Der letzte Akt im Sportdrama «Untergang einer Hockey-Titanic» beginnt in Langenthal mit einer Überraschung. Die Kommandobrücke wird nach der Entlassung von Cheftrainer André Rötheli für das Spiel der allerletzten Chance gleich mit drei Männern besetzt. Alle drei seien, so wird offiziell mitgeteilt, gleichberechtigt: Sportchef Felix Hollenstein, der bisherige Assistent Waltteri Immonen und Kommunikationsdirektor Beat Equilino.
In der Stunde der höchsten sportlichen Not wird im Hockey-Seldwyla die Führungsstruktur eines Triumvirats (ein Bündnis von drei Personen, die gemeinsame Interessen verbindet) installiert. Wie einst im alten Rom mit Julius Cäsar, Pompeius Magnus und Marcus Crassus.
Oder ähnelte dieses famose Dreier-Gremium an der Bande doch eher Walt Disneys lustigen Comic-Figuren Tick, Trick und Track? Die Drillinge sind die Neffen von Donald Duck und leben in Entenhausen. Sie haben stets das sogenannte «schlaue Buch» bei sich, in welchem sie die Antworten auf fast alle Fragen finden.
Wer so boshaft ist und bei Klotens drei «Tages-Trainern» an Tick, Trick und Track denkt, kommt der Wahrheit am nächsten. Der Unterschied ist bloss: Waltteri, Felix und Beat haben kein schlaues Buch bei sich, in welchem sie die Antworten auf fast alle Hockey-Fragen finden.
Das Spiel der letzten Chance ist nämlich nach 1:13 Minuten bereits vorbei. Sozusagen bevor es richtig begonnen hat. Die zwei ersten Schüsse sind dem tapferen Andrin Seifert ins Netz gefahren wie böse Kobolde. Der dritte Schuss auch noch. Aber da hatten die Schiedsrichter gnädigerweise vorher schon abgepfiffen. Der neutrale Chronist muss melden, dass die Matchvorbereitung ganz offensichtlich eine miserable war.
Revivez la qualification de Langenthal pour les demi-finales face à Kloten cet après-midi! Score final: 4 à 1 et 4 à 1 également dans la série. @seit1946 @EHC_Kloten_1934 pic.twitter.com/KIYF82YqzO
— MySports_CH_fr (@MySports_CH_fr) 3. März 2019
Wer ist dafür verantwortlich? Der Vorteil des Triumvirats ist es ja, dass keiner den Kopf allein hinhalten muss. Was durchaus im Sinne von Felix Hollenstein sein dürfte. Die Frage geht also nach der Partie an ihn, den Sportchef und «Tages-Trainer»: Wer hat die Matchvorbereitung geleitet? Der kluge Diplomat sagt: «Ich war auch dabei.» Ach, was für eine Karriere könnte Felix Hollenstein als Politiker machen!
Noch einmal zeigt sich bei diesem finalen Match in Langenthal das ganze Drama des Untergangs einer grossen Hockeykultur. Die läuferisch überlegenen Klotener dominieren die Partie mit 36:19 Torschüssen, sind trotzdem chancenlos und verlieren 1:4.
Denn sie wissen nach einer Saison der taktischen Meisterlosigkeit nicht mehr, was sie tun sollen. Wahrscheinlich ist in der Geschichte der Swiss League bzw. der NLB noch nie so viel Talent über eine so lange Zeit so miserabel trainiert, vorbereitet und gecoacht worden. Es ist eine Hockey-Titanic, die da mit einem bescheidenen Frachter kollidiert und sinkt.
Ohne jede Boshaftigkeit dürfen wir feststellen: Der Dirigent, der die Sprechchöre der treuen Anhänger per Megafon dirigiert, hat seine Schützlinge besser im Griff als die drei «Tagestrainer» an der Bande. Das ist eigentlich auch kein Wunder: Die Fans, die den ganzen Gästesektor füllen, sind mit mehr Leidenschaft bei der Sache als einige der Spieler. Und sie wirken nach dem «Aus» trauriger als die Spieler. Mit hängenden Köpfen wirken sie wie eine durchnässte Schar Zugvögel, die den Abflug in den Süden verpasst haben.
