SCB-Trainer Heinz Ehlers – die perfekte Wahl, aber es gibt die «Betonfrage»
Seit dem letzten Titel von 2019 sind beim SCB alle Trainer gescheitert. Sogar der letzte Meistermacher Kari Jalonen musste Ende Januar 2020 gehen und Hans Kossmann Platz machen. Und nun kommt nach Don Nachbaur, Mario Kogler, Johan Lundskog, Toni Söderholm und Jussi Tapola also Heinz Ehlers. Wobei es eine Anmerkung gilt: Mario Kogler musste gehen, obwohl er ein Erfolgstrainer war: Er holte 2021 den bisher letzten Titel für Bern (den Cupsieg im Final gegen die ZSC Lions), kippte in den Pre-Playoffs Davos raus und gewann gegen den späteren Meister Zug immerhin im Viertelfinal zwei Partien.
Nach drei gescheiterten Skandinaviern wieder einer aus dem Norden. Heinz Ehlers ist Däne. Und tatsächlich unterscheidet er sich taktisch nicht grundsätzlich von seinen Vorgängern. Aber das Problem bei Bern ist inzwischen nicht mehr nur taktischer Natur. Wenn so oft der Trainer wechselt, dann wissen wir: Die Kabine managt den Klub. Die Spieler wissen in Bern: Wenn uns der Trainer nicht passt, dann fällen wir die Entscheidung. Sie haben zwar noch nie gegen den Trainer gespielt. Aber es genügt, nicht mehr für den Trainer zu spielen.
Die Frage ist also: Werden sie für den neuen Trainer spielen? Kann Heinz Ehlers die Kabine für sich gewinnen? Eigentlich müsste seine Autorität bis Ende Saison Bestand haben. Aber es gibt die «Betonfrage». Und damit sind wir wieder bei der Taktik.
Gute Coaches passen die Spielweise dem Potenzial ihrer Spieler an. Die Frage ist daher: Hat Jussi Tapola zuletzt so defensiv spielen lassen, weil sein Team nicht das Potenzial zu offenerem, besserem Hockey hatte?
Der SCB hat das Potenzial zu besserem Hockey. Jussi Tapola hat es diese Saison übertrieben. Sowohl taktisch als auch im Zelebrieren seiner Autorität. Er mutierte vom taktischen Lehrer zum taktischen Lehrmeister und schliesslich zum taktischen Polizisten.
Die Frage ist also, ob Heinz Ehlers das richtige Mass findet. Seine Autorität ist eine natürliche. Er füllt die Kabine und Machtspielchen treibt er keine. Er ist ein Meister in der Anpassung des Spielsystems. Ja, er kann Beton. Wenn es darum geht, aus einer spielerisch limitierten Mannschaft ein Maximum herauszuholen. So hat er die SCL Tigers im Frühjahr 2019 sensationell auf Rang 6 in die Playoffs geführt.
Aber er kann auch Spektakel. So formte er beispielsweise in Langenthal aus einem guten Team eine Meistermannschaft. Was beim „Beton“ in Langnau und beim Spektakel-Hockey in Langenthal gleich war: Die klare Spielorganisation. Strukturiert defensiv, strukturiert offensiv. Findet er in Bern die Balance zwischen Angriff und Abwehr? Gelingt es ihm, sein Spielkonzept aktiv umzusetzen oder werden die Spieler zu passiv wie zuletzt unter Jussi Tapola?
Hat der SCB ein Team, das zur Offensive taugt oder funktioniert es nur mit «Schablonenhockey»? Das ist die «Betonfrage». Die Antwort ist einfach: Die Schweizer Spieler taugen für eine spektakuläre Spielweise. Aber nur drei von acht Ausländern.
Wo Heinz Ehlers bisher war, hatte er Erfolg. Seine Autorität und Integrität sind unbestritten und er wollte eigentlich im nächsten Frühjahr sowieso heim nach Dänemark. Er muss also niemandem mehr etwas beweisen und kann deshalb völlig unpolitisch coachen und ist nur dem Erfolg verpflichtet.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
-
Er ist
-
Er kann
-
Erwarte
Eine Besonderheit von Heinz Ehlers ist eine klare Linie: Bei ihm sind alle Spieler gleich. Keine Privilegien. Keine «politische» Mannschaftsaufstellung. Keine Machtspielchen, um die eigene Autorität zu schärfen. Nur die Leistungsbereitschaft zählt. Er wird den jungen Spielern Eiszeit gewähren, weil sie ihn mit Leistung überzeugen. Und nicht, weil es der Ober- und Untersportchef gerne sehen. Ruhm und Ehre aus der Vergangenheit können die Graubärte nicht mehr in Eiszeit ummünzen. Sein Wort ist in der Kabine Gospel (=Evangelium). My way or the highway.
Wenn also einer die schwindende SCB-Leistungskultur wieder aufzuforsten vermag, dann er. Aber er wird scheitern, wenn Marc Lüthi oder sein Ober- oder sein Untersportchef ihm nicht durch alle Böden hindurch den Rücken stärken und ihr Ohr klagenden Spielern leihen. Wird es Klagen geben? Ja, die sind bei einem so strengen neuen Chef unvermeidlich. Zumal Heinz Ehlers mit einem sicheren Gespür für Spieler und Stimmungen wenig von den technischen Hilfsmitteln (Video, ausufernde Statistiken) hält. Da werden seine Kritiker einhaken.
Was Heinz Ehlers in seiner Karriere noch fehlt: ein Banden-Generalkommando bei einem Grossklub. Bei den ZSC Lions hätte es fast geklappt. Aber Rikard Grönborg ist dann doch nicht während der Saison gefeuert worden.
Gelingt Heinz Ehlers in Bern kein Karriere-Schlussfeuerwerk, dann gerät Obersportchef Martin Plüss in die Kritik. Jussi Tapola war «sein» Trainer (er hat mit dem Finnen den Vertrag verlängert) und nun ist auch Heinz Ehlers sein Trainer. In Nordamerika gilt: Ein Sportmanager darf dreimal den Trainer entlassen – dann aber muss er gefeuert werden.
Kehrt nun Ruhe beim SCB ein? Nein. Ganz im Gegenteil. Brisant ist nämlich, was die verlässlichsten der verlässlichen SCB-Gewährsleute melden: Untersportchef Diego Piceci wollte offenbar Christian Wohlwend als Trainer bis Saisonende. Wohl auch, weil er neu ist beim SCB, daher noch viel sensibler die Stimmung in diesem Bundesamt für Eishockey wahrzunehmen vermag und spürt, dass ein frischer, frecher Wind und pures Spektakelhockey durch einen leidenschaftlichen Nonkonformisten an der Bande Wunder wirken könnten. Das wäre zwar riskant. Aber gilt denn nicht gerade in der Unterhaltungs-Industrie: No risk, no fun? Doch Obersportchef Martin Plüss, eben auch ein kluger Machiavellist, schwenkte rasch auf die Meinung des Verwaltungsrates ein, der das Risiko scheute, lieber alles in mehr oder weniger gewohntem Rahmen weiterführen möchte und sich deshalb den altbewährten, berechenbaren Heinz Ehlers entschied.
Es ist gut für das SCB-Innenleben und für die Unterhaltung, dass der Ober- und Untersportchef nicht ein Herz und eine Seele sind.
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