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The Players Tribune: Granit Xhaka spricht über den Hass der Arsenal-Fans

«Der schwierigste Moment» seines Lebens: 2019 legte sich Granit Xhaka bei einer Auswechslung mit den Arsenal-Fans an.
«Der schwierigste Moment» seines Lebens: 2019 legte sich Granit Xhaka bei einer Auswechslung mit den Arsenal-Fans an.bild: screenshot dazn

«Meine Koffer waren gepackt» – Xhaka spricht offen über den Hass der Arsenal-Fans

13.04.2022, 17:5914.04.2022, 13:43
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Im Winter 2019/2020 sass Granit Xhaka in London schon auf gepackten Koffern. Der Nati-Captain schien bei Arsenal keine Zukunft mehr zu haben, nachdem er sich im Oktober 2019 beim 2:2 gegen Crystal Palace während seiner Auswechslung mit den pfeifenden Fans der «Gunners» angelegt hatte. Xhaka hielt sich die Hand ans Ohr, zoffte sich mit den Anhängern und warf sein Trikot auf den Boden.

Xhaka bekam in der Folge puren Hass zu spüren – von überall wurde auf ihn eingeprügelt, als Arsenal-Captain wurde er abgesetzt. Bei «The Players' Tribune» sprach der heute 29-Jährige nun erstmals ausführlich über den «schwierigsten Moment» seines Lebens, was dieser mit ihm gemacht hat und warum er trotz allem bei Arsenal geblieben ist.

Xhaka über ...

... den Moment im Oktober 2019:

«Wenn ich die Augen schliesse, kann ich immer noch die Gesichter der Fans sehen. Ich kann ihre Wut sehen. Es ist nicht so, dass sie mich nicht mögen. Nein, das ist etwas anderes. Das ist Hass. Purer Hass. Ich übertreibe hier wirklich nicht.»
Das komplette Interview mit Xhaka.Video: YouTube/Players' Tribune Football
«Ich hasse es noch immer, nach den Spielen zum Spielertunnel zu gehen. Ich applaudiere den Fans und so, aber mein Kopf bleibt immer unten, ich schaue auf diesen fünf bis sieben Metern nie hoch. Wenn wir gewinnen, ist es okay, denn dann weiss ich, dass keiner etwas sagt. Aber wenn wir verlieren, dann hasse ich es. Denn ich erkenne immer noch die Gesichter der Fans von damals.»
«Ich hatte zuvor noch nie Probleme mit den Fans. Natürlich gibt es Leute, die dich mehr oder weniger mögen und die dich kritisieren. Das gehört zum Fussball. Aber dass sich ein ganzes Stadion gegen dich erhebt, zuhause – das ist nicht normal für mich. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen.»
Die Xhaka-Auswechslung gegen Crystal Palace.Video: YouTube/Arsenal Editor
«Vom Stadion dauert die Heimfahrt mindestens eine Stunde. Niemand sagte dabei ein Wort. Später riefen mich Hector Bellerin und Bernd Leno an. Sie unterstützten mich und sagten, dass sie hinter mir stehen, egal was passiert. Das hat mir sehr gutgetan.»

... sein aktuelles Verhältnis zu den Fans:

«Was wollen die Fans von mir? Sie bedingungslos zu lieben? Nein, das kann ich nicht mehr, weil ich nicht fake bin. Dafür ist zu viel passiert. Natürlich werde ich auch geliebt und respektiert. Aber in jenem Moment – da war es komplett anders.»
«Es ist wie zerbrochenes Glas. Man kann es wieder zusammenflicken, aber die Risse werden immer da sein. Ich verstehe, dass wir nie Freunde sein werden, aber ich hoffe, dass wir uns gegenseitig mit Ehrlichkeit und Respekt behandeln.»
epa09653158 Arsenal's Granit Xhaka (C) reacts after the English Carabao Cup quarter final between Arsenal FC and Sunderland AFC in London, Britain, 21 December 2021. EPA/Facundo Arrizabalaga EDIT ...
Ganit Xhaka und die Arsenal-Fans – die grosse Liebe wird das nicht mehr.Bild: keystone
«In der Schweiz machst du einen Fehler und alle sagen: ‹Das kann passieren. Es ist okay.› Wenn du hier einen Fehler machst ... ich bin zu 100 Prozent sicher, dass die Spieler hier Angst haben, Fehler zu machen. Und zwar wegen den Leuten da draussen. Ihre Meinung ändert sich unglaublich schnell: Du musst nur ein schlechtes Spiel einziehen und alle sagen: ‹Oh, er ist so scheisse. Wechselt ihn aus.›»

... die Gründe für den Verbleib bei Arsenal:

