Mit leicht gebeugter Haltung folgt Bislimi dem Medienchef und lauscht den letzten Orientierungen, bevor er sich am Rand von einem der vielen Rasenplätze im Sportzentrum Tenero den Interviews stellt. Eigentlich ist dies nichts Unbekanntes für den Mittelfeldspieler, allerdings gibt er erstmals im Dress der Schweizer Nationalmannschaft Auskunft.
Dies tut Bislimi bedacht. Der Basler geht von Station zu Station und wiederholt mantraartig die Antworten, die er im Kopf vorbereitet hat. Mit dem Aufgebot fürs Schweizer Nationalteam sei ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Es sei der Lohn für die harte Arbeit in den letzten Jahren. Und nun wolle er sich für einen Einsatz aufdrängen. Das also, was ziemlich jeder Neuling im Nationalteam sagt. Und doch schwingt bei Bislimi etwas Spezielles mit.
Es gibt Spieler wie Granit Xhaka, die in ihrer Karriere nur einen Weg kannten: den direktesten. Der Basler spielte sich über Concordia Basel in den Nachwuchs des FC Basel, wo er auch von den Talentsuchern des schweizerischen Fussballverbands entdeckt wurde. Er ging stetig vorwärts, gab mit 17 Jahren das Debüt in der Super League und kam als 18-Jähriger zum ersten Einsatz in der A-Nationalmannschaft. Inzwischen hat Xhaka in der Bundesliga (Mönchengladbach) und in der Premier League (Arsenal) gespielt und ist Captain der Schweizer Auswahl.
Er ist ein Musterbeispiel für den von Swiss Olympic propagierten Athleten-Weg FTEM (Foundation, Talent, Elite, Mastery). Und obwohl nicht bei allen die Route so geradlinig verläuft, hat inzwischen die Mehrheit der Nationalspieler eine ähnliche Entwicklung hinter sich. Anders ist es bei Bislimi. Er hat Umwege und Abzweigungen genommen und bildet damit eine der selten gewordenen Ausnahmen.
Bislimi begann gleich wie Xhaka: Über Concordia Basel landete er im Nachwuchs des FC Basel. Der wichtigste Schritt, der Übergang zum A-Team, gelang ihm jedoch nicht. 2019 wechselt er deshalb zum FC Schaffhausen in die Challenge League. Die zweithöchste Liga der Schweiz wird als Sprungbrett bezeichnet, oft verkommt sie aber eher zum Abstellgleis.
Auch Bislimi brauchte Geduld. Drei Jahre spielte er zweitklassig, ehe ein Super-League-Team auf ihn aufmerksam wurde. Nach der starken Saison, in der Schaffhausen die Barrage erreichte (und an Luzern scheiterte), kam das Interesse von Lugano. Nach dem ersten Spieltag der abgelaufenen Saison wechselte er zu den Tessinern, mit denen er künftig europäisch spielt.
Im Nationalteam schien Bislimis Weg nach einem Länderspiel mit der Schweizer U19 beendet. Deshalb folgte der Doppelbürger ab der U21 dem Ruf aus dem Kosovo. Im vergangenen November, als die Schweizer in Katar waren und sich auf die WM vorbereiteten, gab er das Debüt in Kosovos A-Team. In den Testspielen gegen Armenien (2:2) und Färöer (1:1) stand er jeweils in der Startelf und erzielte sogar einen Treffer. Davor und danach lehnte er aber zweimal ein Aufgebot ab. Er hoffte immer noch, es ins Schweizer Nationalteam zu schaffen.
Diese Hoffnung hatte einen Namen: Murat Yakin. Er hatte Bislimi 2019 zum FC Schaffhausen geholt und ihn zwei Jahre lang gefördert, ehe er Nationaltrainer wurde. Und er dürfte Bislimi auch davon überzeugt haben, auf seine Chance zu warten.
Vorerst schaffte es Bislimi nur auf die Pikettliste, die Ferien waren bereits geplant. «Als ich dann sah, dass der Coach anruft, war ich schon ein bisschen schockiert», sagt Bislimi. Wird er in einem der beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Andorra (Freitag, 16. Juni) und Rumänien (Montag, 19. Juni) eingesetzt, könnte er definitiv nicht nochmals die Nation wechseln. Doch das scheint sowieso kein Thema mehr zu sein. Er habe sich für die Schweiz entschieden, nicht gegen den Kosovo, hält Bislimi immer wieder fest. Natürlich sei sein Entschluss nicht überall gut angekommen. «Aber meine Familie und mein Umfeld unterstützen mich. Und das ist mir wichtig.»
Im September und November trifft die Schweiz erst auswärts, dann daheim auf den Kosovo. So weit nach vorne mag Bislimi jedoch nicht blicken. Vorerst geniesst er den krönenden Abschluss einer Saison, die für ihn noch in der Challenge League begonnen hat. (mom/sda)