So miserabel waren die New England Patriots unter Bill Belichick in 24 Jahren noch nie. Drei Siegen stehen aktuell zehn Niederlagen gegenüber – ohnehin ist es seit Belichicks Premieren-Saison als Patriots-Trainer das erste Mal, dass New England eine zweistellige Anzahl an Niederlagen verkraften muss. Deshalb steht der 71-jährige American-Football-Coach nun wohl vor dem Aus.
Der Team-Besitzer Robert Kraft soll entschieden haben, sich nach der Saison von dem legendären Trainer zu trennen. Dies berichtet NBC. Demnach solle die Entscheidung bereits seit einigen Wochen und der Niederlage in Frankfurt gegen die Indianapolis Colts feststehen.
«Als sie aus Deutschland heimkamen, wurde in den Gesprächen, die ich in jener Woche geführt habe, klar, dass eine Entscheidung getroffen wurde», wird NFL-Insider Tom Curran nun zitiert. Nämlich: «Sie würden die Saison zu Ende spielen und dann würden sich die Wege aus verschiedenen Gründen trennen.» Daran würde auch der Sieg in der letzten Woche gegen Pittsburgh nichts ändern.
Zu schlecht spielten die Patriots in den zwölf Spielen davor. Mit der 3:38-Pleite gegen die Dallas Cowboys und der 0:34-Klatsche gegen die New Orleans Saints kassierte New England innert sieben Tagen gleich die zwei deutlichsten Niederlagen der Belichick-Ära. Ausserdem gelang den «Pats» die zweifelhafte Errungenschaft, als erstes Team der NFL-Geschichte drei aufeinanderfolgende Spiele zu verlieren, obwohl der Gegner höchstens zehn Punkte erzielte.
Die Niederlagen gegen Indianapolis (6:10), die New York Giants (7:10) und die Los Angeles Chargers (0:6) verdeutlichten die Problematik der Patriots in dieser Saison. Die Defensive – Belichicks Steckenpferd – ist nach wie vor eine der besten der NFL, was dem Trainer hoch angerechnet werden muss. Nur ist die Offensive seit dem Abgang von Tom Brady im Jahr 2020 allerhöchstens Mittelmass. In der laufenden Saison ist sie gar die schlechteste, was das Erzielen von Punkten angeht.
Und daran ist Belichick massgeblich beteiligt. Denn er ist nicht nur der Cheftrainer, sondern gleichzeitig auch General Manager und damit für die Zusammenstellung des Kaders verantwortlich. In dieser Aufgabe scheint sein Ansatz jedoch völlig aus der Zeit gefallen. Dass die Offense in der NFL gerade in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, scheint an Belichick etwas vorbeigegangen zu sein. So fehlt in der Patriots-Offense jeglicher Star – obwohl viel Geld investiert wurde.
Ebenso wenig wie durch seine Verpflichtungen neuer Spieler konnte Belichick im Draft überzeugen. Bei der jährlichen Auswahl der besten College-Talente gelang ihm seit Jahren kein wirklich guter Griff für die Offensive. Auch Quarterback Mac Jones stellte sich nach einer guten Rookie-Saison als Enttäuschung heraus, was teilweise sicher auch im schwachen Offensiv-Personal begründet ist.
Dabei verlangte Besitzer Robert Kraft bereits vor zwei Jahren, dass die Patriots ihr Kader durch den Draft verstärken müssten. Auch die Vorgabe, in dieser Saison wieder die Playoffs zu erreichen, verpasste der Trainer und GM in Personalunion. Deshalb dürfte nun die Trennung folgen, obwohl Belichick noch ein Jahr Vertrag hat.
Es wäre das Ende einer Ära. Seit Bill Belichick das Team aus Massachusetts im Jahr 2000 übernommen hatte, waren die Patriots das erfolgreichste Team der NFL. Gemeinsam mit Quarterback Tom Brady gewann Belichick, der ein strenges Regime führt und viel Wert auf Disziplin legt, sechs Meisterschaften, wodurch er der Trainer mit den meisten Titeln in der NFL-Geschichte ist.
Obwohl immer wieder diskutiert wurde, wer von den beiden den grösseren Anteil am Erfolg hatte, sorgte Coach Belichick stets für eine hervorragende Defensive, die auch in einigen Super Bowls für entscheidende Momente sorgte. Wie zum Beispiel 2015, als Cornerback Malcolm Butler die Niederlage in letzter Sekunde mit einer Interception an der eigenen Endzone verhinderte. Im Gegensatz zu Brady, der nach seinem Weggang aus New England auch mit Tampa Bay noch einmal den Super Bowl gewann, blieb Belichick ohne seinen Star-Quarterback bisher jedoch ohne grosse Erfolge.
Die Zeit der Patriots unter Belichick wurde auch von der einen oder anderen Kontroverse begleitet. So wurde der Trainer überführt, während eines Spiels im Jahr 2007 die Signale der gegnerischen Coaches gefilmt zu haben. Später wurde eine Filmcrew der Patriots erneut beim Filmen der gegnerischen Seitenlinie erwischt. Ausserdem fällt auch «Deflategate», als die «Pats» in einem Playoff-Spiel zu wenig stark aufgepumpte Bälle eingesetzt haben, in die Ära Belichick.
Sollte Belichick das Ende dieser Ära in den verbleibenden vier Partien nicht abwenden können, dürfte es einige Interessenten an dem Trainer mit den zweitmeisten Siegen in der NFL-Geschichte geben. Unter anderem die Los Angeles Chargers mit Star-Quarterback Justin Herbert werden sich wohl auf die Suche nach einem neuen Trainer machen. Der 71-jährige Belichick wäre trotz seines hohen Alters wohl einer der interessantesten Kandidaten.
New England könnte dabei versuchen, in einem Trade noch einen Gegenwert zu erzielen, sollte Belichick einwilligen. Ansonsten müssten die Patriots ihren Trainer ein Jahr vor Vertragsende entlassen. Dieser will von so etwas aber noch nichts wissen. Er kommentierte den Bericht über seine bevorstehende Entlassung in bester Belichick-Manier: «Wir bereiten uns auf Kansas City vor.» Die Kansas City Chiefs sind der nächste Gegner der Patriots.