Es ist noch nicht lange her, da steckten die Schweizer Eishockeyklubs knietief im Sumpf der Geldprobleme. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde die Saison 2019/20 vor den Playoffs abgebrochen. Die Saison darauf fand fast gänzlich ohne Zuschauer statt – so brach den Vereinen ein grosser Teil der Einnahmen weg. Der Bund schritt ein und unterstützte die National-League-Klubs mit Zahlungen zwischen 1,4 und 5,4 Millionen.
Noch härter traf es den HC Davos. Der Schweizer Rekordmeister musste zwei Mal in Folge den Spengler Cup absagen – eine der grossen Einnahmequellen des Klubs. Verwaltungsratspräsident Gaudenz Domenig sagte damals: «Ohne Hilfe der öffentlichen Hand werden wir nicht überleben.»
Nun stehen wir rund zwei Monate vor dem Start der Saison 2022/23. Der HC Davos ist immer noch da und mit ihm auch die Investitionslust in der National League. Weil der EHC Kloten aufgestiegen ist und die Liga nun 14 Teams umfasst, sind neu sechs ausländische Spieler auf dem Matchblatt erlaubt. Neun von 14 Teams haben bereits jetzt fünf oder mehr Import-Spieler im Kader. Sechs sind es Stand jetzt bereits bei Biel, Davos, Lausanne, Rapperswil und Zug. Und meist sind es sechs absolute Top-Spieler, die sich teilweise in der NHL, KHL oder in Europa bewährt haben.
Der EHC Biel habe die Saison eigentlich mit fünf Import-Spielern in Angriff nehmen wollen, antwortet Geschäftsführer Daniel Villard auf Anfrage von watson. «Aufgrund des Ausfalls von Joren van Pottelberghe mussten wir den Torhütermarkt neu sondieren. Auf dem Schweizer Goaliemarkt hat sich für uns keine valable Alternative angeboten, sodass wir die 6. Ausländerlizenz besetzen mussten.» Auch der EV Zug habe ursprünglich mit fünf ausländischen Spielern geplant, erklärt Sportchef Reto Kläy. Doch weil Marco Müller das Zuger Angebot ablehnte und sich dem HC Lugano anschloss, habe man mit einem weiteren Import-Stürmer reagiert.
Anderen Klubs geht es schlicht darum, den Anschluss nicht zu verlieren. Markus Bütler, Geschäftsführer bei den SCRJ Lakers sagt: «Mit 14 statt zwölf Teams hat sich der Markt der Schweizer Spieler verkleinert. Wir wollen weiterhin konkurrenzfähig sein innerhalb der Liga und treten deshalb mit sechs Ausländern an.»
Marc Gianola vom HC Davos erklärt: «Es ist die Liga, die sechs Ausländer erlaubt. Unsere Aufgabe als Klub ist es, die bestmögliche Mannschaft aufs Eis zu stellen. Wenn gute Schweizer zum selben Preis auf dem Transfermarkt wären, würden wir uns um sie bemühen. Zurzeit finden wir aber für die offenen Positionen bei uns keine adäquaten Schweizer.»
Eine Tragödie wird so zum verkappten Glücksfall für die National-League-Sportchefs: Russland führt Krieg in der Ukraine. Um ein Zeichen dagegen zu setzen, haben sich Jokerit Helsinki und Dinamo Riga aus der grossrussischen Eishockeyliga KHL zurückgezogen. Zudem entschieden sich viele europäische Spieler dafür, nicht mehr in der KHL zu verlängern oder die laufenden Verträge dort gar aufzulösen. So kamen in diesem Sommer viele Spieler auf den Markt.
Hat das den Preis nach unten getrieben? Die Klubverantwortlichen sind sich nicht restlos einig. «Der tragische Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass man viele ausgezeichnete Spieler zu guten Konditionen angeboten erhält», sagt etwa Biels Daniel Villard. Die Anzahl an qualitativ guten ausländischen Spielern zu einem vernünftigen Preis sei gestiegen, findet auch Markus Bütler von den Lakers. EVZ-Sportchef Reto Kläy hingegen erklärt: «Bei den Top-Spielern sanken die Preise nicht drastisch.»
Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass jetzt so viele und so gute Spieler auf dem Markt sind wie noch nie. Und dass die Zeit gekommen ist, zuzuschlagen.
