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WM-Turniere kommen und gehen – und nur wenige widerstehen der Macht des Vergessens. Unvergessen bleiben die ersten Titelkämpfe mit Ralph Krueger 1998 in der Schweiz mit dem ersten Sieg über Russland bei einer WM und der Halbfinal-Qualifikation. Noch immer erinnern wir uns an die WM 2000 in St.Petersburg mit dem wundersamen Sieg gegen Russland (3:2) und der Entstehung des «Mythos Ralph Krueger». Und natürlich auch an die Silber-WM von 2013 in Stockholm.
Wo ordnen wir Paris 2017 ein? In eine Reihe mit 1998, 2000 und 2013? Unabhängig davon, ob wir nun im Viertelfinale scheitern oder nicht hat Paris 2017 gute Aussichten auf einen besonderen Platz in der Geschichte. Dazu passt wunderbar, dass die Schweizer in Paris spielen.
In der «Reine du Monde» nahm im Mai 1968 («Pariser Mai») eine Revolution ihren Anfang, die unsere Gesellschaft für immer verändert hat. Nun spricht vieles dafür, dass im Mai 2017 in Paris eine Revolution Fahrt aufgenommen hat, die unser Hockey weiterbringen wird. Mehr noch als bei der Silber-WM 2013 haben die Schweizer hier in Paris ihren unverwechselbaren Stil, ein «Tempo-, Energie- und Pausenplatzhockey» entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Ja, Patrick Fischer ist damit ein «Branding» gelungen. Die Entwicklung eines eigenständigen Stils, einer Hockey-Marke.
Die Schweizer werden auch nach dieser WM noch nicht auf Augenhöhe mit den Grossen (Kanada, USA, Russland, Schweden, Finnland, Tschechien) stehen. Aber sie unterscheiden sich nun von allen vermeintlich «Kleinen» ab Platz 8 der Weltrangliste. Von Norwegen, Dänemark, Lettland & Co. Sie sind als einzige bei einer WM dazu in der Lage, in jedem Spiel jeden Gegner zu besiegen – und noch immer gegen jeden zu verlieren.
Patrick Fischer hat das Lauf- und Tempohockey aus unserer Liga – die schnellste ausserhalb der NHL – auf die Nationalmannschaft übertragen. Damit ist er vor einem Jahr in Moskau und noch im letzten Herbst beim Deutschland Cup grandios untergegangen.
Erst jetzt ist es ihm im Laufe des Turniers mit viel Glück gelungen, dieses «Pausenplatz-Hockey» zu strukturieren, zu ordnen, tauglich für die WM und zu einem Markenzeichen zu machen. Es ist jenes verdiente Glück, das die Hockey-Götter ihren Lieblingen, den Wagemutigen, gewähren.
Die Frage ist nun, ob sich diese Revolution so wie die «68er-Bewegung» tatsächlich durchsetzen wird. Oder ob es noch einmal einen Rückfall in die alte Ordnung und Langeweile geben wird.
Die Chancen auf ein Gelingen sind gar nicht einmal so schlecht. Denn Patrick Fischer ist ein grosser, charismatischer Kommunikator und Motivator («Cheerleader»). Mindestens so sehr Politiker wie Bandengeneral. Er versteht es, sein Programm, seine Revolution zu verkaufen, die in Lugano im Alltag des Klubhockeys noch kläglich gescheitert ist.
Mit Patrick Fischers «offensiver Revolution», mit ihrem riskanten Vorwärtsstil haben die Schweizer bisher in Paris in jeder Partie gepunktet, auch gegen die beiden Vorjahres-Finalisten Kanada und Finnland. Aber zugleich als einzige gegen Absteiger Slowenien einen Punkt abgegeben. Nach einer 4:0 Führung.
Einst waren die WM-Partien der Schweizer die langweiligsten. Jetzt sind es die besten. Dramen, in atemberaubendem Tempo aufgeführt. Die Schweizer können beides: Viertelfinal und Drama.
Noch ist dieses fragil. Weil wir in Paris nicht die Weltklasseverteidiger haben, um das Spiel in Über- und Unterzahl zu ordnen. Mit Roman Josi wären wir wohl sichere Medaillen-Anwärter. Aber es gibt keinen zweiten und auch nicht einen nächsten Roman Josi.
Wenn uns die Hockey-Götter gnädig sind, hat in diesen Tagen in Paris eine Geschichte begonnen, die im nächsten Februar mit ewigem olympischen Ruhm gekrönt werden kann. Zum ersten Mal seit der Eroberung der NHL sind die Schweizer hier in Paris ohne NHL-Profis ins Viertelfinale gekommen. Denis Malgin, der einzige, der diese Saison regelmässig in der NHL gespielt hat, sass gegen Kanada sogar auf der Tribüne.
Die NHL wird ihre Stars für das olympische Turnier nicht freigeben. Die Leistungsstärke der Schweizer wird durch diesen «Olympia-Boykott» im Vergleich zu Paris nicht beeinträchtigt. Die der Titanen hingegen schon. Und zwar stark. Wir werden deshalb 2018 so grosse Chancen auf eine Olympia-Medaille haben sie seit 1948 nie mehr.
Aber am Ende des Tages steht die letzte Wahrheit oben auf der Resultatanzeige. Das ist die unerbittliche, unromantische Seite des Sportes. Nur wenn es Patrick Fischer gelingt, Paris 2017 beim olympischen Turnier mindestens mit erneuten Viertelfinals zu bestätigen, kann Paris 2017 auf unser Hockey vielleicht ähnliche Auswirkungen haben wie Paris 1968 im richtigen Leben.