Im April wird Cedric Fiedler, wenn alles nach Plan läuft, sein Betriebswirtschafts-Studium an der Western Michigan University mit dem Bachelor abschliessen. Es wird der Zeitpunkt sein, wo ihm die ganze Eishockey-Welt endlich offensteht – im wahrsten Sinne des Wortes. Der Aargauer dürfte viele Optionen haben. Der Beginn einer Profi-Karriere in Nordamerika ist ebenso möglich wie eine Rückkehr in die Schweiz.
Der 22-Jährige freut sich aber primär darauf, dass er sich nach vier Jahren, in welchen er Studium und Sport unter einen Hut bringen musste, endlich auf das konzentrieren kann, was er am liebsten tut: Eishockey spielen. «Die Balance zwischen diesen beiden Schwerpunkten zu finden, war nicht immer einfach», blickt der stämmige Verteidiger auf die vergangenen Jahre zurück.
Die Vormittage standen stets im Zeichen des Trainings, an den Nachmittagen wurde die Schulbank gedrückt, abends ging es meistens darum, zu lernen. Und an den Wochenenden fanden die Meisterschaftsspiele der NCAA statt. «Ich musste erst lernen, mit dieser Belastung umzugehen.» Das alles gehört nun aber bald der Vergangenheit an: «Ich freue mich riesig darauf, dass ich mich neben dem Eishockey nur auf den eigenen Körper fokussieren kann. Das wird mich nochmal zu einem besseren Spieler machen.»
Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum reifen Eishockey-Spieler konnte Cedric Fiedler mit der Schweizer U20-Nationalmannschaft machen. 2020 war er Teil der Junioren-Auswahl. «Diese WM hat mir sehr geholfen punkto Leadership und Vertrauen. Es hat Klick gemacht. Seither konnte ich mich jedes Jahr verbessern.»
Blickt man auf die Kaderliste jener Schweizer Equipe, dann ist augenfällig, dass von den damals acht Verteidigern, die im Aufgebot standen, bereits deren sieben einen Stammplatz bei einem National-League-Team haben: Noah Meier und Bastien Guggenheim in Langnau, Noah Vouardoux und Inaki Baragano bei Rapperswil, Noah Delémont in Biel, Rocco Pezzullo bei Ambri und Giancarlo Chanton bei Servette.
Es müsste für einen Spieler wie Cédric Fiedler, der vier Jahre lang in einer starken Liga wie der NCAA spielen durfte, demnach ein Leichtes sein, einen Platz bei einem der 14 NL-Teams in der Schweiz zu finden. Der Aargauer, der seine ersten Eishockey-Schritte beim EHC Wettingen-Baden tätigte, ehe er via Nachwuchsabteilung des EV Zug nach Nordamerika wechselte, sagt denn auch: «Kontakte zu Schweizer Klubs bestehen. Ich hätte Optionen.»
Trotzdem ist die Chance gross, dass man Cedric Fiedler vorderhand noch nicht in den Schweizer Eishallen zu sehen bekommt. Sein Fokus ist jedenfalls klar: «Ich will in Nordamerika bleiben. Ich habe das Gefühl, dass ich nahe dran bin. Ich versuche alles, was in meiner Macht steht, um diesen Traum zu erfüllen.»
Der Traum wäre natürlich die NHL, die beste Liga der Welt. Im Sommer 2022 wurde Fiedler ins Nachwuchscamp der Detroit Red Wings eingeladen und hinterliess dabei einen guten Eindruck. «Ich habe gutes Feedback erhalten. Wenn ich weiter Gas gebe, dann habe ich Chancen.»
Mit seinen körperlichen Voraussetzungen – er ist 1,91 Meter gross und 93 Kilogramm schwer – und seiner Spielweise als zuverlässiger und harter Defensivverteidiger passt Fiedler prima ins nordamerikanische Eishockey und hätte durchaus Perspektiven, in einer NHL-Organisation zu landen. Sein Vorteil: Er wurde nicht gedraftet und kann sich nun seinen Arbeitgeber aussuchen. Am Ende der laufenden NCAA-Saison wird jedenfalls klar sein, wohin es den 22-Jährigen verschlägt.
Dass dem Aargauer auf Anhieb der Sprung in ein NHL-Team gelingt, ist sehr unwahrscheinlich. Dessen ist sich Fiedler aber auch bewusst. Auch deshalb sieht er seinen Platz vorderhand eher auf zweithöchster Stufe, in der AHL, wo die NHL-Mannschaften ihre Farmteams platziert haben. Mit einem sogenannten Zwei-Weg-Vertrag bestünde für ihn so zumindest die Möglichkeit, dass sich hie und da mal ein Türchen nach oben öffnet.
Cedric Fiedler weiss aber, dass die Konkurrenz in Nordamerika enorm gross ist und man auch Glück braucht, um einen der Plätze an der Sonne zu ergattern. Er sagt: «Ich gebe mir ein oder zwei Saisons Zeit, meine Ziele zu erreichen. Zu lange will ich nicht warten. Wenn ich das Gefühl habe, dass es mir nicht reicht, kehre ich in die Schweiz zurück.»
Schliesslich geht es für Fiedler auch irgendwann mal darum, als Profi Geld zu verdienen. Und da wären die Aussichten in der National League ungleich lukrativer als in der AHL, wo er nur einen Bruchteil des Schweizer Lohns erhalten würde. «Diese Gedanken mache ich mir schon. Gerade, wenn ich sehe, dass meine ehemaligen U20-Teamkollegen alle schon einen Stammplatz haben.»
Wie auch immer die Karriere von Cedric Fiedler letztlich verlaufen wird: Seinen Uni-Abschluss hat er bald im Sack. «Eishockey kann man spielen, bis man 35 oder so ist. Danach muss man noch 30 Jahre arbeiten. Deshalb war es für mich wichtig, dass ich einen guten Abschluss habe.» Plan B wäre also da. Er hofft allerdings, dass er ihn noch lange nicht benötigt.