Ein international erfahrener Beobachter, der seinen Namen an dieser Stelle nicht gerne lesen würde, wundert sich schon während des Spiels über den emotionslosen Auftritt der Mannschaft und sagt: «Was ist los? Die Klotener treten ja auf wie in einem Playout-Spiel.» Wo er recht hat, da hat er recht.
Die taktisch schlauen Langenthaler machen auf SC Bern. Sie kontrollieren das Spiel nach Belieben, geraten nie in Gefahr und fahren den vierten Sieg ein wie in einem Training unter Anleitung von Schiedsrichtern. Der SC Langenthal als «kleiner SCB». Trainer Per Hanberg macht den «kleinen Kari», Torhüter Philip Wüthrich den «kleinen Genoni» und Dario Kummer den «kleinen Arcobello».
SEMIFINAL, here we go!🎉 Der #SCL gewinnt gegen den @EHC_Kloten_1934 mit 4:1 und ist somit im Halbfinale! Torschützen sind Pienitz, Pelletier, Kummer und Andersons. #thetimeisnow #gäubblauiliebi💛💙 pic.twitter.com/KxPLQ8RdLO
— SC Langenthal (@seit1946) 3. März 2019
Nach der Partie, dem sportlichen Saisonende, stellt sich Sportchef und Triumvirats-Mitglied Felix Hollenstein den Chronisten (Chronistinnen waren keine da). Sie müssen zwar mehr als eine halbe Stunde warten. Langenthals charmante Medienchefin meldet, man solle Geduld haben. Er werde kommen. Aber die Kabinentüre sei halt noch zu. Auf eine entsprechende Frage sagt sie, es sei alles ruhig, es werde in der Kabine der Gäste nicht getobt.
Wer die Trainerentlassung vor dieser letzten Partie angeordnet hat, erzählt Felix Hollenstein nicht, als er dann auftaucht. «Das gehört nicht an die Öffentlichkeit.» Nur so viel: Er sei angefragt worden, ob er an der Bande aushelfen würde.
Felix Hollenstein hat Stil. Das muss man ihm lassen. Freundlich gibt er Auskunft, gratuliert Langenthal, macht den Gegner mit der Feststellung, man sei doch immerhin gegen den Meister von 2012 und 2017 ausgeschieden, grösser, als er ist. Ja, ja, man habe wahrscheinlich die Swiss League ein wenig unterschätzt.
Der Sportchef schliesst aus, dass er nächste Saison Cheftrainer und Sportchef im Doppelamt wird. Er schliesst auch aus, dass er das Traineramt übernimmt. Er bestätigt, dass André Rötheli noch einen Vertrag für nächste Saison hat und nun entschädigt werden muss. Das werde der Geschäftsführer regeln. «Ich bin sicher, dass es eine einvernehmliche Lösung gibt.» Einen neuen Arbeitsplatz könne er André Rötheli in der Sportabteilung halt nicht anbieten.
Somit obliegt es Felix Hollenstein, für nächste Saison einen neuen Cheftrainer zu suchen. «Aber erst einmal analysieren wir die Situation.» Sparen müsse er nicht. Das Budget bleibe gleich. Es betrage noch ein Drittel der letzten Saison in der höchsten Liga. Und nein, die möglichen neuen Besitzer des Klubs seien in der Saisonanalyse noch nicht involviert.
Als Felix Hollenstein das Stadion schliesslich verlässt und der Mannschaftsbus zur Fahrt heim ins Züribiet und in die «Hockeyferien» aufbricht, ist es ruhig geworden im Schoren. Vom nahen Wald her ist der Ruf einer Eule zu hören. Dunkelheit, Frieden und Harmonie haben sich über die Arena herabgesenkt.
Eine romantische Szenerie mit Symbolcharakter für den EHC Kloten. Nach der Saisonanalyse wird wohl nach all den Erregungen der letzten Tage wieder Frieden und Harmonie einkehren. Wer polemisiert und kritisiert oder gar ein «House Cleaning», eine neue Leistungskultur und den Wiederaufstieg fordert, ist ein Ruhestörer.
Alles dürfte mehr oder weniger so bleiben, wie es diese Saison war. Die Spieler können aufatmen. Die Konkurrenten aber auch. Der EHC Kloten hat sich offensichtlich vom hohen Anspruch verabschiedet, wieder Titan unseres Hockeys zu werden.