Leonardo Genonis Magie und das olympische Goalie-Risiko
Die Schweiz verliert in Zürich gegen Schweden (2:3 n. P.), Tschechien (3:5) und Finnland (3:4 n. V.). Die Saisonbilanz unseres Nationalteams: Sechs Spiele, fünf Niederlagen und ein einziger Sieg im November gegen Finnland. Na und?
Vor drei Jahren waren solche Resultate noch ein Grund zur Kritik, ja Polemik. Heute gelten Niederlagen im November und Dezember nicht mehr als Vorboten des Scheiterns. Sondern als Glockengeläut beim Alpaufzug zu neuem Ruhm im Frühjahr. Die Gelassenheit der WM-Silberhelden von 2024 und 2025.
Das offensive Versagen bei den drei Niederlagen in Zürich: einmal mehr ärgerlich, aber kein Grund zur Sorge. Die offensive olympische Musik werden sowieso unsere NHL-Stars machen. Punkt. Bis auf Denis Malgin und Sven Andrighetto bleibt den Stürmern aus unserer Liga im Olympia-Team weitgehend «nur» die Rolle als tapferes, diszipliniertes offensives Hilfspersonal. Wichtiger als Abschlussqualitäten: Standfestigkeit, robust im Kampf an der Bande, Verlässlichkeit im Defensivspiel. Ab und an ein Tor wird als Bonus gewertet.
Eine Debatte darüber, welche Stürmer Patrick Fischer aus der heimischen Liga nominiert, ist akademischer Natur und eignet sich nicht für Polemik. Ob Haas oder Riat, Thürkauf oder Hofmann, Simion oder Rochette, Rohrbach oder Moy: Für das Gelingen des olympischen Abenteuers spielt das kaum eine Rolle. Kein Stoff, aus dem Polemik gewoben wird. Und auch in der Defensive werden die NHL-Verteidiger das Wetter machen. Auch auf dieser Position: Von den Verteidigern aus der Liga wird keine Befeuerung der Offensive erwartet. Wichtiger als kreative Angriffsauslösung: Standfestigkeit, robust im Kampf an der Bande, Verlässlichkeit im Defensivspiel. Ab und an ein Assist wird als Bonus gewertet.
Hingegen ist die Torhüter-Frage hoch heikel. Patrick Fischer verdankt seine drei WM-Finals (2018, 2024, 2025) zu einem erheblichen Teil der Magie von Leonardo Genoni. Bei der letzten WM wurde Zugs letzter Mann nicht nur als bester Goalie, sondern auch als MVP ausgezeichnet. So viel Lob und Preis gab es in der ganzen WM-Geschichte noch nie für einen Schweizer.
Doch Magie ist kein Naturgesetz. Sie ist vergänglich. Leonardo Genoni ist inzwischen 38 Jahre alt geworden. Die Frage nach der Haltbarkeit seiner Magie ist keine Respektlosigkeit, sondern Pflicht.
Ja, an guten Abenden vermag er für Zug noch immer Siege zu stehlen. Aber eine Saisonfangquote von 91,40 Prozent ist Liga-Durchschnitt. Und in Zürich glänzte die silberne Magie nur noch matt: Gegen Schweden und Tschechien stoppte er lediglich 86,30 Prozent der Pucks. Keine Magie. Blech statt Silber.
Die Frage ist also: Noch einmal auf Leonardo Genonis silberne Magie vertrauen – oder auf Akira Schmid (25) setzen? Der Langnauer ist fürs olympische Turnier verfügbar und in Las Vegas mit einer Fangquote von über 90 Prozent in der NHL angekommen. Der helvetische Goalie der Stunde.
Die olympische Vorrunde gegen Frankreich, Kanada und Tschechien entscheidet nur über eine Direktqualifikation für den Viertelfinal oder den Umweg über den Achtelfinal. Patrick Fischer kann testen, ob Leonardo Genonis silberne Magie noch wirkt oder ob Akira Schmids NHL-Erfahrung mehr bringt. Im Idealfall wird aus den beiden ein Duo wie einst Martin Gerber und Reto Berra bei der ersten Silber-WM 2013. Oder wie David Aebischer und Martin Gerber beim olympischen Turnier in Turin.
Drei Goalies wird der Nationaltrainer nominieren. Eingesetzt werden im Normalfall zwei. Ein Verzicht auf Leonardo Genoni wäre eine riskante, heikle Sache und könnte den Zorn der Hockeygötter wecken. Er hat erst einmal für ein entscheidendes Spiel nicht auf Leonardo Genonis Magie vertraut: Im WM-Viertelfinal von 2023 setzte er auf Robert Mayer, damals als Meister mit Servette der Goalie der Stunde. Die Schweizer verloren auch wegen Robert Mayer kläglich 1:3.
Es ist, als sei Patrick Fischers sportliches Schicksal vor seinen letzten zwei Turnieren (Olympia, Heim-WM) auf Gedeih und Verderb mit der Magie von Leonardo Genoni verknüpft.
Eishockey ist ein Teamsport. Aber eben nicht nur: Torhüter sind zwar nicht alles. Aber ohne Torhüter ist alles nichts. Die Goalies waren die Väter aller Erfolge der Neuzeit.
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