Im Leben eines Schweizer Nationaltrainers gibt es vermutlich nichts Schwierigeres als dies: Xherdan Shaqiri zu erklären, warum er gerade ausgewechselt wurde. Spätestens seit der WM im letzten Winter weiss das auch Murat Yakin. Als Shaqiri im Spiel gegen Serbien seinen Platz räumen musste, versuchte er gar nicht erst, seinen Ärger darüber zu verstecken.
Nun wäre es natürlich übertrieben, zu behaupten, Shaqiri sei schon im tiefen Herbst seiner Fussball-Karriere angelangt. Und wenn dieser, wie gestern Sonntag in der Luzerner Swisspor-Arena, vor einem sitzt und davon erzählt, was er mit dem Schweizer Fussball-Nationalteam noch alles erreichen will, dann will man den Blick von seinem Geburtsdatum fernhalten. Und die Stimme im Hinterkopf ruft ganz laut: Ob nun Shaqiri in der Major League Soccer oder sonst wo spielt – völlig egal! Unser aller Zauberzwerg wird der Nati in alle Ewigkeit geniale Momente bescheren. Wie das einmal sein wird ohne ihn? Haben wir nicht bei Roger Federer schon viele Jahre zu früh begonnen, diese Frage zu verhandeln?
Am Freitag in Andorra wurde Shaqiri ebenfalls ausgewechselt. 2:0 stand es für die Schweiz. Und natürlich, sagt Nationaltrainer Yakin, habe er Shaqiri sofort erklärt, dass er ihn am Montag, also heute, wieder brauche, «vielleicht diesmal für 90 Minuten», weil der Gegner jetzt Rumänien heisst – und bei aller Liebe für das tapfere Andorra doch eine andere Herausforderung darstellt.
Nein, aus dem Kleinstaat Andorra sind keine Szenen eines frustrierten Shaqiri überliefert worden. Aber falls sich Yakin in einer ruhigen Minute einmal die Bilder der Medienkonferenz von diesem Sonntag anschauen sollte, dann wird er dies sehen: Wie Shaqiri sichtbar die Ohren spitzt und seine Augenbrauen in die Höhe schnellen, als Yakin darauf antworten soll, wie er denn künftig solche Momente von Shaqiri-Auswechslungen moderieren wird.
Nun, in einem Nebensatz hat Yakin festgehalten: «Manchmal muss man Xherdan bremsen.» In vielen Hauptsätzen aber hat Yakin betont: «Wenn Xherdan gesund ist, ist er immer ein Gewinn für die Nati.» Nicht nur gestern, sondern bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Auch von seinem Besuch bei Shaqiri in Chicago hat Yakin immer wieder erzählt.
Die Frage, wie lange es Shaqiri gelingt, auch auf der höchsten Bühne regelmässig Raum für seine genialen Momente zu finden, ist eine der spannendsten rund um diese Nationalmannschaft in nächster Zeit. Die Befürchtung, dass Shaqiri in der MLS mehr Zeit und Raum als beispielsweise bei einer EM 2024 in Deutschland vorfindet, sind nicht unbegründet. Andererseits hat man sich in der Nati – abgesehen von verletzungsbedingten Pausen – auch noch nie über längere Zeit ausbleibende Shaqiri-Genialitäten beklagen müssen.
Im nächsten Oktober wird Shaqiri 32 Jahre alt. Da sind erste Gedanken daran, wer dereinst Shaqiri beerben könnte, nicht gänzlich verwegen. Vor allem dann, wenn die Fussball-Schweiz regelmässig einem jungen Mann wie Fabian Rieder zuschaut.
«Jeder muss seinen eigenen Weg machen», sagt Shaqiri, als er von CH Media auf Fabian Rieder angesprochen wird. Rieders aktueller Weg sieht vor, das U21-Nationalteam an der EM-Endrunde zu führen. Darum fehlt er gegen Rumänien. «Ich hoffe, es kommt eines Tages ein anderer und spielt so gut wie ich», sagt Shaqiri noch.
Aber Zweifel an sich selbst? Nein, das dann doch nicht. Auch wenn Shaqiri sagt, der Fussball sei manchmal «schnelllebig». Der wichtigste Teil seiner Ausführungen folgt erst: «Ich geniesse jedes Nati-Aufgebot und jeden Auftritt für mein Land. Und ich bin zuversichtlich, dass ich noch viele Jahre Fussball spielen kann.» Und zwar auf höchstem Niveau. (aargauerzeitung.ch)