Das Spiel ist aus, der Viertelfinal verloren, die Saison zu Ende: Die Klotener trotten vom Eis, deponieren ihre Stöcke ordentlich an der dafür vorgesehenen Stelle im Gang und verschwinden in der Kabine. Ohne Zorn. Still, in leiser Melancholie. Keiner flucht, keiner zertrümmert sein Arbeitsgerät im Zorn, wie das manchmal vorkommt.
Auch die dritte Niederlage im Stadtzürcher Hockey-Tempel – es ist insgesamt die vierte und damit endgültige in diesem Viertelfinal – ist eine unglückliche. Die zweite war bereits durch ein einziges, umstrittenes (aber letztlich reguläres) Tor entschieden worden. Und nun hat Juho Lammikko den Puck mit dem Schlittschuh zum 3:2 ins Tor gelenkt. Die Schiedsrichter sehen auf dem Video nach und kommen zum Schluss, dass der Finne seinen Schlittschuh zwar quergestellt hatte. Aber eine Kickbewegung können sie nicht erkennen. Wäre der Treffer annulliert worden, hätte das zwar berechtigte Diskussionen ausgelöst – aber der Entscheid wäre auch vertretbar gewesen. So wie das halt ist bei Ermessensentscheiden.
Trainer Lauri Marjamäki wird bei der «Manöver-Besprechung» von den Chronisten ein Steilpass zugespielt, den er wunderbar zu Ausreden und zum Lamentieren über das Schicksal der Kleinen, fehlendes Glück und sonst allerlei Ungemach hätte verwerten können. Er tut es nicht. Ganz im Gegenteil. Er nimmt die Schiedsrichter in Schutz, die es gerade in den Playoffs nicht einfach haben. «Wir alle machen Fehler und ich weiss es zu schätzen, dass die Schiedsrichter sehr gut mit uns kommunizieren.» Es sei sogar vorgekommen, dass einer einen Fehler eingestanden habe. «Das ist bemerkenswert.»
Mit der Feststellung ist er durchaus einverstanden, dass seinem Team jene Prise Glück gefehlt habe, ohne die selbst tapfere Aussenseiter einen Titanen nicht besiegen können. Aber er sagt auch: «Glück muss man sich erarbeiten.» Keine Ausreden suchen, obwohl es viele gäbe, das Scheitern selbstkritisch betrachten: Das sind die Grundvoraussetzungen, um besser zu werden. Gerade die Tage des Play-In und des Playoff-Viertelfinals nähren die Hoffnung, dass Kloten nach vielen Irrungen und Wirrungen zu seinen Ursprüngen, zur selbstsicheren Bescheidenheit zurückgefunden hat.
Die Umstände waren diese Saison schwierig und das Glück war oft nicht mit den tapferen Klotenern. Topskorer Miro Aaltonen ist nach 36 Spielen in einem Schneesturm verloren gegangen und stürmt inzwischen für den SC Bern. Darüber hinaus fehlte «Schluefweg-Andrighetto» Axel Simic in den beiden ersten Viertelfinal-Partien. Die Steigerung im ersten Jahr unter Lauri Marjamäki ohne massive Investitionen auf dem Transfermarkt wie einst zu den wilden Zeiten der «Belle Epoque» des Klotener Hockey-Kapitalismus unter den Präsidenten Jürg Bircher oder Philippe Gaydoul grenzt schon fast an ein Hockeywunder:
Hat Kloten diese Saison ein Optimum aus seinen Möglichkeiten herausgeholt oder gar über seinen Verhältnissen gelebt? Oder kann Kloten noch besser werden? Das sind interessante Fragen im Hinblick auf die nächste Saison. Mit ziemlicher Sicherheit sind die Klotener mit dem Schwung aus einem famosen Saisonstart (in den ersten sieben Partien sechsmal gepunktet) höher geflogen, als es ihren sportlichen Möglichkeiten entsprochen hat. Aber bei der nächsten Saisonprognose den EHC Kloten wieder auf Rang 14 zu setzen, wäre denn doch respektlos, ja sogar boshaft.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Aber eben: Am Ende steht das Scheitern gegen die ZSC Lions, das knapper war, als die Resultate (1:5, 0:5, 0:1, 2:1, 2:5) vermuten lassen. Es ist das Scheitern der Tapferen gegen ein übermächtiges System. Ganz wie in den Filmen von Ari Kaurismäki. Den Vergleich mit dem preisgekrönten finnischen Gross- und Hexenmeister der melancholischen Filmkunst mag Lauri Marjamäki. Er mahnt ja mit seiner Demut, mit der er sich ins Schicksal fügt, schon ein wenig an eine Figur aus diesen Filmen.
Die Klotener hatten den Favoriten einige Male arg in Bedrängnis gebracht. Aber sie waren letztlich nicht dazu in der Lage, eine Fünfminutenstrafe auszunützen und die 2:1-Führung im Schlussdrittel über die Zeit zu retten. Der Trainer sagt: «Dieses Spiel spiegelt ein wenig unsere ganze Saison. Wir sind dazu in der Lage, auf hohem Niveau zu spielen. Aber noch nicht konstant.» Seine Mannschaft stehe in einem Entwicklungsprozess und die Erfahrung aus dieser Saison, aus diesen Playoffs sei wichtig.
Lauri Marjamäki ist bei aller Enttäuschung guter Dinge: «Wir haben ein sehr gutes Management und beste Entwicklungsperspektiven. Ich habe in Kloten die Freude an meinem Beruf wiedergefunden.» Es mache Spass, mit dieser Mannschaft zu arbeiten. «Die Spieler kommen mit einem Lächeln zu jedem Training.» Meistens gute Laune, auch im Winter viel Sonne und leise Melancholie nur in der Niederlage am Ende einer langen Saison: Das tut der Seele eines Mannes sicherlich wohl, der bis zu seinem Umzug nach Kloten immer in seiner Heimat der langen, dunklen Winternächte gearbeitet hat.
Bleibt noch die Frage, ob es für Torhüter Sandro Zurkirchen (35) nach mehr als 10 Jahren und 400 Einsätzen das letzte Spiel (er war auf der Ersatzbank) in der höchsten Liga war. «Ich hoffe es nicht.» Der Abschied aus Kloten sei definitiv. Aber es gebe noch Gespräche mit anderen Klubs. Welche, mag er nicht verraten. Logisch: Es spielt ja beispielsweise eine Rolle, ob Ajoie oben bleibt oder Visp aufsteigt oder wie Visp Robin Meyer (wechselt zu Langnau) zu ersetzen gedenkt.
PS: Eine Frage des Chronisten geht noch an Lauri Marjamäki. Um eine so blamable Saisonprognose (14. Platz) im nächsten Herbst zu vermeiden. Auf welchem Rang sehen Sie ihre Mannschaft nächste Saison? «Die Prognose ist Ihre Sache …» Wagen wir also eine Prognose: Rang 7. Die Klassierung dieser Saison. Null Risiko also.
Alleine die Aussage, er hätte in Kloten wieder Freude an seinem Job gefunden, macht so vieles her. Und hätten die Klotener einen anderen VF-Gegner gehabt, wer weiss...
Well done Kloten, ihr habt immerhin länger durchgehalten als Zug :D