Am Sonntagnachmittag haben sich drei Männer in Melide am Hauptsitz von Filippo Lombardis Medienimperium in einem Sitzungszimmer versammelt. Dort, wo sich auch die Studios des Operetten-TV-Senders «Tele Ticino» befinden. Aber die Herren trafen sich nicht für eine der beliebten Talkshows über Hockey. Es ging ums Eingemachte.
Ambris Präsident Filippo Lombardi, Sportchef Ivano Zanatta und Trainer Hans Kossmann einigten sich am Sonntagnachmittag darauf, die Zusammenarbeit zu beenden. Schade, dass die Sitzung nicht live im Lokalfernsehen übertragen worden ist. Hans Kossmann, der den Sinn für Humor nicht verloren hat, sagt: «So viel ich weiss, gibt es auch keine Video-Aufzeichnung von unserer Sitzung.»
Die Trainerentlassung wurde, wie das im Tessin so üblich ist, erst einmal verheimlicht. Ja, Filippo Lombardi sprach seinem Trainer wider besseren Wissens noch nach der Entlassung am Sonntagabend in der Öffentlichkeit (im staatstragenden Tessiner Fernsehen) das Vertrauen aus. Aber er ist halt ein Politiker.
Verkündet wurde Hans Kossmanns Entlassung erst heute Vormittag. Lügen in Zeiten der Trainerentlassungen. Hans Kossmann nimmt seinen ehemaligen Präsidenten in Schutz. «Er wollte es wohl zuerst noch der Mannschaft sagen und das war halt erst am Montag möglich.»
Woran ist Hans Kossmann gescheitert? «An zu vielen Niederlagen», sagt er ohne Umschweife. 24 Partien endeten mit nur einem Tor Differenz – 14 davon hat Ambri verloren. Zuletzt 1:2 gegen Zug und 1:2 gegen Langnau. «Wir haben gutes Hockey gespielt. Aber es ist mir nicht gelungen, das Zauberwort zu finden, um diese knappen Spiele zu gewinnen.»
Es gibt verschiedene Formen der Trainerentlassungen. Notwendige, wie die von Scott Beattie in Langnau und Doug Shedden in Lugano, schmerzliche aber unvermeidliche, wie die von Kevin Schläpfer in Biel und billige, wie die von Hans Kossmann in Ambri.
Hans Kossmann hat keine Fehler gemacht, die seine Amtsenthebung rechtfertigen würden. Er hat zu viele Partien verloren – aber nicht, weil er die Mannschaft geschlossen gegen sich hatte wie Doug Shedden. Oder weil er nicht dazu in der Lage war, das richtige taktische Konzept zu finden und die Mannschaft zu organisieren wie Scott Beattie. Er ist das Opfer der Mangelwirtschaft geworden, die auch Sportchef Ivano Zanatta zu verantworten hat. Zu wenig Talent, zu wenig leistungsfähiges ausländisches Personal und Torhüter, die im entscheidenden Augenblick danebengreifen und zu viele der knappen Niederlagen verursachen – wie zuletzt in Langnau.
Ja, Hans Kossmann ist ein Opfer seiner eigenen Tüchtigkeit geworden. Er hat aus so wenig Talent zu viel herausgeholt und so unrealistische Erwartungen geweckt. Ambri hat bis ins neue Jahr um die Playoffs gespielt. Eigentlich ein Hockey-Wunder. Aber die Führung sieht das anders und glaubt, es müsste mehr möglich sein. Knappe Niederlagen können auch gegen den Trainer ausgelegt werden. Selbstbetrug in Zeiten der Trainerentlassung.
Mehr ist in Ambri mit dieser Mannschaft nicht möglich. Der neue Trainer Gordie Dwyer wird den Liga-Erhalt sichern – nicht mehr und nicht weniger. Und wenn er in seinen Gehaltsforderungen vernünftig ist (mehr als 250'000 Franken netto sollte er nicht fordern), dann wird er auch nächste Saison an der Bande stehen. Er hat zuletzt für das KHL-Team Zagreb gearbeitet und war Assistent von Dave King beim Spengler-Cup-Sieger Team Canada. Unter ihm wird in Ambri alles bleiben wie es ist, so wie es in den letzten Jahren immer war – es sei denn, es gelingt, alle vier Ausländerpositionen erstklassig zu besetzen.
Warum ist also wider besseren Wissens der Trainer nun doch noch gefeuert worden? Weil die Versuchung zu gross und die Entlassung zu billig geworden ist. Hans Kossmanns Vertrag läuft aus, er kostet nur noch drei Monatsgehälter. Die Fans sind im Tessin ungeduldig. Der Präsident hätte nun seinem aufgebrachten Fussvolk erklären können, dass mehr nicht möglich ist, dass Bescheidenheit das Gebot der Stunde und der Zukunft ist. Aber diese Konfrontation mit der Wirklichkeit scheut der Populist und Politiker Filippo Lombardi. Es wäre nicht klug, die Leute zu entmutigen, die er schon bald wieder mit einer Bettelaktion erfreuen wird und die auch nächste Saison ihre Eintrittskarten kaufen sollen. Ein Präsident in Ambri muss immer auch ein guter Verkäufer sein, ein «Hoffnungshändler». Die Hoffnung, dass nächste Saison alles besser wird, ist der Sauerstoff der Leventiner Hockeykultur. Illusionen in Zeiten der Trainerentlassung.
Ambri ist dem lateinischen Kulturkreis zuzuordnen. Hier gilt: Ein starker Mann handelt. Mit der Entlassung des Trainers hat der Präsident wieder mal gezeigt, wo der Hammer hängt und dass er ein grosser Macher ist. Auf dieses Theater fallen seine Anhänger regelmässig herein. Und wieder einmal ist der Trainer schuld. Nicht der Präsident, dem es nicht gelingt, eine Leistungskultur von den Junioren bis zur ersten Mannschaft aufzubauen. Nicht Sportchef Ivano Zanatta, dessen Verhandlungsungeschick dazu führt, dass die Löhne viel zu hoch und die vier Ausländerpositionen nie erstklassig besetzt sind. Dem es nicht gelingt, vor der Konkurrenz Talente zu entdecken und Ambri zu einem Ausbildungsklub zu machen. Und natürlich sind auch die Spieler aus dem Schneider. Politik in Zeiten der Trainerentlassung.
Ambri hat sich soeben die billigste Trainerentlassung seiner Geschichte geleistet. Billig, weil sie nichts kostet. Billig, weil es dazu keine Notwendigkeit gibt. Es ist eine Trainerentlassung, die der besonderen Kultur Ambris geschuldet ist. Ständerat Filippo Lombardi ist ein charismatisches «Animal Politique», diese Trainerentlassung sei ihm gerade im Wissen um die ganz besonderen Verhältnisse in der lateinischen Sportkultur verziehen. Aber unverzeihlich ist, dass er nach wie vor an seinem völlig überforderten Sportchef Ivano Zanatta festhält. Führungsschwäche in Zeiten der Trainerentlassung.