«Fehlentscheide» und langes Warten: Immer wieder Ärger mit den Schiris und dem VAR
Den Schiedsrichter zum Schuldigen zu erklären, ist ein beliebtes Mittel für Fans wie Spieler und Trainer, um eine Niederlage zu rechtfertigen. Wenn man einen Penalty hätte bekommen müssen oder ein Tor des Gegners nicht hätte zählen dürfen, wirkt die 0:4-Klatsche gleich weniger dramatisch. Da wird erst pflichtbewusst betont, dass die Unparteiischen einen schwierigen Job hätten, nur um dann ordentlich draufzuhauen.
Gleichzeitig darf seit der Einführung des Videobeweises eigentlich erwartet werden, dass es (nahezu) keine klaren Fehlentscheide mehr gibt. Und doch passiert es immer wieder, dass in der Super League Entscheidungen getroffen werden, die im Nachhinein breit diskutiert werden. In dieser Woche war dies gleich in mehreren Stadien der Fall.
Kein Penalty in St.Gallen
Am Dienstag unterlag Sion in St.Gallen 1:3. Für die Walliser ist die Niederlage nicht nur wegen der zwischenzeitlichen Führung bitter. So gab es beim Stand von 1:0 für Sion einen strittigen Entscheid, den mehrere Experten als klaren Fehler sehen.
FCSG-Spieler Behar Neziri zupfte Sions Rilind Nivokazi im Strafraum am Trikot, woraufhin dieser zu Boden ging. Schiedsrichter Lukas Fähndrich entschied nach Betrachten der Videobilder nicht auf Foulspiel. Sions Numa Lavanchy sagte danach bei Blue: «Ich will nichts sagen, sonst sage ich etwas Schlechtes und die Liga kommt. Das wäre nicht gut für mich.»
In Fähndrichs Augen wäre Nivokazi bereits vor dem Zerren aus dem Gleichgewicht geraten und habe einen Gegenspieler zudem mit dem Ellbogen getroffen, also selbst ein Foulspiel begangen. Dies berichtet Schiedsrichter-Experte Bruno Grossen bei dem Pay-TV-Sender – und widerspricht Fähndrich im gleichen Zuge: «Man sieht einen klaren Trikotzupfer. Und wenn man so zupft, dann ist es einfach Penalty.» Ex-Profi Admir Mehmedi schlägt in dieselbe Kerbe: «Das muss Penalty geben!»
Penalty in Luzern
Einen Penalty gab es hingegen beim 2:1-Sieg des FCB in Luzern. Dort wurde Basels Dominik Schmid im Strafraum vermeintlich gefoult. Schiedsrichter Luca Piccolo zeigte sofort auf den Punkt. Sehr zum Unverständnis der beiden Blue-Experten Alex Frei und Daniel Gygax. «Für mich ist der Penalty ein absoluter Witz», polterte Letzterer und fügte an: «Ich verstehe es hinten und vorne nicht. Genau für solche Situationen hat man den VAR!» Dieser griff jedoch nicht ein. Weil Xherdan Shaqiri den Penalty nicht nutzte, blieb der Entscheid ohne Folgen.
Frei beliess es aber nicht nur bei der Kritik am Elfmeterpfiff in der 16. Minute. Der frühere Stürmer liess kein gutes Haar an der Schiedsrichterleistung Piccolos: «Es ist mir unerklärlich, wie man so viele Fehlentscheide innerhalb von zehn Minuten machen kann. Das ist in etwa so, wie wenn der rechte Verteidiger siebenmal den Ball nicht stoppen kann und über die Linie fliegt. Unfassbar für mich!» Ex-Schiedsrichter Stephan Klossner erklärte: «Er hat zwei glasklare Fouls mit glasklaren dunkelgelben Karten nicht gesehen und hat einen sehr strengen Penalty gepfiffen, der eigentlich falsch ist. Das sind drei Fehler zu viel.»
VAR-Ärger in Bern
Im Spektakelspiel zwischen YB und GC (2:6) sorgte nicht ein Fehlentscheid für Ärger, sondern das wiederholte lange Warten auf Schiedsrichter und VAR. Insgesamt sei das Spiel eine Viertelstunde unterbrochen gewesen, schreibt Nau. In einigen Szenen dauerte es mehrere Minuten, bis Videoassistentin Déborah Anex den Schiedsrichter Alessandro Dudic an den Bildschirm rief.
In der 67. Minute trifft YB-Verteidiger Ryan Andrews Gegenspieler Lovro Zvonarek am Fuss, nach über 2 Minuten schaut sich Dudic die Szene an und revidiert seinen Entscheid. Der gefoulte GC-Spieler scheitert aber an YB-Goalie Marvin Keller.
Knapp zehn Minuten später bekommt Salifou Diarrassouba von den Grasshoppers den Ball an den Arm, Dudic lässt das Spiel aber weiterlaufen. Erneut greift der VAR ein, wieder dauert es, bis der Schiedsrichter die Szene selbst ansieht. Nach sechs Minuten läuft das Spiel einfach weiter – ein YB-Spieler hatte im Abseits gestanden.
Die langen Unterbrüche sorgten nicht nur bei den Fans im Stadion für Ärger. SRF-Kommentator Sascha Ruefer riss irgendwann ebenfalls der Geduldsfaden: «Jetzt entscheidet euch, Himmel, Herrgott nochmal», sagte er einmal. Später beschwerte er sich: «Das geht viel zu lang. So macht das wenig Sinn.»
Für einmal dürfte der oft gescholtene Ruefer damit vielen Fans aus der Seele gesprochen haben. Wenn ein Sechstel der vorgesehenen 90 Minuten dafür draufgehen, auf VAR und Schiedsrichter zu warten, ist das ärgerlich – zumal es weiterhin Fehlentscheide gibt, wenn man den Experten glaubt.
Auch sechseinhalb Jahre nach Einführung des Videobeweises bleiben also Probleme und beeinflussen Schiedsrichter zum Teil den Ausgang eines Spiels. Womit die Ausrede mit dem Schiri weiterhin im Répertoire vieler Spieler und Trainer bleiben dürfte.
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