Federica Brignone holte sich vor einer Woche mit dem Sieg im Super-G von La Thuile die zweite grosse Kugel ihrer Karriere. Ein paar Stunden nach ihrem Sieg schrieb sie eine Dankesbotschaft an jemanden, der ihr sehr viel bedeutet und der sie die ganze Saison über begleitet hatte: André Marty.
Der Freiburger ist derjenige, der den Helm der italienischen Weltmeisterin entworfen hat. Diesen Tiger, der vor jedem Rennen der Transalpine aus dem Starttor zu springen scheint und eine Geschichte hat, die traurig und hoffnungsvoll zugleich ist, und die André Marty erzählt, wobei er manchmal seine Tränen unterdrückt.
André Marty, Sie haben in Ihrer Karriere Tausende von Helmen entworfen …
Das stimmt. Wir kommen in den 45 Jahren unserer Geschichte ungefähr auf 40'000 Exemplare.
… aber der von Federica Brignone ist etwas Besonderes. Warum ist das so?
Also … wie soll ich es sagen? Ich habe Federicas Bestellung zu Beginn der Saison, im Oktober, erhalten. Zur gleichen Zeit erfuhr ich, dass ich eine ziemlich schwere Krebserkrankung hatte. Also habe ich diesen Helm mit … (unterbricht gerührt) mit einer enormen Liebe zu meiner Arbeit (gemacht), vor allem in dieser Lebensgeschichte, die ich gerade durchmachte. Diese Zeichnung für Federica habe ich unter Schmerzen gemacht, aber auch unter ungeheurem Glück, mit vielen Tränen.
Haben Sie deshalb ein ganz besonderes Metall in den Helm eingearbeitet?
Ja, statt einer «einfachen» Farbe habe ich alle gelben Teile des Designs mit 24-karätigem Blattgold überzogen, das Temperatur- und Höhenunterschiede perfekt aushält. Mit diesem Helm, ich weiss nicht warum, hat sie … (seine Stimme bricht ab) die ganze Saison alle überflügelt. Sie hat mir mehrmals erzählt, dass sie die Vorteile dieses ganz besonderen Helms gespürt hat.
Es ist, als hätten Sie ihm etwas von Ihrer Kraft übertragen.
In gewisser Weise, ja. Aber vielleicht hat sie mir diese Kraft gegeben, um meine Krankheit zu bekämpfen.
Hat es Ihnen geholfen, dass Sie den Auftrag zu diesem Zeitpunkt erhalten haben?
Natürlich, sehr sogar. Und als sie mit diesem Helm zu explodieren begann und gute Ergebnisse erzielte, habe ich ihr Nachrichten geschickt, die sie immer beantwortet hat. Es entstand eine kleine Verbindung zwischen uns.
Weiss sie von Ihrer Krankheit?
Ja, sie weiss davon.
Fühlen Sie sich wohl, darüber zu sprechen? Wir können das Interview jederzeit abbrechen, wenn Sie möchten.
Nein, nein. Auch wenn es schmerzhaft ist, bleibt es eine sehr schöne Geschichte, denn meine Kinder (Red.: arbeiten mit ihm in seiner Firma Marty Design) haben die Herausforderung angenommen, den ganzen Winter über so viel wie möglich ohne mich zu arbeiten, was ziemlich stark ist.
Wir können uns vorstellen, dass es für Sie auch sehr besonders war, einen Tiger zu zeichnen, ein Tier, das Stärke und Mut verkörpert.
Das stimmt. Auch der Kontext war besonders, denn zu Beginn der Saison wusste Federica noch nicht, ob sie einen oder zwei Sponsoren auf dem Helm haben würde. Sie bat mich daher, mich noch etwas zu gedulden. Ich meinerseits musste sie ein wenig bedrängen, indem ich ihr sagte, dass ich mir die 15 Stunden, die ich für diese Zeichnung benötige, jetzt nehmen müsse, da ich nicht wisse, in welcher Form ich in den nächsten Wochen sein würde.
Haben Sie eine besondere Vorliebe für Tiger?
Nein, ich mag dieses Tier nicht mehr als andere. In den 80er und 90er Jahren tauchten die ersten «Bestien» auf den Helmen auf, William Besse hatte einen Wolf, Xavier Gigandet einen Tiger. Ich bin kein Fan von Tigern. Was mich interessiert, ist eher, wer das Tier «transportiert». Das Bild muss für seinen Besitzer einen Sinn ergeben. Nehmen wir das Beispiel von Camille Rast …
Ja bitte …
Ich habe Minions auf ihren Helm bei den diesjährigen Weltmeisterschaften gezeichnet. Das war zu einem Zeitpunkt in ihrer Karriere, als Camille zweifellos ein wenig Humor und Leichtigkeit brauchte. Sie war Zweite in der Gesamtwertung und hätte sich zu Beginn der Saison nie vorstellen können, eine solche Position zu erreichen. Sie sagte sich, dass sie sich amüsieren wollte, fand die Figuren lustig und es passte zu ihrer momentanen Geschichte: Sie fand zu einer Form von Leichtigkeit zurück, die es ihr ermöglichte, Weltmeisterin im Slalom zu werden.
Es wird oft von der Bedeutung der mentalen Einstellung im Sport gesprochen. Glauben Sie, dass ein individuell gestalteter Helm dem Skifahrer hilft, eine andere Herangehensweise zu wählen, eine Geisteshaltung, die ihm hilft, ein paar Hundertstel herauszuholen?
Wenn sich die Athleten mit dem Motiv, das sie für ihren Helm gewählt haben, wohlfühlen, kann es sie tatsächlich über sich hinauswachsen lassen. Bei der WM hat es Camille befreit, und ich habe Artikel gelesen, in denen es hiess, dass Federica von dem Tiger auf ihrem Helm besessen sei. Das ist ziemlich verrückt!
Die Skisaison geht bald zu Ende, aber Ihr Kampf geht weiter. Wie geht es Ihnen heute, sechs Monate nach der Krebsdiagnose?
Ich bin immer noch in Behandlung. Ich hatte gerade eine schwere Operation, bei der der Tumor entfernt wurde. Ich werde die Chemotherapie fortsetzen und alles auf eine Karte setzen.
Wir schicken Ihnen viel Kraft und Mut.
Ich nehme das alles gerne an, vielen Dank.
Weiterhin viel Kraft beim Kampf gegen den Krebs!
Alles Gute!