geweigert, an einer Zeremonie mit der Monarchin eines Landes teilzunehmen, das seine Heimat seit 800 Jahren in Ketten hält», berichtete ein Insider. Dabei hatte der Mediensprecher der San Jose Sharks betont: «Es gibt sicherlich keine politischen Gründe für diese Entscheidung.» Aber die Lage schien allen Beteiligten klar zu sein, es hatte bloss niemand ein Interesse daran, grossen Wirbel zu verursachen. «Ich fühle mich als Ire», bekannte Nolan später gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Als Captain der Sharks wurde er von Mike Ricci vertreten. «Ich weiss noch, dass ich sehr nervös war», erinnerte sich dieser zehn Jahre später an den Moment. «Die Kollegen zogen mich auf, dass ich bestimmt einen Skandal verursache, in die Königin stolpere und sie dann stürze, solche Sachen.» Das Treffen beflügelte ihn offenbar: Ricci erzielte beide Tore von San Jose bei der 2:3-Niederlage. Als er nach dem Spiel in die Kabine zurückkehrte, hatten die Kollegen sein Namensschild ausgetauscht. Nun stand da: «The King».
Zum ganz grossen Eishockey-Fan wurde Queen Elizabeth II. an diesem Abend nicht. In der königlichen Loge schaute sie nur das erste Drittel. «Aber sie fragte, ob das Spiel im Fernsehen zu sehen sei und auf welchem Sender, damit sie die beiden weiteren Drittel dort schauen könne», berichtete Gretzky, der neben ihr in der Royal Box sass. Vielleicht erkundigte sie sich auch bloss aus Höflichkeit.
Owen Nolan machte der Rücken in der Folge keinen Strich mehr durch die Rechnung. Bis 2010 absolvierte der fünffache All-Star 1265 NHL-Spiele (mit 925 Skorerpunkten) in Regular Season und Playoffs. Er lief für die Quebec Nordiques auf, nach deren Umzug auch für die Colorado Avalanche, für die San Jose Sharks, die Toronto Maple Leafs, die Phoenix Coyotes, die Calgary Flames und die Minnesota Wild. Und als er keinen Vertrag mehr erhielt, wechselte der Flügelstürmer im Alter von 38 Jahren in die Schweiz.
Im Herbst 2010 sollte Owen Nolan den ZSC Lions nach einem schwachen Saisonstart helfen. Das gelang ihm, als Leaderfigur führte er die Zürcher wieder nach vorne. Doch in der Folge baute Nolan ab, trotz 26 Skorerpunkten in 24 Qualifikationsspielen fielen seine Zensuren letztlich mässig aus.
In den Playoffs war in den Viertelfinals gegen den Rivalen Kloten Schluss. Es waren Nolans letzte Spiele als Eishockeyprofi. Denn kein NHL-Team wollte ihn mehr verpflichten und so musste er seine Laufbahn beenden, ohne dass der ganz grosse Traum vom Stanley-Cup-Sieg in Erfüllung ging. Aber WM- und Olympia-Gold sind bestimmt kein schlechter Trost.