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Du willst nur das Beste? Voilà:
Die
Entscheidung ist nicht gestern im fünften Spiel in Davos gefallen. Dieses 3:4
war im Grunde nur noch Formsache. Der Meister ist am Donnerstag beim 2:3 n.V.
in Bern zerbrochen. Arno Del Curto ist ein grosser Trainer. Keiner hat eine so
intensive Beziehung zu seinen Spielern. Er hat es nicht gesagt. Aber er hat es
gespürt, geahnt, ja gewusst, dass es nach der Niederlage in Bern vorbei war. So
leise, ja resigniert hatte ich ihn in den letzten Jahren nie erlebt. Sein HCD
hatte alles gegeben, eine grandiose Partie gespielt – aber der SCB war stärker.
Am Samstag hat der SCB in Davos nur noch vollendet, was bereits am Donnerstag
entschieden worden war.
Das
Scheitern der ZSC Lions im Viertelfinale (0:4) löste eine heftige Polemik gegen
Cheftrainer Marc Crawford aus und beendete dessen Amtszeit nach vier Jahren.
Dem NHL-General ist nicht zu Unrecht vorgeworfen worden, seinen «Kinderstar»
Auston Matthews (18) und weitere wichtige Spieler viel zu stark forciert zu
haben. Der «Tages-Anzeiger» hatte vor dem entscheidenden vierten Spiel sogar
die Absetzung des Kanadiers gefordert.
Das
Scheitern des HC Davos ist so sensationell wie der Untergang der ZSC Lions.
Wieder spielt der Trainer eine zentrale Rolle. Aber eine Polemik um Arno Del
Curto gibt es nicht. Denn er hat, anders als Marc Crawford, keinen Fehler
gemacht. Der einzige Vorwurf: er wollte in dieser Saison zu viel. Und ist deshalb
abgestürzt. Wie ein «Ikarus des Hockeys».
Zur
Erklärung: Ikarus ist eine Sagengestalt der Antike. Dädalus erfand Flügel für
sich und seinen Sohn Ikarus. Dazu befestigte er Federn mit Wachs an einem
Gestänge. Vor dem Start schärfte er Ikarus ein, nicht zu hoch zu fliegen, da
sonst die Hitze der Sonne das Wachs schmelzen und zum Absturz führen würde. Aber
Ikarus wurde übermütig und stieg so hoch hinauf, dass die Sonne das Wachs
seiner Flügel schmolz, woraufhin sich die Federn lösten und er ins Meer stürzte.
Arno
Del Curto ist auf der ewigen Suche nach dem besseren Hockey. Diese
Ruhelosigkeit ist ein wichtiges Erfolgsgeheimnis seiner biblischen Amtszeit von
nunmehr 20 Saisons. Aber nun ist es ihm ergangen wie Ikarus: er wollte zu hoch
hinaus und ist abgestürzt.
Arno
Del Curto wollte diese Saison nicht nur den Titel verteidigen. Er wollte auch
Europa erobern und die Champions Hockey League gewinnen. Dafür hat er diese
Saison zwölf (!) intensive, anstrengende Spiele gegen die besten europäischen
Mannschaften in Kauf genommen. Er scheiterte erst im Halbfinale am schwedischen
Spitzenteam Frölunda. Beim Halbfinalrückspiel am 19. Januar in Göteborg spielte
der HCD mit ziemlicher Sicherheit die beste Partie dieser Saison. Ich war mir
sicher: eine Mannschaft, die mit dieser Intensität und diesem Tempo spielt,
wird auch den Titel holen.
Aber
die Davoser haben dieses Niveau seither nicht mehr erreicht. Sie sind gegen den
SC Bern gescheitert, weil sie mit der Intensität der Berner nicht
zurechtgekommen sind. Ihrem Tempospiel fehlte die entscheidende Prise
Schnelligkeit, um diesen SCB zu überwinden. Es ist den Davosern nicht mehr
gelungen, den Bernern davonzulaufen. Wer langsamer ist als die Berner, hat in
keinem Sport eine Chance.
Es
ist dem SCB gelungen, die Räume zu schliessen und die Laufduelle durch
Zweikämpfe zu ersetzen, die sehr oft entlang der Bande ausgetragen worden sind.
Der SCB hat die europäischen Überflieger zur Landung gezwungen.
Können
wir einem Trainer einen Vorwurf machen, der scheitert, weil er auf der Suche
nach noch besseren Hockey war? Weil er zu viel wollte? Nein, das können wir
nicht. Denn wir brauchen zur Entwicklung unseres Hockeys solche Trainer. Das
Scheitern Arno Del Curtos ähnelt durchaus dem Scheitern eines anderen Trainers,
der so viel zur Entwicklung unseres Hockeys beigetragen hat: dem Scheitern von
Luganos John Slettvoll. Der Schwede wollte auch immer besseres Hockey – aber
mehr aus Grössenwahn denn aus Leidenschaft. Anders als Arno Del Curto suchte er
nicht das ultimative Tempohockey. Sondern die totale defensive Kontrolle – und
stürzte heftig ab. Der Anfang vom Ende war sein sensationelles Scheitern im
Viertelfinale von 1992 gegen den ZSC. An der Bande der Zürcher stand ein damals
unbekannter, leicht verrückter Coach: Arno Del Curto.
Das
Scheitern des HC Davos zeigt uns noch etwas: die NLA ist eine der besten und
ausgeglichensten Ligen ausserhalb Nordamerikas. Seit den ZSC Lions im Frühjahr
2001 ist es nie mehr einer Mannschaft gelungen, den Titel zu verteidigen. Wer
Meister werden will, darf sich nicht ablenken lassen. Wer sich nach Neujahr
nicht hundertprozentig auf die Meisterschaft konzentriert, stürzt ab.
2009
gewannen die ZSC Lions die Champions Hockey League. In den Playoffs scheiterten
sie zwei Monate später im Viertelfinale gegen Gottéron kläglich (0:4). Der SC
Bern bezahlte seinen Cupsieg von 2015 mit kläglichem Scheitern im Halbfinale
gegen Davos (0:4) und die ZSC Lions holten 2016 den Cup und haben das
Viertelfinale gegen den SC Bern sang- und klanglos verloren (0:4). Die beiden Cupfinalisten
(2015 Kloten Flyers, 2016 Lausanne) verpassten gar die Playoffs.
Wird
der HC Davos nächste Saison wieder ein Titelkandidat sein? Arno Del Curto wagt
ein hochriskantes Experiment. Er verliert Meistergoalie Leonardo Genoni
ausgerechnet an den SC Bern und geht mit Gilles Senn (20) und Joren van
Pottelberghe (19) in die neue Saison. Senn hat bisher 10 Partien in der NLA
bestritten, Van Pottelberghe keine. Hat der HC Davos ab heute ein
Goalie-Problem? Nach allem, was diese Saison schon passiert ist, wäre eine
Prognose das Resultat unverzeihlicher Arroganz. Aber die HCD-Goalies werden uns
nächste Saison viel Stoff für gute, dramatische Storys liefern. Und Arno Del
Curto natürlich auch.