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Einer hat es immer gewusst und offen gesagt. Der ehemalige FIFA-Mediengeneral Guido Tognoni – mit ziemlicher Sicherheit der beste Kenner des FIFA-Fuchsbaus – sprach stets unbeirrt von einem Salär in «zweistelliger Millionenhöhe» für Präsident Sepp Blatter. Der Jurist hatte eine Begründung, die so einfach war, dass wohl gerade deshalb niemand genauer nachfragte: «In der FIFA-Rechnung ist regelmässig eine zweistellige Millionensumme diskret als ‹Boni› ausgewiesen worden.» Diese Boni ohne personelle Zuordnung seien dem kleinen FIFA-Führungszirkel ausbezahlt worden. «An wen denn sonst?»
Mit den Enthüllungen über die exorbitanten Boni sind die Illusionen zerstoben, Sepp Blatter sei mehr Opfer als Täter. Sei nicht Teil des «Bösen», sondern habe das «Böse» in seiner Dimension gar nicht erkannt oder bloss geduldet, um an der Macht und Präsident bleiben zu können. Die Illusionen, es sei ihm immer nur um das Wohl des Fussballs gegangen und das Geschäft sei halt so gross geworden, dass er ein wenig den Überblick verloren habe. Die Illusionen, Sepp Blatter sei einer, der er stets selbstlos im Dienste der Sache tätig war und höchstens ein wenig in die Macht verliebt. Und da gibt und gab es ja stets auch die schönen Verschwörungstheorien über die Machenschaften der amerikanischen Imperialisten, die es bloss auf die vollen FIFA-Kassen abgesehen haben.
Immerhin hat Sepp Blatter die Rolle des gutmeinenden Präsidenten seit 1998 überzeugend gespielt. Aber offensichtlich ist er weder ein Robin Hood noch ein Michail Gorbatschow oder ein Bismarck des Fussballs. Mehr und mehr wird er in diesem wahrlich shakespeareschen Drama als Macbeth entlarvt.
Guido Tognoni geht davon aus, dass es noch weitere Enthüllungen geben wird. Und sieht keine Zukunft für Sepp Blatters Nachfolger Gianni Infantino. «Sie werden selbst in England kein Wettbüro mehr finden, das davon ausgeht, dass Infantino in einem Jahr noch FIFA-Präsident sein wird.» Er ortet die Schwäche im fehlenden Fingerspitzengefühl des neuen FIFA-Chefs. Die Frage dürfe gestellt werden, ob sich der neue FIFA-Vorsitzende überhaupt auf eine Hausmacht stützen könne. Ob er sich in dieser so kritischen Phase ernsthaft um die Geschäfte und um das Personal kümmere, oder ob er seine Amtsführung bloss darauf reduziere, die Insignien seiner neuen Macht zu geniessen. «Er hat in drei Monaten mehr Rückhalt verloren als Blatter in 20 Jahren.»
Guido Tognoni hat zwar als FIFA-Kritiker Kultstatus – aber sein Wohlwollen gegenüber dieser Organisation, sein Glaube an eine erfolgreiche Reform blieben immer spürbar. Er war kritisch, sehr kritisch – aber immer auch optimistisch. Dass nun auch bei ihm zu hören und zu spüren ist, dass er die Illusionen verliert – das ist ein Alarmzeichen.
Keine Frage: Gianni Infantino ist offenbar genauso ein «Produkt» des alten, des immer mehr als «böse» entlarvten Systems wie sein Vorgänger Sepp Blatter. Dies dürfte ja ein zentraler Grund für seine Wahl gewesen sein. Ist also die FIFA, so wie wir sie gekannt haben, auch unter der neuen Führung gar nicht reformierbar? Ist die FIFA überhaupt reformierbar? Oder muss sie ganz untergehen, zerschlagen und neu aufgebaut werden? Steht die grosse, die wahre Revolution erst noch bevor?
Die FIFA ist nicht einfach eine «Firma», die Konkurs gehen oder die aufgelöst und neu gegründet werden kann. Sie ist ein Weltverband, also die Organisation von über 200 nationalen Fussballverbänden. Die FIFA wird «gemacht» von den Delegierten dieser nationalen Verbände. Für eine neue FIFA braucht es also ein neues Denken dieser über 200 Delegierten.
Unter diesen Voraussetzungen eine neue FIFA zu bauen, hiesse nicht weniger, als das Wesen und Wirken, die Wertvorstellungen von über 200 Delegierten neu zu programmieren. Oder noch einfacher: Die Welt müsste verändert, verbessert werden.
Das ist eine grosse, hehre Aufgabe. Wohl eine Nummer zu gross für Gianni Infantino.