«Mein Vater sagte mir nach jenem Abend: ‹Es ist Zeit zu gehen.› Und ich war eigentlich auch schon weg. Ich hatte einen Vertrag eines anderen Klubs vorliegen, nur meine Unterschrift fehlte. Wir waren bereit zu gehen, die Koffer waren gepackt. Aber mein Herz sagte mir: ‹So kannst du diesen Fussballklub nicht verlassen.› Das hätte nicht zu mir gepasst.»
«Wieso ich geblieben bin? Nur wegen Mikel. (Arteta, Anm.d.Red.) Ich hatte zwei Unterhaltungen mit ihm, als er Trainer wurde. Er wollte die Story von mir hören. Und ich sagte ihm, dass meine Zeit hier vorbei ist, dass ich dieses Trikot nicht mehr tragen möchte. Er hat das vollkommen verstanden, sagte mir aber auch, wie wichtig ich für ihn sei. Er war ehrlich, offen und hatte einen klaren Plan. Das gefiel mir. Auch wie herzlich er mit mir war. Ich spürte, dass ich ihm vertrauen konnte.»
Arsenal's manager Mikel Arteta greets Arsenal's Granit Xhaka at the end of during the English Premier League soccer match between Arsenal and Tottenham Hotspur at the Emirates stadium in Lon ...
Nur dank Trainer Mikel Arteta spielt Xhaka noch bei Arsenal.Bild: keystone
«Mikel sagte mir, ich solle ihm sechs Monate Zeit geben. Und wenn ich dann immer noch gehen wolle, sei das kein Problem. Normalerweise verbringe ich viel Zeit damit, solche Entscheidungen zu treffen. Ich spreche mit allen in meinem Umfeld und wäge das Für und Wider ab. Aber nach dem zweiten Gespräch mit Mikel entschied ich ganz alleine, zu bleiben.»
«Es war die absolut richtige Entscheidung, zu bleiben. Ich weiss nicht, was passiert wäre oder wo ich jetzt wäre, wenn ich vor zwei Jahren gegangen wäre. So konnte ich die Dinge so gestalten, wie ich das will und nicht wie andere wollen.»

... Anfeindungen gegenüber seiner Familie:

«Ich habe mir und allen immer gesagt: ‹Ihr könnt mich kritisieren. Ihr könnt über mich sagen, was ihr wollt. Aber lasst meine Familie in Ruhe.› Denn da gibt es eine Grenze: Meine Kleinen, meine Frau, mein Bruder und meine Eltern haben nichts mit mir als Fussballer zu tun.»

... den Menschen hinter dem Fussballer:

«Die Fans sehen uns nur 90 Minuten auf dem Feld und tschüss. Sie wissen nicht, wie du trainiert hast. Sie wissen nicht, wie du dich fühlst. Sie wissen nicht, ob du Probleme in der Familie hast. Es gibt so viele Dinge, die sie nicht verstehen. Oder nicht verstehen wollen. Bevor man über jemanden etwas sagt, sollte man ihn erst richtig kennen.»
«Die Leute nehmen uns anders wahr, weil wir Geld, schöne Autos und grosse Häuser haben. Von aussen sieht alles super aus. Aber das ist nicht alles: Wir haben unglaublich viel Druck. Manchmal kann ich nach einem Spiel bis 5 oder 6 Uhr morgens nicht schlafen. Die Leute wissen das? Nein, das interessiert sie nicht. Das Einfachste ist, sich hinzusetzen und auf Social Media schreckliche Dinge über uns zu schreiben.»
«Ich werde mich nicht wegen eines Menschen, der hinter einem Computer sitzt, oder eines TV-Experten, der bezahlt wird, damit er über mich spricht, verändern. Niemals. Ich hätte gerne, wenn solche Leute ehrlich mit mir sind und mich als Granit sehen und nicht bloss als Fussballer.»
«Nachdem ich Probleme mit den Arsenal-Fans gehabt hatte, habe ich mein Social-Media-Verhalten komplett verändert. Wenn wir verlieren ... dann ist es besser, einfach nichts zu lesen.»

... über seine Aussenwirkung:

«Du kannst die Meinung der Leute über dich nicht ändern. Viele glauben, ich sei arrogant, wenn sie mich auf dem Platz oder in Interviews sehen. Es ist mir schon oft passiert, dass sie dann gesagt haben: ‹Wow, du überraschst mich!› Weil sie geglaubt haben, ich sei komplett anders. Vielleicht bin ich einfach zu direkt und die Leute verstehen mich falsch.»
«Ich denke, ich bin auf dem Platz eine komplett andere Person als neben dem Platz. Leute, die mich nicht kennen, glauben, ich sei sehr ernst. Sie denken, ich lache nie oder mache nie einen Witz. Aber die Leute, die mich kennen, wissen, wie ich wirklich bin. Ich mache gerne Witze und habe gerne Spass. Aber es gibt natürlich eine Grenze: Ich gehe nicht ins Training, um Witze zu machen. Ich bin hier in England, um zu arbeiten. Und wenn die Zeit ist zu arbeiten, dann arbeite ich.»

... über seine vielen Gelben und Roten Karten:

«Es ist ja nicht so, dass ich erst Karten kriege, seit ich in England spiele. Das war schon immer ein Teil meines Spielstils. Seit ich Profi bin, kriege ich Karten. Manchmal mehr, manchmal weniger. Bei einem 50:50-Ball kommst du manchmal zu spät und manchmal geht es gut. Das ist Fussball, kein Ballett. Ich bin nicht undiszipliniert und wenn einmal doch, stehe ich hin und entschuldige mich.»
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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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baBIELon
13.04.2022 18:31registriert August 2016
Gewinner- und Charaktertyp💪🏻 Wir haben solches Glück dich als Nati-Captain zu haben! DANKE GRANIT!
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TodosSomosSecondos
13.04.2022 21:19registriert April 2016
Ich bin gewiss kein Xhaka-Fan und werde es auch nicht mehr aber kein anderer Schweizer Spieler - ok vielleicht noch Lichti - hat mit harter Arbeit so viel erreicht. Grosser Sportsmann. Fertig.
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cabli
13.04.2022 18:13registriert März 2018
Fussball besteht aus Emotionen. In diesem Fall haben wohl beide Seiten übertrieben.
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