Auch beim SC Bern. Der Klub, der im Herbst 2020 seine Fans noch darum bat, auf die Rückerstattung der Saisonkarten zu verzichten, um überleben zu können, hat heuer erst vier Import-Spieler unter Vertrag. Einer davon (Kaspars Daugavins) soll den Klub noch verlassen, man sei optimistisch, dass bald eine Lösung gefunden werde. Zugeschlagen hat der SCB dagegen auf dem Schweizer Markt: Sven Bärtschi, Romain Loeffel und Marco Lehmann sind gekommen. «Wir haben nun zwei Jahre lang gespart, wo es nur ging. Nun ist die Zeit gekommen, wieder anzugreifen», erklärt der bald abtretende CEO Marc Lüthi die Offensive.
Gross in die Vergangenheit blicken wollen auch andere Klubs nicht. Man will die Saison 2020/21, für die Bundesgelder beansprucht wurden, strikt von der aktuellen Situation trennen: «Ein Zusammenhang mit dem Kader 2022/23 erkenne ich nicht», sagt Biel-CEO Daniel Villard. «Es ist unsere Aufgabe, ein Team zusammenzustellen, welches einerseits sportlich kompetitiv ist und andererseits attraktiv genug ist, damit wir Saisonkarten, Sponsorings und Ähnliches verkaufen können.»
Ähnlich klingt es auch beim HC Davos. Der Klub habe nach der Spengler-Cup-Absage mit einer Eventversicherung (Schutzschirm) grosse Unterstützung von Kanton und Bund erhalten. Es sei nun an der Zeit, den Blick wieder in die Zukunft zu richten. «Wir sind unseren Partnern, Sponsoren und Saisonkarteninhabern verpflichtet, dass wir mit dem verfügbaren Budget die bestmögliche Mannschaft aufs Eis bringen und versuchen, Meister zu werden. Sonst verkaufen wir keine Tickets mehr», sagt Marc Gianola.
Die SCRJ Lakers erklären, dass die Bundesgelder Entschädigungen für entgangene Ticketeinnahmen gewesen seien und mit der aktuellen Situation nichts zu tun hätten. «Das Kaderbudget wird von uns jährlich aufgrund der prognostizierten Einnahmen festgelegt und kann aus dem Betrieb finanziert werden. Mit Ausnahme des ersten Corona-Jahres haben wir in den vergangenen Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben.»
Und EVZ-Sportchef Reto Kläy betont: «Auch andere Arten von Betrieben haben vom Bund Geld bezogen und gingen irgendwann wieder in den Normalbetrieb über.» Genau so müsse auch im Eishockey irgendwann die Normalität zurückkehren. Es sei ja nicht so, dass die Klubs mit Geld um sich schmeissen würde, man arbeite wie bisher im Rahmen der jeweiligen Budgets weiter.
Den Vorwurf, dass die angespannte finanzielle Situation in den letzten Jahren die perfekte Möglichkeit gewesen wäre, um vermehrt auf junge Spieler zu setzen, lassen die Klubs nicht gelten. «Zu glauben, man könne in der National League mit einer ‹mehrbesseren› Juniorenmannschaft mitspielen, ist eine Illusion», sagt Daniel Villard. Das habe man am Beispiel der SCL Tigers gesehen, welche nicht mehr konkurrenzfähig gewesen seien in den letzten beiden Saisons.
Zugs Reto Kläy sagt, dass mehr junge Spieler zwar günstiger wären, dann aber auch Strategien und Ziele angepasst werden müssten. Trotzdem geben die Klubs an, dass weiterhin junge Spieler eingebaut werden sollen. Die Strategie des Meisters sei es, «mit ambitionierten Spielern auf Schlüsselpositionen vorne mitzuspielen» und junge Spieler nach und nach in die erste Mannschaft einzubauen.
Lakers-Geschäftsführer Markus Bütler betont: «Die Jungen werden bei uns nicht unter der Situation mit mehr Import-Spielern leiden, weil wir weiter den eingeschlagenen Weg gehen werden. Ein Risiko sehen wir eher für die durchschnittlichen, älteren Spielern mit höheren Gehaltsvorstellungen.»
Ich hoffe aber sehr, dass bei zukünftigem Gejammer der Vereine diese Situation berücksichtigt wird und Bundesgelder für sinnvolleres ausgegeben wird.
Für mich war/ist das Verhalten der Proficlubs sehr nahe an der Schwelle zum Skandal. Die haben ziemlich kalt aus der Situation Profit gezogen.
Top-Schweden aus der KHL holen.
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