Damien Brunner war schon Liga-Topskorer (2011/12). Er hat sich als erster Schweizer Stürmer in der NHL durchgesetzt (2012 bis 2014: 125 Spiele/67 Punkte) und in unserer höchsten Liga in über 700 Partien schon mehr als 300 Tore erzielt. Er gilt als einer der smartesten Schweizer Stürmer der letzten 30 Jahre. Aber er war noch nie Meister. Auf seinen Schultern fehlt auch der silberne Sternenstaub der WM-Finals von 2013 und 2018. Wie kann das sein?
Damien Brunners Karriere gibt genug Stoff für eine abendfüllende Film-Dokumentation. Sie beginnt mit einer der grössten Fehleinschätzungen unserer Hockeygeschichte: Eigentlich hat sich Zug im Oktober 2008 des Diebstahls schuldig gemacht. Der Tausch mit Kloten – Damien Brunner gegen Thomas Walser – kann fast nur als solcher bezeichnet werden. Zugs Trainer Doug Shedden brachte es damals auf den Punkt: «Es ist ein Wahnsinn, dass wir Walser gegen Brunner eintauschen konnten.» Drei Jahre später stürmt Damien Brunner in der NHL und Thomas Walser ist bei Langenthal in der Zweitklassigkeit angelangt und beendet 2011 seine Karriere. Kloten hatte damals Damien Brunner für die höchste Liga gewogen und als zu leicht taxiert.
Dass der Klotener in der Nationalmannschaft die grossen WM-Abenteuer verpasst hat, ist Pech. 2013 stürmt er in der NHL für Detroit und kann nicht zur WM nach Stockholm reisen. 2018 plagen ihn Verletzungen. Dass er noch nie Meister geworden ist, darf auch als Pech bezeichnet werden. Er kehrt im November 2014 vorzeitig aus der NHL zurück und unterschreibt in Lugano. Er ist also nicht nach Zug heimgekehrt und verpasst den Aufstieg der Zuger zum meisterlichen Titanen. In Lugano wird er nicht glücklich und auch der Transfer nach Biel (2018) scheint ihn vorerst nicht in die Nähe des meisterlichen Ruhmes zu bringen.
Inzwischen ist er 37 Jahre alt geworden. Und bekommt im Spätherbst seiner Karriere in Biel noch einmal – vielleicht zum letzten Mal – die Chance, seine Karriere doch noch mit einem Meistertitel zu krönen. Es gibt Titanen der Offensive, denen die Krönung verwehrt bleibt, auch im Fussball: Johan Cruyff, George Best, Michel Platini, Roger Milla oder Eric Cantona sind nie Weltmeister geworden.
Der Vergleich mit dem Fussball ist bewusst gewählt. Damien Brunners Leichtigkeit des Skorens, seine leichtfüssige Unberechenbarkeit und der Hauch der Genialität in seinem Spiel können wir am anschaulichsten am Beispiel eines Fussballers erklären. Damien Brunner ist ein wenig der Manoel Francisco dos Santos – genannt Garrincha – unseres Hockeys.
Es geht um die Interpretation des Spiels. Nicht um die ganz besondere Tragik, die sich durch das Leben des zweifachen brasilianischen Weltmeisters (1958, 1962) zieht, über den Pelé einmal gesagt hat, ohne ihn wäre Brasilien 1958 und 1962 nicht Weltmeister geworden. Die Zeitgenossen nannten Garrincha «kleines Vögelchen». Sie schwärmten, wenn er auf dem Platz stehe, berühre er den Himmel und der teutonische Sportchronist Hans Blickensdörfer schrieb einmal: «Er spielte, ohne ein Bandit zu sein, ausserhalb der Gesetze des Spiels.»
Das alles veranschaulicht ein wenig die Spielweise von Damien Brunner. Wie einst Garrincha fühlt er sich am wohlsten auf der rechten Flügelposition. Die Leichtigkeit seines Spiels. Die Eigenwilligkeit und die Selbstsicherheit, die ihn auch mal die taktischen Gesetze ignorieren lassen, ohne deshalb ein taktischer Bandit zu sein. Der Hauch des Genies, das sein Spiel in lichten Momenten umweht. Das alles ist gerade in einem so rauen, stark von Disziplin und taktischen Schablonen geprägten Spiel wie Eishockey noch bemerkenswerter als bei einem brasilianischen Fussballkünstler. Es lohnt sich, ein Ticket zu kaufen, nur um Damien Brunner zu sehen.
Einmal haben wir am Freitag im ersten Finalspiel all dies im hellsten Lichte aufblitzen sehen. Wer weiss, welchen Verlauf diese Partie genommen hätte, wenn Damien Brunner früh im Spiel und nicht erst in den Schlussminuten (zum 2:1-Anschlusstor) getroffen hätte. Blitzschnell zog er nach innen vors Tor, zauberte den Puck durch die eigenen Beine und scheiterte an Robert Mayer. Auch Servettes Torhüter ist ein Genie seiner Zunft, der seine wechselvolle Karriere in diesem Final doch noch krönen könnte.
Damien Brunner ist im Viertelfinal gegen den SC Bern in der vierten Partie verletzt ausgeschieden. Im vierten und letzten Halbfinalspiel gegen die ZSC Lions ist er zurückgekehrt. Nun hat er zum Finalauftakt in Genf in der 57. Minute auf 2:1 verkürzt. Sein erster Treffer in den diesjährigen Playoffs.
Biel braucht Damien Brunners Tore, seine Unberechenbarkeit, seine Kreativität und nicht zuletzt sein keckes Selbstvertrauen, wenn es die «Lawine Servette» aufhalten will. Und Damien Brunner braucht Biel, um Meister zu werden. Sein Vertrag läuft zwar noch ein Jahr. Aber dieses Biel steht in einer wunderbaren Abendröte seiner Entwicklung. Es muss nicht, aber es kann Jahre dauern, bis Biel einem nächsten Meistertitel wieder so nahe kommen wird. Es ist wohl Damien Brunners letzter Meister-Tango.
Postfinance Arena. Etwa vor 5 Jahren. Mein Sohn, damals 12 jährig ruft Brunner nach dem Einspielen zu, ob er seinen Stock erhalten dürfte. Nach dem Spiel! ruft ihm dieser zurück. Nach dem Match natürlich unzählige vor Ort. Fragen nach Brunners Stock. Seine Augen schweifen so durch die Menge bis er etwa in der 3. Reihe meinen Sohn erblickt. Zwinkert ihm mit den Augen zu und lächelt. Sekunden später wirft er ihm den Stock zu!
Grande Brunner!
Auch das Zweihänder-Interview vergesse ich nie-🤣